OGH 15Ns27/16p

OGH15Ns27/16p25.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Isep als Schriftführer in der Strafsache gegen Felix K***** und eine weitere Angeklagte wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2015/112) und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 19 Hv 37/15d des Landesgerichts Klagenfurt, über den Kompetenzkonflikt zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht für Strafsachen Wien, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150NS00027.16P.0525.000

 

Spruch:

Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Wien legte mit beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingebrachtem Strafantrag vom 6. August 2015 (ON 3 des Aktes AZ 24 EHv 45/15h des Landesgerichts für Strafsachen Wien) Felix K***** als Vergehen der schweren Körperverletzung nach (richtig:) §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2015/112; A./; Tatzeit 1. Februar 2015, Tatort W*****) und (wegen des engen sachlichen Zusammenhangs gemäß § 37 Abs 1 StPO unter einem) Astrid R***** als Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2015/112; B./1./; Tatzeit 31. Jänner 2015, Tatort W*****) sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B./2./; Tatzeit 1. Februar 2015, Tatort W*****) qualifiziertes Verhalten zur Last.

Mit Aktenvermerk vom 28. August 2015 hielt die Einzelrichterin des genannten Gerichts fest, im Hinblick auf Zweifel, ob die zu A./ des Strafantrags geschilderten Verletzungsfolgen die Annahme der Qualifikation des § 84 Abs 1 StGB tragen würden, mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft Wien folgende Vorgangsweise „erörtert“ zu haben: „Statt Zurückweisung des Strafantrags gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 212 Z 3 StPO Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zum Schweregrad der Verletzungen und nach Gutachtenserstattung gegebenenfalls Austausch des Strafantrags samt dessen Einbringung am Bezirksgericht Donaustadt“ (ON 1 S 1). Die Richterin fasste den Beschluss auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens (ON 5).

Am 20. Oktober 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen R***** beim Landesgericht Klagenfurt zu AZ 19 Hv 37/15d wegen als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (1./) und nach § 107 Abs 1 StGB (2./) qualifizierten Verhaltens (Tatzeiten zwischen Juni und 16. August 2015, Tatort jeweils P***** im Bezirk Spittal an der Drau) Strafantrag (ON 3 in ON 8 des Aktes des Landesgerichts für Strafsachen Wien). Nach einer mit Aktenvermerk festgehaltenen Durchführung einer „Prüfung gemäß § 485 StPO“ verfügte (vgl Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7/1, § 38 Rz 1) der Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt die Überweisung des Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien zur gemeinsamen Führung mit dem dort zu AZ 24 Hv 45/15h anhängigen Strafverfahren aufgrund subjektiver Konnexität, wo der Akt am 5. November 2015 einlangte.

Mit beim Bezirksgericht Donaustadt zu AZ 32 U 185/15d eingebrachtem Strafantrag vom 10. November 2015 legte die Staatsanwaltschaft Wien R***** als Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB qualifiziertes Verhalten (Tatzeit 1. August 2015, Tatort *****) zur Last (ON 4 in ON 9). Der Bezirksrichter verfügte am 13. November 2015 ebenfalls die Überweisung des Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 24 Hv 45/15h zur gemeinsamen Führung gemäß § 37 StPO aufgrund subjektiver Konnexität, wo der Akt am 16. November 2015 einlangte.

Nach Einlangen des gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens (ON 10) am 5. Jänner 2016 übermittelte die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien den Akt der Staatsanwaltschaft Wien zur weiteren Antragstellung (ON 1 S 2). Am 26. Februar 2016 zog die Staatsanwaltschaft den Strafantrag vom 6. August 2015 (ON 3) gemäß §§ 227 Abs 2, 488 Abs 1 StPO im Austausch gegen einen gleichzeitig eingebrachten und an das Bezirksgericht Donaustadt gerichteten Strafantrag (ON 12) zurück (ON 1 S 2).

