European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00027.16V.0413.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mesud B***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (C) sowie der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (B) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (D) schuldig erkannt.
Danach hat er in M***** und an anderen Orten
(A) am 18. März 2015 Sadzida B***** mit Gewalt, nämlich durch einen Stoß und darauf folgendes Niederdrücken, zur Duldung des Beischlafs genötigt,
(B) vom November 2010 bis zum 25. März 2015 gegen Sadzida B***** durch wiederholte, im Urteil einzeln beschriebene Misshandlungen am Körper und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben sowie gegen die Freiheit längere Zeit hindurch Gewalt ausgeübt,
(C) im Herbst oder Winter 2012 Sadzida B***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft mit ihm genötigt und
(D) bis zum 14. März 2015, wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe, nämlich eine Pistole der Marke Pietro Beretta, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Indem die Mängelrüge (Z 5) die Sicht, den Schuldsprüchen B und C zugrunde liegende Drohungen seien nicht geeignet gewesen, begründete Besorgnisse einzuflößen, auf angeblich fehlende Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von Angaben der Zeugin Sadzida B***** stützt, verfehlt sie den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Dieser liegt nämlich im Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen und ist solcherart auf der Sachverhaltsebene angesiedelt (RIS‑Justiz RS0106268), wogegen die Frage nach der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist (SSt 52/54, RIS‑Justiz RS0092160 und RS0092448, jüngst 13 Os 21/15k).
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Frage releviert, ob sich Sadzida B***** durch die Drohungen des Beschwerdeführers tatsächlich von einem bestimmten Verhalten abhalten ließ, spricht sie bloß die Abgrenzung zwischen Versuch (§ 15 StGB) und Vollendung und damit erneut keine entscheidende Tatsache an (vgl RIS‑Justiz RS0122137 und RS0122138).
Hinzu kommt, dass die Rüge die relevierte Passage der Aussage der Zeugin Sadzida B***** aus ihrem Sinnzusammenhang herauslöst (siehe insbesondere ON 19 S 44 iVm ON 9 S 11) und auch solcherart den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung bringt (13 Os 34/02, SSt 64/23; RIS‑Justiz RS0116504).
Die Angaben der Zeugin Sadzida B***** zum Tatzeitraum und zur Gewohnheit des Beschwerdeführers, ihr Mobiltelefon zu kontrollieren, tangieren die Feststellungen über entscheidende Tatsachen nicht und waren demnach auch nicht erörterungsbedürftig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431). Da die Beschwerde einen solchen Fehler nicht behauptet, zieht sie den angesprochenen Nichtigkeitsgrund bloß nominell heran.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich im Versuch, die Aussage der Zeugin Sadzida B***** anhand eigener Beweiswerterwägungen als unglaubwürdig darzustellen und bekämpft damit nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (B) fehlende Feststellungen zur Häufigkeit der Tathandlungen ein. Da sie dabei nicht von den Urteilskonstatierungen ausgeht, in denen die einzelnen Gewaltakte exakt beschrieben und zeitlich zugeordnet werden (US 6 bis 10), entzieht sie sich einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0099810).
Entsprechendes gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), die darauf zielt, die vom Schuldspruch B umfassten Taten dem Tatbestand der Nötigung (§ 105 Abs 1 StGB) zu unterstellen, dabei aber nicht auf der Basis der ‑ insbesondere zur subjektiven Tatseite (US 11 f) ‑ getroffenen Feststellungen (US 6 bis 12) argumentiert.
Soweit der in diesem Zusammenhang auch vorgetragene Einwand, vom Juli 2011 bis zum Sommer 2012 und vom Juni 2013 bis zum August 2014 seien keine Gewaltakte im Sinn des § 107b Abs 2 StGB festgestellt worden, in Richtung einer Unterbrechung des vom Tatbestand des § 107b Abs 1 StGB verlangten Fortsetzungszusammenhangs zu verstehen ist, wird die Beschwerde ‑ entgegen § 282 StPO ‑ nicht zu Gunsten des Angeklagten ausgeführt. Würde man dieser Sicht folgen, hätte der Beschwerdeführer nämlich auf der Basis der übrigen Urteilsfeststellungen nicht ein Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB, sondern drei solche Vergehen zu verantworten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt, dass die Tatbestände der Nötigung und der Körperverletzung nach der Judikatur echt konkurrieren ( Sailer SbgK § 105 Rz 78 und § 106 Rz 46 sowie Schwaighofer [der selbst aM ist] in WK² StGB § 105 Rz 100, jeweils mwN). Demgemäß hat das Erstgericht rechtsrichtig einen Schuldspruch nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (C) gefällt und überdies die im Zuge des diesbezüglichen Angriffs auch begangene Körperverletzung als Teil der fortgesetzten Gewaltausübung gewertet (B/I/6).
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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