European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00045.16H.0616.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Schapaat S***** und Schariat J***** jeweils des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach §§ 15 Abs 1, 278b Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat in dem Wissen, dadurch diese in ihrem Ziel, nämlich der Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen gestalteten Gottesstaats durch die Begehung terroristischer Straftaten gemäß § 278c Abs 1 Z 1 bis 7 und 9a StGB (US 4) zu fördern, zu beteiligen versucht, und zwar
1. Schapaat S***** von Spätsommer 2014 bis 19. März 2015 in F***** und ab Februar 2015 in G*****, indem sie
a) den ihr von der abgesondert verfolgten Khava D***** (alias A*****) vermittelten, für die Vereinigung in Syrien und im Irak kämpfenden Tarik Sh***** alias „Abu U*****“ nach islamischem Ritus in einer über das Internetkommunikationssystem Skype übertragenen Zeremonie heiratete und ihm zusagte, zu ihm nach Syrien zu reisen, um ihn durch Gründung einer Familie, persönliche Betreuung und Führung des Haushalts im Kampf für den Staat zu unterstützen und zu bestärken,
b) den Kontakt zu den dem Islamischen Staat als Mitglieder angehördenden Tarik Sh*****, Firas H*****, Khava D***** und Armin De***** alias „Abu M*****“ aufrecht erhielt und sich im Internet mit Unterstützung der Genannten über die geeignete Reiseroute in das von der terroristischen Vereinigung kontrollierte Gebiet in Syrien informierte,
c) am 20. Jänner 2015 die Telefonnummer des Firas H*****, des Lebensgefährten der Khava D*****, an die sich „mu*****“ nennende Person zur Aufnahme des Kontakts für eine Beteiligung an der terroristischen Vereinigung weiterleitete,
d) Anfang Februar 2015 über Ersuchen von Khava D***** für die abgesondert verfolgte Indira T***** im Internet eine Flugverbindung nach Tunis zur anschließenden Weiterreise in das vom Islamischen Staat kontrollierte Gebiet in Syrien und zur Beteiligung an dieser terroristischen Vereinigung erhob und ihr bekanntgab,
e) spätestens Anfang Dezember 2014 mit Schariat J***** und den abgesondert verfolgten Tansila Ma***** und Mehina P***** die gemeinsame Abreise nach Syrien für den 29. Dezember 2014 festsetzte und nach Verschiebung dieser Abreise mit Schariat J***** die gemeinsame Abreise Ende März 2015 oder April 2015 plante,
2. Schariat J***** in G***** von Herbst 2014 bis 19. März 2015 dadurch, dass sie
a) sich im Herbst 2014 entschloss, mit Schapaat S***** nach Syrien zu reisen und dort entweder einen für den Islamischen Staat kämpfenden Tschetschenen oder den für die terroristische Vereinigung kämpfenden Armin De***** zu heiraten, um diesen durch Gründung einer Familie, persönliche Betreuung und Führung des Haushalts im Kampf für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat zu unterstützen und zu bestärken,
b) den Kontakt zu Tarik Sh*****, Firas H*****, Khava D***** und Armin De***** aufrecht hielt und sich im Internet mit Unterstützung der Genannten über die geeignete Reiseroute in das vom Islamischen Staat kontrollierte Gebiet in Syrien informierte,
c) spätestens Anfang Dezember 2014 mit Schapaat S***** und den abgesondert verfolgten Tansila Ma***** und Mehina P***** die gemeinsame Abreise nach Syrien für den 29. Dezember 2014 festsetzte und nach Verschiebung dieser Abreise mit Schapaat S***** die gemeinsame Abreise für Ende März 2015 oder im April 2015 plante.
Rechtliche Beurteilung
Den dagegen aus Z 5, 5a und „9a“ des § 281 Abs 1 StPO in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Soweit die Mängelrüge (Z 5) sich gegen die Konstatierungen zu 1./a./ des Schuldspruchs wendet und behauptet, die Ehe wäre nach islamischem Recht nicht gültig, scheitert sie schon daran, dass sie sich auf keine für die Lösung der Schuld‑ oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache bezieht (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399).
