European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00030.16T.0628.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde
Halis A***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – vom Vorwurf, er habe am 17. September 2014 in W
***** Nesrin H*****
(I) mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr Jeans und Slip herunterriss, sie auf das Bett stieß, ihr gewaltsam die Beine auseinander drückte und anschließend vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchführte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Ausschließlich gegen diesen Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.
Die – im Widerspruch zu seiner in der Hauptverhandlung aufgestellten Behauptung eines einverständlichen Geschlechtsverkehrs stehende – Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, wonach er Nesrin H***** nicht kenne, nie in der von ihr als Tatort bezeichneten Wohnung gewesen sei und sich nicht erklären könne, warum die Genannte ihn wiedererkenne, geben ein dem § 201 Abs 1 StGB subsumierbares Geschehen nicht wieder, womit es der Mängelrüge mit ihrem Einwand unterlassener Erörterung (Z 5 zweiter Fall) dieser Depositionen an der erforderlichen Beschwer mangelt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 424). Unter dem Aspekt solcherart unternommener Infragestellung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten wird keine entscheidende Tatsache angesprochen.
Ausschließlich eine solche wäre aber tauglicher
Bezugspunkt des Einwands der
Unvollständigkeit bei der Beurteilung der Überzeugungskraft dieser Aussage (RIS‑Justiz RS0119422 [T4]).
Indem die Beschwerde im Folgenden darauf verweist, dass die Angaben der Nesrin H***** (im Gegensatz zu jenen des Angeklagten) stets gleichlautend und widerspruchsfrei waren und die Zeugen Emre U***** und Kadriye C*****, deren Unglaubwürdigkeit das Erstgericht explizit hervorgehobenen habe, den Geschlechtsakt zwischen Halis A***** und Nesrin H***** gar nicht beobachten konnten, versucht sie der Sache nach bloß die sachverhaltsmäßige Verneinung der Glaubwürdigkeit dieser Beweispersonen durch die Tatrichter in Zweifel zu ziehen und bekämpft solcherart deren Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) strebt einen Schuldspruch nach § 207b Abs 2 StGB an und vermisst unter Hinweis auf einzelne Passagen aus der Aussage der (zum Tatzeitpunkt 15jährigen) Nesrin H***** Feststellungen zu einer vom Angeklagten ausgenützten Zwangslage der Genannten.
Prozessordnungsgemäße Ausführung einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) erfordert den Vergleich des gesamten, vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts mit dem anzuwendenden Strafgesetz und die Behauptung eines Rechtsfehlers im angefochtenen Urteil. Ist diesem die tatsächliche Grundlage für die angestrebte Rechtsfolge nicht zu entnehmen, hat die Rüge (mit dem Hinweis auf entsprechend indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse) einen
Feststellungs-mangel geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0099810, RS0118580).
Diese Anfechtungsvoraussetzungen verfehlt die Beschwerdeführerin. Sie übergeht nämlich zum Einen die Urteilsannahmen, nach denen Nesrin H***** ihren Eltern erzählte, bei einer Freundin zu übernachten, während sie tatsächlich – ihrem ursprünglichen Plan entsprechend (US 5) – in die Wohnung eines ihr nicht bekannten Freundes des Halis A***** mitging und dort freiwillig (vgl die Negativfeststellungen zu einem Entzug der persönlichen Freiheit; US 3, 6 f) die Nacht verbrachte (US 2, 4 f), und erschöpft sich zum Anderen darin, aus den – vom Erstgericht gerade nicht als glaubwürdig angesehenen (US 5 f) – Angaben der Genannten zu den Umständen des Geschlechtsverkehrs auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen abzuleiten, dass Nesrin H***** „offenkundig Angst vor Gewalthandlungen des Angeklagten hatte“.
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Zwangslage im Sinn des § 207b Abs 2 StGB (vgl dazu Hinterhofer SbgK § 207b Rz 24; Philipp in WK² StGB § 207b Rz 12; 11 Os 36/05m) werden mit diesem Vorbringen ebensowenig aufgezeigt wie mit der weiters ins Treffen geführten Behauptung der genannten Zeugin, der Angeklagte habe gesagt, sie solle „nicht weinen wie ein kleines Kind“.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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