OGH 10ObS66/16b

OGH10ObS66/16b28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter (Senat nach § 11a ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch MMag. Walter Gapp, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15‑19, 1100 Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 3 Cgs 106/00z des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. Februar 2016, GZ 10 Rs 19/16m‑131, mit dem die „Berufung“ (richtig: der Rekurs) der klagenden Partei gegen das „Urteil“ (richtig: den Beschluss) des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 14. September 2015, GZ 3 Cgs 40/08f‑114, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00066.16B.0628.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Mit „Urteil“ vom 14. September 2015 wies das Erstgericht die Wiederaufnahmeklage des Klägers betreffend das Verfahren AZ 3 Cgs 106/00z des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien mit der Begründung zurück, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Vorprozesses nicht vorlägen. Ein gefälschtes Beweismittel sei von vornherein ungeeignet, eine Wiederaufnahme zu begründen. Das vom Kläger als Beilage ./C vorgelegte „Protokoll“ vom 28. Jänner 2004 sei ihm nach seinem eigenen Vorbringen bereits im Vorprozess bekannt gewesen. Auch hinsichtlich der weiteren von ihm vorgelegten Beweismittel (Beilagen ./A und ./B) sei dem Kläger weder der Beweis der Echtheit noch der Rechtzeitigkeit der Geltendmachung gelungen. Inhaltlich sei aus diesen Urkunden ebenso nichts zu gewinnen, weil sich daraus keine neuen Umstände ergäben, die dem Kläger nicht bereits im Vorprozess bekannt gewesen wären, bzw seien diese Umstände ohnedies berücksichtigt worden. Die Klage sei daher sowohl verfristet als auch unberechtigt.

Diese Entscheidung wurde dem – zu diesem Zeitpunkt nicht vertretenen (ON 79) – Kläger am Dienstag, den 22. September 2015, zugestellt (ON 115). Am Dienstag, den 6. Oktober 2015, hat er den verbesserten Verfahrenshilfeantrag eingebracht (ON 116), den das Erstgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 (ON 118) unter anderem durch Beigebung eines Verfahrenshelfers bewilligte. Die Ausfertigung der Entscheidung des Erstgerichts wurde dem Verfahrenshelfer am 2. Dezember 2015 zugestellt (ON 120). Das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Erstgerichts wurde am 29. Dezember 2015 im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht (ON 128).

Das Oberlandesgericht Wien qualifizierte die Entscheidung des Erstgerichts als Beschluss, mit dem die Wiederaufnahmeklage gemäß § 543 ZPO zurückgewiesen wurde, und wies das dagegen erhobene, als Rekurs zu betrachtende Rechtsmittel als verspätet zurück. Die Rekursfrist habe mit Ablauf des 16. Dezember 2015 geendet. Den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs („in eventu: außerordentliche Revision“) stellt der Kläger in den Vordergrund, dass das Erstgericht zutreffend in Urteilsform entschieden habe (§ 541 ZPO), weil es den Inhalt der vorgelegten Urkunden gewürdigt habe. Damit sei das Erstgericht über das Stadium der Vorprüfung hinausgetreten; eine Entscheidung gemäß § 538 ZPO sei gar nicht mehr möglich gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Kläger keine im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Das Erstgericht hat über die Wiederaufnahmeklage verhandelt (ON 27, 54, 60, 93 und 107) und diese mit Urteil vom 14. September 2015 (ON 114) ausdrücklich zurückgewiesen, wobei es sich in der Begründung in erster Linie auf das verspätete Überreichen der Klage bezog, wie es in § 543 ZPO ausdrücklich genannt ist. In dieser Bestimmung ist angeführt, dass im Fall einer verspäteten Einbringung die Klage „durch Beschluss zurückzuweisen“ ist, selbst wenn bereits mündlich verhandelt, also das Vorprüfungsstadium verlassen wurde.

2. In Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hat das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts als Beschluss qualifiziert (RIS‑Justiz RS0044264, RS0044527 [T7]). Wenn sich das Erstgericht in der Entscheidungsform vergriffen und die Klage unrichtigerweise in Urteilsform zurückgewiesen hat, steht dagegen nur der Rekurs offen (RIS‑Justiz RS0040285). Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0036324; Kodek in Rechberger, ZPO4 § 521 Rz 1).

3. Die Rekursfrist gegen die Entscheidung des Erstgerichts beträgt vierzehn Tage (§ 521 Abs 1 Satz 1 ZPO). Die Entscheidung des Rekursgerichts, das das Rechtsmittel des Klägers als verspätet zurückgewiesen hat, geht mit dieser eindeutigen gesetzlichen Anordnung konform.

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist das als außerordentlicher Revisionsrekurs zu wertende Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen.

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