Die weiteren Ausführungen der Mängelrüge, die sich im Übrigen keiner Anfechtungskategorie der Z 5 zuordnen lassen, verkennen, dass § 278b Abs 2 StGB als schlichtes Tätigkeitsdelikt konzipiert ist, indem vorgebracht wird, es ergäbe sich „aus dem Akteninhalt“, „dass die betroffenen IS‑Kämpfer bereits fleißig gemordet und gekämpft haben und … die im Akt aufscheinenden Mörder keine Unterstützung oder Bestärkung benötigt“ hätten und wonach „die IS‑Leute ... derart fanatisiert und von ihrer Handlungsweise überzeugt sind, dass eine weitere Unterstützung oder Bestärkung gar nicht mehr möglich ist, sondern eher kontraproduktiv wäre“. Die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied ist vollendet, sobald der Täter eine Aktivität gemäß § 278b Abs 2 StGB iVm § 278 Abs 3 StGB entfaltet. Ob die terroristische Vereinigung eine solche Förderungsaktivität erfolgreich nutzt, ist für die Vollendung der strafbaren Handlung nicht von Bedeutung ( Plöchl in WK 2 StGB § 278b Rz 14). Im Übrigen liegt den Angeklagten lediglich Versuch zur Last. In diesem Zusammenhang bleibt allerdings anzumerken, dass das Erstgericht hier – freilich ohne Nachteil für die Angeklagten – zu Unrecht Versuch statt Vollendung angenommen hat.
Das weitere Vorbringen der Mängelrüge zu den Konstatierungen betreffend das Verschieben der Abreise nach Syrien auf Ende März oder April 2015 (US 7) beschränkt sich auf eine Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung, ohne einen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen, indem behauptet wird, die beiden Angeklagten wollten tatsächlich nicht abreisen, weil sie es „entweder mit der Angst zu tun bekommen oder aber den Unsinn ihrer Reise rechtzeitig erkannt haben“. Dass das Schöffengericht die diesbezüglichen Feststellungen unbegründet ließ (Z 5 vierter Fall), trifft entgegen der Beschwerdekritik nicht zu (vgl dazu US 8, 11).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen ohne Aktenbezug lediglich aus den Urteilsgründen abzuleiten und verlässt damit den gesetzlichen Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0119424).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, warum die vorliegenden Feststellungen die Subsumtion nicht tragen sollten, indem sie darauf hinweist, dass auch Ehefrauen von „wirklichen Kriegsverbrechern“, „KZ‑Schergen“ und Massenmördern strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen würden (RIS‑Justiz RS0116565). Das gilt auch für das Vorbringen, wonach „bloße Haushaltsführung bzw allfällige sexuelle Hingabe“ den angenommenen Tatbestand nicht erfüllen könne.
Die Ansicht, im gegenständlichen Fall handle es sich „ganz sicher um die Wahnvorstellungen zweier Teenager“, nimmt nicht Maß am festgestellten Urteilssachverhalt und verfehlt so ebenfalls prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Behauptung, „alle Tätigkeiten vor dem Abbruch der Reise, die noch dazu absolut freiwillig erfolgt ist, sind straflose Vorbereitungshandlungen“, lässt ebenso methodengerechte Ableitung der behaupteten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz vermissen wie das Vorbringen, in der Weitergabe einer Telefonnummer oder der Auskunft über eine Flugverbindung könne keineswegs der Versuch der Unterstützung eines IS‑Kämpfers gesehen werden, vielmehr handle es sich um einen „Freundschaftsdienst oder aber eine Gefälligkeit“.
Die Rechtsmittelwerberinnen reklamieren für sich den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 StGB (inhaltlich Z 9 lit b) und führen aus, von der Abreise nach Syrien schließlich freiwillig Abstand genommen zu haben, verfehlen damit aber neuerlich prozessordnungskonforme Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes, weil sie die gegenteiligen Konstatierungen betreffend das Verschieben der Reise auf Ende März oder April 2015 und das Scheitern aufgrund ihrer Festnahmen am 19. März 2015 (US 7) übergehen. Im Übrigen ist nach dem bisher Gesagten Vollendung der strafbaren Handlung anzunehmen.
Indem die Nichtigkeitsbeschwerden ausführen, es handle sich um einen „untauglichen Versuch mit untauglichen Mitteln“, die Taten der beiden Angeklagten hätten auf den Krieg im Irak und auf das Geschehen im nahen Osten keinen Einfluss gehabt, sie hätten „auch keinen einzigen IS‑Kämpfer unterstützt oder gestärkt oder in seiner Mordlust intensiviert“ (Z 9 lit a), legen sie nicht dar, weshalb es darauf ankommen sollte.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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