OGH 6Ob54/16h

OGH6Ob54/16h26.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 243.707,43 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2015, GZ 30 R 34/15t‑73, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25. August 2015, GZ 59 Cg 5/12v‑67, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00054.16H.0426.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Gegenstand des Rekursverfahrens ist einzig die Frage der Neuheit der von der Klägerin der beklagten Partei zugeführten Kunden. Alle anderen vom Erst‑ und vom Berufungsgericht behandelten Fragen stehen nicht im Zusammenhang mit der Aufhebung des Ersturteils.

Das Erstgericht stellte hinsichtlich der verschiedenen von der Klägerin angebotenen Produkte (Treibstoffe, Artikel im Shop, Waschgeschäft) bestimmte Stammkundenanteile fest (vgl RIS‑Justiz RS0124681) und traf weiters die Feststellung, diese Stammkunden seien auch in voller Höhe dieser Anteile als neugeworbene bzw als solche Kunden zu qualifizieren, deren Bindung zur beklagten Partei die klagende Partei wesentlich intensiviert habe. Davon ausgehend gab es der Klage hinsichtlich 171.623,03 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung ‑ soweit für das Rekursverfahren von Belang ‑ teilweise auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die wiedergegebene Feststellung des Erstgerichts könne so nicht übernommen werden, weil das Erstgericht offenbar geprüft habe, ob die Kunden für den Handelsvertreter neu gewesen seien, während rechtlich vielmehr relevant sei, ob die Kunden für den Unternehmer neu gewesen seien. Gleichzeitig existiere jedoch auch der Rechtssatz, dass bereits das Offenhalten und Betreiben einer Tankstelle ein Zuführen neuer Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz darstelle (RIS‑Justiz RS0109607 [T2]), was dieser Ansicht entgegenstehen könne. Aus diesem Grund sei der Rekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Rekurs ist nicht zulässig.

1.1. Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 24 Handelsvertretergesetz ist unter anderem, dass „der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat“. Um einen „neuen“ Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz handelt es sich dann, wenn der Unternehmer mit diesem Kunden zu Beginn des Handelsvertreterverhältnisses noch nicht in Geschäftsbeziehung gestanden ist (RIS‑Justiz RS0108023 [T1]). Für den Ausgleichsanspruch ist daher entscheidend, ob es sich um für den Unternehmer neue Kunden handelt, ( Nocker , Handelsvertretergesetz 2 § 24 Rz 449, 459 mwN). Hat der Kunde zuvor schon regelmäßig bei (anderen) Tankstellen desselben Mineralölunternehmens getankt, dann handelt es sich bei diesen Kunden nicht um einen „neuen“ Kunden ( Nocker aaO § 24 Rz 460).

1.2. Davon ist die (weitere) Voraussetzung zu unterscheiden, dass der Handelsvertreter für die Zuführung der neuen Kunden zum Unternehmer auch kausal geworden sein muss (vgl Nocker , Handelsvertretergesetz 2 § 24 Rz 463), sodass die Zuführung neuer Kunden durch die werbende Tätigkeit des Handelsvertreters die Ursächlichkeit seiner Tätigkeit voraussetzt, wobei Mitursächlichkeit des Handelsvertreters in Form einer objektiven Mitwirkung genügt (RIS‑Justiz RS0109607 [T1]). Dabei ist die Frage der „Neuheit“ des Kunden der Frage der Ursächlichkeit des Tankstellenpächters für die Neukundenzuführung logisch vorgelagert (vgl nur Nocker, Handelsvertretergesetz 2 § 24 Rz 459 ff).

1.3. Die diesbezügliche Rechtsansicht des Berufungsgerichts erweist sich daher als zutreffend. Ebenso zutreffend qualifizierte das Berufungsgericht die Frage der „Neuheit“ der Kunden als Tatsachenfrage, weil die Frage, ob der Unternehmer mit einem bestimmten Kunden zu Beginn des Handelsvertretervertrags bereits in einer Geschäftsbeziehung stand (vgl RIS‑Justiz RS0108023 [T1]), einem Beweisverfahren zugänglich ist.

2.1. Die zweite Frage, also jene hinsichtlich der Ursächlichkeit des Verhaltens des Handelsvertreters, wurde von der Rechtsprechung bereits dahin beantwortet, dass bei einem Tankstellenpächter bereits der Betrieb und das Offenhalten der Tankstelle ausreicht (RIS‑Justiz RS0109607 [T2]).

2.2. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob sich die Rechtsprechung, wonach allein das Offenhalten und Betreiben der Tankstelle ein Zuführen neuer Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz darstelle, nicht doch auch auf die Frage der Neuheit der Stammkunden beziehe, kommt die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück (vgl RIS‑Justiz RS0102059).

2.3. Im Übrigen ist die Formulierung, bereits das Offenhalten und Betreiben einer Tankstelle stelle ein Zuführen neuer Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz dar (RIS‑Justiz RS0109607 [T2]), im Zusammenhang mit der Frage der Ursächlichkeit zu sehen: Steht fest, dass bestimmte Kunden dem Unternehmer vom Tankstellenpächter neu zugeführt wurden, reicht es für das Kriterium der Ursächlichkeit aus, wenn der Handelsvertreter „bloß“ die Tankstelle offen gehalten und betrieben hat; weitere Handlungen muss er nicht setzen.

3. Weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht haben eine Beweislastentscheidung gefällt; eine entsprechende Ergänzung des Sachverständigengutachtens steht noch aus; gegebenenfalls wäre § 273 ZPO anzuwenden. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich lediglich „der Vollständigkeit halber“ auch zur Frage der Beweislast Stellung genommen. Daher hängt die Entscheidung derzeit nicht von der Lösung der Frage der Beweislastverteilung ab.

4. Zusammenfassend bringt der Rekurs daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der Rekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

5. Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil das Erstgericht die Kostenentscheidung vorbehalten hat (§ 52 Abs 2 ZPO).

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