OGH 20Os4/16p

OGH20Os4/16p10.6.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 10. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Haslinger und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer vom 16. November 2015, AZ D 60/14 (DV 24/15), TZ 31, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Lughofer, LL.M. und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0200OS00004.16P.0610.000

 

Spruch:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.

Danach hat er entgegen § 3 RL‑BA ‑ nachdem er am 19. September 2014 in ***** mit Rechtsanwalt ***** vereinbart hatte, dass dieser zum nächstmöglichen Zeitpunkt in der Kanzlei des Disziplinarbeschuldigten in ***** eine Sprechstelle errichten könne ‑ in weiterer Folge sämtliche Kontakte zu ***** abgebrochen und somit vertragliche Zusagen nicht eingehalten.

Er wurde hierfür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße von 2.500 Euro verurteilt.

Der Disziplinarbeschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis mit Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO) sowie wegen der Aussprüche über Schuld und Strafe. Der Kammeranwalt hat dazu eine ablehnende Gegenäußerung erstattet.

Der Nichtigkeits‑ und Schuldberufung kommt ‑ wie bereits von der Generalprokuratur zutreffend ausgeführt ‑ keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Disziplinarbeschuldigte durch die Abweisung seines in der Disziplinarverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung des ***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass mit diesem Zeugen nie eine Partnerschaft oder eine Kanzleigemeinschaft bestanden habe und auch nicht bestehen werde(Verhandlungsprotokoll TZ 30 S 11), nicht in Verteidigungsrechten verletzt, weil das angegebene Beweisthema für den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne jede Relevanz ist.

Soweit der Berufungswerber in der Verfahrensrüge noch ausführt, der Zeuge ***** hätte auch dazu befragt werden müssen, „ob er nach dem letzten Telefonat weitere Telefonate versucht bzw. eine Korrespondenz geführt hat“, wird der Sache nach eine Verletzung der Pflicht des Disziplinarrats zu amtswegiger Wahrheitsforschung (Z 5a als Aufklärungsrüge) behauptet. Nicht dargetan wird indes, wodurch der Disziplinarbeschuldigte selbst an der Ausübung seines Fragerechts gehindert gewesen sein soll (RIS‑Justiz RS0115823, RS0114036; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 480 mwN).

Die Berufung erklärt im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) unter Anführung einzelner Details aus der Aussage des Zeugen ***** nicht, inwieweit diese in erörterungsbedürftigem Widerspruch zur konstatierten Vereinbarung über die Errichtung einer Sprechstelle stehen, und kritisiert allein mit eigenständigen Beweiswerterwägungen und Spekulationen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats, ohne prozessordnungsgemäß einen Widerspruch oder eine Aktenwidrigkeit aufzuzeigen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 439 und Rz 467).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht fehl, weil die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes ein striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und eine auf dieser Grundlage zu führenden Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei, erfordert (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581; RIS‑Justiz RS0099810).

Dem gegenüber versucht der Rechtsmittelwerber bloß ‑ dies unter Hinweis auf Details aus der Aussage des Zeugen *****, sowie mit Spekulationen und daran anknüpfenden eigenständigen Beweiswerterwägungen ‑, die ihm missliebige Feststellung, wonach er dem Zeugen ***** die Ermöglichung der Errichtung einer Sprechstelle in seiner Kanzlei zusagte, ins Gegenteil zu verkehren, und verfehlt damit einmal mehr den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 593).

Die Schuldberufung versagt, weil sie mit dem Hinweis darauf, wonach der Anzeiger nicht einmal einen Aktenvermerk verfasst habe, und der Forderung auf Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ keine Umstände aufzeigt, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken. Dieser hat vielmehr die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer widerspruchsfreien und lebensnahen Bewertung unterzogen sowie überzeugend und logisch nachvollziehbar dargetan, wie er zu den relevanten Feststellungen gelangte, insbesondere weshalb er der Darstellung des Zeugen ***** folgte.

Auch der Berufung wegen Strafe kommt keine Berechtigung zu. Der gemäß § 16 Abs 5 DSt (sinngemäß) anzuwendende § 31 StGB (Strafe bei nachträglicher Verurteilung) setzt voraus, dass die fallaktuelle Tat in einem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, was nur dann der Fall ist, wenn in erster Instanz eine gemeinsame Verfahrensführung möglich gewesen wäre. Sämtliche einer nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten müssen sohin vor dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verurteilung in einem vorangegangenen Verfahren begangen worden sein (Ratz in WK² StGB § 31 Rz 2 mwN).

Da das Erkenntnis des Disziplinarrats, auf welches nach den Ausführungen der Berufung beim Ausspruch über die Strafe hätte Bedacht genommen werden müssen, bereits am 28. Jänner 2013 erging (AZ D 67/11, DV 23/12), der Disziplinarbeschuldigte die nunmehr abgeurteilte Tat jedoch erst im Herbst 2014 beging, ist eine Bedachtnahme iSd § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 StGB zu Recht unterblieben. Der Umstand, dass das Erkenntnis vom 28. Jänner 2013 erst mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 23. Februar 2016 (20 Os 22/15h) in Rechtskraft erwuchs, ändert daran nichts.

Im Übrigen ist die Strafausmessung des Disziplinarrats mit Rücksicht auf die Vorstrafen des Disziplinarbeschuldigten, das ihm angelastete Verschulden und seine Einkommensverhältnisse entgegen seinen Ausführungen in der Berufung als schuld‑ und tatangemessen zu bewerten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

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