OGH 6Ob61/16p

OGH6Ob61/16p26.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Ing. W***** A*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen den Antragsgegner Ing. G***** G*****, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, wegen 59.115 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 21. Dezember 2015, GZ 1 R 266/15h‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00061.16P.0426.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Bereits vor dem Inkrafttreten des GesbR‑Reformgesetzes BGBl I 2014/83 mit 1. 1. 2015 war nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Zulässigkeit einer actio pro socio für Sozialansprüche (insbesondere auch Ansprüche auf Beitragsleistungen; Jabornegg/Resch/Slezak in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2014] § 1175 Rz 22) im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt (RIS-Justiz RS0113444; vgl auch Grillberger in Rummel, ABGB³ [2002] § 1175 Rz 28; Jabornegg/Resch/Slezak aaO Rz 22 ‑ alle mit weiteren Nachweisen). Dadurch war es einem einzelnen Gesellschafter, der sich zu einer Leistung an die Gesellschaft verpflichtet hatte, möglich, auch die übrigen Gesellschafter zu zwingen, ihrerseits die vereinbarte Leistung zu erbringen. Ein Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts konnte also Ansprüche der Gesellschaft gegen einen einzelnen Gesellschafter mit actio pro socio im eigenen Namen geltend machen und ‑ mangels eigener Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ‑ Leistung an alle Gesellschafter verlangen (6 Ob 58/00y).

Begründet wurde dies vor allem damit, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine juristische Person und damit im Zivilprozess nicht parteifähig ist, sodass Parteien des Rechtsstreits nur die Gesellschafter als Einzelpersonen sein können (6 Ob 58/00y).

1.2. Strittig war vor dem Inkrafttreten des GesbR-Reformgesetzes bisweilen, ob die actio pro socio lediglich subsidiär gegenüber der Klage der Gesellschaft selbst sein sollte, also nur dann Raum für sie wäre, wenn die nach der Organisationsstruktur der Gesellschaft zur Klage berufenen Gesellschafter oder Organe der Gesellschaft den Anspruch nicht geltend machen können oder nicht geltend machen wollen. Auf diese in Deutschland geführte Diskussion wies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 58/00y zwar hin, stellte dann aber klar, dass die zur BGB-Gesellschaft angestellten Überlegungen auf nach österreichischem Recht gegründete Gesellschaften bürgerlichen Rechts schon deshalb nicht übertragbar seien, weil diese nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen; im Übrigen verwies er auf österreichische Literatur, wonach mangels anderer gesellschaftsvertraglicher Gestaltung der Sozialanspruch der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter (jedenfalls solange darüber nicht materiell verfügt wurde) sowohl von der Gesellschaft selbst als auch von ihren Gesellschaftern mit actio pro socio geltend gemacht werden könne. Aus dieser Entscheidung schloss deshalb etwa Grillberger (aaO), der Oberste Gerichtshof habe die actio pro socio „immer zugelassen“, wobei er im Übrigen sogar dafür eintrat, vertragliche Beschränkungen dieses Klagsrechts nur in engen Grenzen zu akzeptieren.

1.3. Seit dem 1. 1. 2015 ordnet § 1188 ABGB an, dass die Erfüllung gesellschaftsbezogener Verpflichtungen eines Gesellschafters von jedem Gesellschafter zugunsten aller Gesellschafter gemeinsam eingefordert werden kann. Davon abweichende Vereinbarungen seien unwirksam. Dazu führen die ErläutRV (270 BlgNR 25. GP 14) unter Hinweis auf unter RIS-Justiz RS0061635 indizierte Entscheidungen aus, dass das im Personengesellschaftsrecht anerkannte Rechtsinstitut der actio pro socio ausdrücklich für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts kodifiziert werden sollte.

2. Die Vorinstanzen bejahten die Aktivlegitimation des Antragstellers zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche einer vor dem 1. 1. 2015 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Leistung von Gesellschafternachschüssen zur Beseitigung von Liquiditätsengpässen bei einem „Bauherrenmodell“. Der Antragsgegner hält dem (auch) im Revisionsrekursverfahren entgegen, er habe ausdrücklich behauptet, für die Gesellschaft sei ein Verwalter bestellt worden, dessen Vollmacht ausreiche, auch Anträge der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter einzubringen, weshalb infolge Subsidiarität der actio pro socio das Begehren des Antragstellers unzulässig sei.

Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung 6 Ob 58/00y zwar ausgeführt, es sei vom (dort) Beklagten weder behauptet worden noch sei hervorgekommen, dass ein Verwalter aller bestellt worden wäre, dessen Vollmacht dazu ausgereicht hätte, auch Klagen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter einzubringen. Allerdings handelte es sich dabei um ein obiter dictum, das ‑ jedenfalls vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen in der genannten Entscheidung (vgl 1.2.) ‑ nicht im Sinne einer grundsätzlichen Subsidiarität der actio pro socio zu verstehen war. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber des GesbR-Reformgesetzes die actio pro socio in § 1188 ABGB ausdrücklich im Sinne der bisherigen Rechtsprechung kodifizieren, wobei er diese Rechtsprechung ebenfalls im Sinn einer grundsätzlichen Zulässigkeit der actio pro socio verstand. Dieser gesetzgeberische Wille ist auch für die Beurteilung der vormaligen Rechtslage von Bedeutung.

Dafür, dass ‑ wie der Antragsgegner in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs meint ‑ vor dem 1. 1. 2015 eine actio pro socio nur dann zulässig gewesen wäre, wenn der gemeinsame Verwalter/Vertreter nicht tätig wurde oder es aus sonst vom Kläger/Antragsteller darzulegenden Gründen notwendig war, finden sich somit keine überzeugenden Anhaltspunkte.

Darüber hinaus releviert der Antragsgegner in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs nur Fragen der Auslegung des Vertrags, deren Beurteilung im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG darstellt (RIS‑Justiz RS0042776).

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