European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0000DS00004.160.0704.000
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Disziplinargericht aus, dass die von Rechtsanwalt Dr. Stephan B***** beim Disziplinargericht eingebrachte und als „Dienstaufsichtsbeschwerde“ bezeichnete Eingabe nicht weiter behandelt wird.
In der Begründung führte das Oberlandesgericht Innsbruck dazu aus, dass es sich bei der Eingabe des Dr. Stephan B***** der Sache nach um eine von einem Privaten erstattete Disziplinaranzeige handelte, die keinen vom Disziplinargericht zu behandelnden Prozessgegenstand bildet.
Die dazu gemachte Anregung des Disziplinaranwalts, „vorerst im Sinne des § 122 RStDG eine schriftliche Stellungnahme der Beschuldigten“ einzuholen, wertete das Disziplinargericht als keine Antragstellung, mit der ein insoweit notwendiger unmissverständlicher Wille des Dienstgebers zum Ausdruck gebracht wird, eine Entscheidung des Disziplinargerichts herbeizuführen.
Die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck bekämpft diesen Beschluss unter anderem mit dem Vorbringen, der Oberste Gerichtshof habe zu AZ Ds 25/13 die Rechtsansicht vertreten, auch Disziplinaranzeigen von Privaten wären vom Disziplinargericht zu prüfen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist nicht im Recht.
Zu Ds 1/16 (RIS‑Justiz RS0130573, RS0130574), worauf sich das Oberlandesgericht zur Begründung seiner Entscheidung beruft, hat der Oberste Gerichtshof nämlich klargestellt, dass Beschwerden von Beteiligten wegen Verweigerung oder Verzögerung der Rechtspflege bei den im § 78 GOG bezeichneten Stellen einzubringen sind und diesen die Wahrnehmung der dienstlichen Interessen zukommt. Eine Gerichtsentscheidung darüber sieht das Gesetz nicht vor. Das RStDG knüpft in seinem 2. Teil beim Pflichtenbereich von Justizverwaltung und Aufsicht an (§§ 73 ff GOG, § 3 Abs 1 OGHG), deren Tätigkeit in ein Disziplinarverfahren münden kann (§ 78 Abs 1 letzter Satz GOG). Wahrnehmung dienstlicher Interessen durch Private scheidet aus (vgl demgegenüber §§ 65 ff, 195, § 282 Abs 2 StPO). Von Privaten erstattete „Disziplinaranzeigen“ bilden daher keinen Prozessgegenstand für das Disziplinargericht. Prozessgegenstand des Disziplinarverfahrens (Disziplinarsache [vgl §§ 116 f RStDG]; vgl auch § 123 Abs 3, § 130 Abs 2 RStDG [Sache] und § 137 Abs 1 RStDG [zur Last gelegte Pflichtverletzung]) ist vielmehr der ohne Formzwang zum Ausdruck gebrachte, aber unmissverständliche Wille des Dienstgebers, eine Entscheidung des Disziplinargerichts herbeizuführen .
Mit der „Anregung, vorerst im Sinne des § 122 RStDG eine schriftliche Stellungnahme der Beschuldigten einzuholen“, wurde keineswegs unmissverständlich der Wille des Dienstgebers, eine Entscheidung des Oberlandesgerichts über den von Dr. B***** in seiner „Dienstaufsichtsbeschwerde“ vorgetragenen Sachverhalt herbeizuführen, zum Ausdruck gebracht, was dieses zutreffend erkannte.
Der Beschwerdehinweis auf OGH 20. 3. 2014, Ds 25/13, ändert daran nichts. Der Oberste Gerichtshof hat zu Ds 25/13 ausdrücklich betont, die Entscheidung (die Einleitung der Disziplinaruntersuchung abzulehnen) „nicht von sich aus“, vielmehr nur getroffen zu haben, weil ihm der Sachverhalt vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofs „zur dienststrafrechtlichen Beurteilung“ übermittelt worden war.
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