European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00251.15B.0426.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Am 31. 12. 2012 schloss die spätere Schuldnerin ‑ eine Gesellschaft mbH ‑ mit der Beklagten und einer weiteren Gesellschafterin schriftlich die „Vereinbarung über die Leistung von Zuschüssen“, wonach die Gesellschafter sich verpflichten, „zur Abdeckung der Verluste ... folgende Zuschüsse (nicht gebundene Rücklage) an die [Gesellschaft] zu leisten“. Die „Leistung durch die [Beklagte]“ bestand darin, dass die Beklagte mit Stichtag 31. 12. 2012 „auf ihre Forderung auf Rückzahlung“ von Genussrechtskapital von insgesamt 1.670.000 EUR und von „Zwischenfinanzierungen“ von insgesamt 675.000 EUR „verzichtet“ und diese Beträge als Zuschuss in die Gesellschaft „einbringt“.
Bei Abschluss der Vereinbarung bestand der Parteiwille sämtlicher Vertragspartner darin, das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Genussrechtskapital und die Zwischenfinanzierung in Höhe von insgesamt 2.345.000 EUR in einen Gesellschafterzuschuss in dieser Höhe umzuwandeln, der als Kapitalrücklage in der genannten Höhe ausgewiesen werden soll. So sollte befristetes Kapital zu unbefristetem Kapital werden, indem die Beträge nicht mehr als Fremdkapital, sondern fortan als Eigenkapital gelten. Geld sollte im Rahmen dieser Maßnahme faktisch nicht in die Hand genommen werden. Sämtliche Beteiligten gingen von einer Werthaltigkeit der Forderungen der Beklagten aus, die mit dieser Maßnahme von Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt werden sollten. Sämtliche beteiligten Vertragsparteien erhofften sich durch die damit herbeigeführte Stärkung der Eigenkapitalsituation einen positiven Abschluss der Kreditverhandlungen mit der Raiffeisenbank P*****. Mit dieser Maßnahme erklärten sich die betroffenen Gesellschafter einverstanden, die zunächst als Fremdkapital zur Verfügung gestellten Gelder nie wieder als solche (Fremdkapital) zurückfordern zu können. Mit der Maßnahme sollte ausschließlich eine Umwandlung des Fremdkapitals in Eigenkapital erwirkt werden, um eine für die Bank zufriedenstellende Eigenkapitalsituation zu ermöglichen. Es war nicht Wille der Vertragsparteien, dass die Beklagte in irgendeiner Konstellation tatsächlich einen Betrag von 2.350.000 EUR an die spätere Schuldnerin bezahlt.
Das Erstgericht, das die eingangs wiedergegebenen Feststellungen traf, wies das auf Zahlung von 2.345.000 EUR sA gerichtete Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Wesentlich sei der festgestellte Parteiwille, wonach aufgrund der Vereinbarung kein neues, „frisches“ Geld der Beklagten der späteren Schuldnerin zugeführt, sondern bloß das schon eingebrachte (Fremd‑)Kapital „in Eigenkapital (der späteren Schuldnerin) umgewandelt“ werden sollte. Dieser übereinstimmende Wille gehe als natürlicher Konsens entsprechend dem Grundsatz falsa demonstractio nocet stets jeglichem anderen Auslegungsergebnis ‑ selbst einem abweichenden Urkundeninhalt ‑ vor. Wenn und soweit der Kläger diese klar festgestellte Parteiabsicht ignoriere, sei die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt und daher unbeachtlich.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Für die Auslegung einer zwischen den Parteien schriftlich getroffenen Vereinbarung ist der Wortlaut maßgeblich, so lange nicht behauptet und bewiesen ist, dass aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände sich ein übereinstimmender Parteiwille oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergibt (RIS‑Justiz RS0043422 [T6, T13]).
Zu Unrecht wirft der Revisionswerber dem Berufungsgericht vor, nicht den hypothetischen Parteiwillen ermittelt zu haben, was die Parteien für den Fall vereinbart hätten, dass sich herausstelle, dass die gewählte Methode zur Erreichung des festgestellten Ziels, nämlich der Ausweisung des Verzichtsbetrags als Eigenkapital, untauglich sei. Der Schließung einer „Vertragslücke“ durch Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens setzen sowohl der tatsächliche geäußerte Wille als auch die Angemessenheit des Interessensausgleichs Schranken (9 Ob 42/10g; Bollenberger in KBB 4 § 914 ABGB Rz 9 mwN). Der von den Vorinstanzen festgestellte übereinstimmende Parteiwille lässt eine Schließung der behaupteten „Vertragslücke“ in dem vom Revisionswerber gewünschten Sinn nicht zu. Die Frage, ob eine Bilanz und damit auch ein Rechenergebnis aus einer Bilanz (Eigenkapitalquote) immer die Vermögenssituation einer Gesellschaft richtig und vollständig wiedergeben müsse oder ob es auch zulässig sei, eine Bilanz zu erstellen und im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, in der eine Vermögenssituation suggeriert werde, die nicht vorhanden sei, ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers vor dem Hintergrund der Feststellungen der Vorinstanzen keine „grundsätzliche Frage“, die vom Obersten Gerichtshof im konkreten Fall beantwortet werden müsste. Sie ist für das auf vertragliche Vereinbarung gestützte Klagebegehren hier nicht präjudiziell. Dies trifft auch auf die Frage zu, ob bei einem Forderungsverzicht in jedem Fall das gesamte Nominale des geschuldeten Betrags in die nicht gebundene Kapitalrücklage im Sinn des § 229 Abs 2 Z 5 UGB gebucht werden dürfe oder nur der werthaltige Teil.
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