Mit prozessleitender Verfügung (15 Ns 104/15k) vom 14. März 2016 (ON 13) bezog die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Verfahren des Landesgerichts Klagenfurt, und des Bezirksgerichts Donaustadt, zur gemeinsamen Führung gemäß § 37 Abs 1 StPO ein und trat das gesamte Verfahren „im Hinblick auf den ausgetauschten Strafantrag vom 26. Februar 2016“ (ON 12) gemäß § 37 Abs 2 StPO an das Landesgericht Klagenfurt „zu AZ 19 Hv 37/15d“ ab. Begründend wurde zur Abtretung im Wesentlichen ausgeführt, dass die (nach Austausch des Strafantrags nunmehr) den Angeklagten zur Last gelegten Taten mit Ausnahme des nach § 107 Abs 1 und 2 StGB subsumierten Vorwurfs gegen R***** (Punkt 1./ des Strafantrags der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ausschließlich in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fallen würden. Gemäß § 37 Abs 2 StPO sei unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere für alle Verfahren zuständig, wobei gemäß § 36 Abs 3 StPO das Gericht örtlich zuständig sei, in dessen Sprengel die – die sachliche Zuständigkeit begründende – Straftat ausgeführt wurde.

Der Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt legte das Verfahren dem Obersten Gerichtshof gemäß § 38 StPO vor.

Gemäß § 37 Abs 3 StPO sind mehrere Hauptverfahren zu verbinden. Eine Verbindung von Verfahren setzt im Fall sukzessiver Anklageerhebung nach § 37 Abs 3 StPO ein bereits mit rechtswirksamer Anklage anhängiges Hauptverfahren und auch Rechtswirksamkeit der späteren Anklage voraus (vgl Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7; RIS‑Justiz RS0123445).

Zwar sieht das Gesetz im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts – anders als in jenem vor Kollegialgerichten (vgl § 213 Abs 4 StPO) – keine förmliche Beschlussfassung über die Rechtswirksamkeit der Anklage (des Strafantrags) vor, der Strafantrag ist jedoch vom Einzelrichter amtswegig nach den Kriterien des § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO zu überprüfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgend (RIS‑Justiz RS0123445 [T6]; Oshidari,WK-StPO § 37 Rz 7/1) hat der Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt zu AZ 19 Hv 37/15d die Vorprüfung des Strafantrags der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vorgenommen, sein positives Ergebnis auf dem AB-Bogen (S 2 in ON 1 aus ON 8) dokumentiert und die Übermittlung des Aktes an das Landesgericht für Strafsachen Wien verfügt (§ 37 Abs 3 iVm Abs 2 StPO).

Mit dem eingangs zitierten Aktenvermerk vom 28. August 2015 hat die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien (AZ 24 Hv 45/15h) die Prüfung des von der Staatsanwaltschaft Wien eingebrachten Strafantrags (ON 3) und die Verneinung der Kriterien des § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO (arg: „statt Zurückweisung des Strafantrags ... Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens ...“; vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 222 Rz 6) dokumentiert.

Zum Zeitpunkt des Einlangens desAktes des Landesgerichts Klagenfurt AZ 19 Hv 37/15d war das Landesgericht für Strafsachen Wien aufgrund des somit anhängigen Hauptverfahrens mit den im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 6. August 2015 (ON 3) zur Last gelegten Taten sowie der früheren Tatzeit und subjektiver Konnexität das gemäß § 37 Abs 3 iVm Abs 2 StPO für die Verfahrensverbindung und -führung zuständige Gericht. Gleiches gilt auch im Verhältnis zum Verfahren des Bezirksgerichts Donaustadt AZ 32 U 185/15d aufgrund des Vorliegens subjektiver Konnexität und der höheren Ordnung des Landesgerichts für Strafsachen Wien (§ 37 Abs 2 erster Fall StPO).

Durch den Austausch des Strafantrags konnte die aufgrund Zusammenhangs (§ 37 StPO) einmal begründete Zuständigkeit nicht nachträglich verändert werden (Oshidari, WK‑StPO § 36 Rz 9 und § 37 Rz 10, 12).

Demnach ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das Hauptverfahren vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu führen.

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