OGH 10Ob18/16v

OGH10Ob18/16v13.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Kreissl & Pichler & Walther Rechtsanwälte GmbH in Liezen, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Peter Berethalmy und Dr. Christiane Berethalmy‑Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Übergabe eines Bestandgegenstands, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2016, GZ 1 R 243/15z‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00018.16V.0413.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Im Mietvertrag vom 21. 6. 1982 wurde unter Pkt I.4.1 vereinbart, dass das Mietverhältnis ab dem Tag der ordnungsgemäßen Fertigstellung und Übergabe des Bestandobjekts beginne und der voraussichtliche Übergabetermin März/April 1983 sei. Nach Pkt I.4.2 beträgt die Mietdauer 10 Jahre. Unter Pkt II.3.4 wurde vereinbart, dass das Mietverhältnis ohne Kündigung an dem in Pkt I.4.2 vereinbarten Termin ende, die Vermieterin dem Mieter aber das Recht einräume, durch schriftliche Willenserklärung bis spätestens 3 Monate vor Ablauf des Mietverhältnisses den bestehenden Mietvertrag um weitere 5 Jahre zu verlängern.

Da das Bestandobjekt nicht ‑ wie geplant ‑ im April 1983 fertiggestellt war, wurde mit „Mietvertragsabänderungsvertrag“ vom 7./22. 5. 1984 festgehalten, dass der Mietvertrag aufgrund des neuen Übergabetermins zum 31. 5. 1994 ohne Kündigung ende. Am 10. 3. 1999 und 4. 6. 2003 wurden weitere Nachtragsvereinbarungen zum Mietvertrag getroffen.

Der Kläger begehrte die Erlassung eines Übergabsauftrags zum 31. 12. 2014. Er brachte vor, die zuletzt am 4. 6. 2003 vereinbarte Verlängerung des Mietverhältnisses sei ausgelaufen.

Die beklagte Partei erhob gegen den Übergabsauftrag Einwendungen und begehrte dessen Aufhebung. Sie wendete ein, die Befristung sei nicht wirksam vereinbart worden, weil sich aus dem Mietvertrag vom 21. 6. 1982 kein bestimmbarer Endtermin ergebe. Eine Beendigung des Mietverhältnisses sei daher nur aus den Kündigungsgründen des § 30 MRG möglich.

Das Erstgericht erkannte den Übergabeauftrag als rechtswirksam und trug der beklagten Partei auf, das Bestandobjekt geräumt von eigenen Fahrnissen an den Kläger zu übergeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

In der gegen diese Entscheidung gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die beklagte Partei keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Entscheidung über einen Übergabsauftrag ist, obwohl dieser in § 502 Abs 5 ZPO nicht ausdrücklich genannt ist, gleich einer Streitigkeit über eine Kündigung ohne Rücksicht auf den Streitwert revisibel (RIS‑Justiz RS0044915 [T1], RS0043001).

2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Befristung durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist (RIS‑Justiz RS0090569). Es genügt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, der Mieter solle sich von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen können. Das ist der Fall, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn dieser Termin durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt ist (RIS‑Justiz RS0070201). Der unbedingte Endtermin muss aus der Urkunde selbst hervorgehen. Nur wenn der Endtermin ausreichend transparent ist, kann der Mieter erkennen, dass das Mietverhältnis zu diesem Termin enden wird. Ob ein Endtermin bestimmt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0090569 [T3]).

3.1 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, aus dem Mietvertrag vom 21. 6. 1982 ergebe sich nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien eine wirksame Befristungsvereinbarung, weil der Endtermin durch Angabe des Anfangszeitpunkts (Übergabe des Bestandobjekts) und die 10‑jährige Vertragsdauer ab dem Tag der Übergabe eindeutig festgelegt sei (sofern der Mieter nicht von seiner Verlängerungsmöglichkeit um weitere 5 Jahre Gebrauch mache), weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab und stellt kein unvertretbares Auslegungsergebnis dar (5 Ob 570/90; RIS‑Justiz RS0070201 [T2]). Die Vertretbarkeit des von den Vorinstanzen erzielten Auslegungsergebnisses wird durch die in der außerordentlichen Revision zitierten Entscheidungen nicht in Frage gestellt.

3.2 Keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf auch die Ansicht, es entspreche den Erfordernissen des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG (in der anzuwendenden Fassung BGBl 1981/520), wenn die Parteien im Hinblick auf die verspätete Übergabe des Bestandobjekts in Abänderung des Mietvertrags vom 21. 6. 1982 dessen Befristung neu ‑ diesmal datumsmäßig mit 31. 5. 1994 ‑ festgelegt haben. Insofern sind keine weiteren Auslegungsschritte erforderlich. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, haben sich beide Mietvertragsparteien an diesem Enddatum orientiert, indem sie nach dessen Ablauf weitere Verlängerungsvereinbarungen trafen.

4. Welche Entscheidungsrelevanz dem Umstand zukommen soll, dass im Ersturteil disloziert (bei den Tatsachenfeststellungen) Rechtsausführungen enthalten sein sollen, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn das Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hätte (RIS‑Justiz RS0042936) oder von der ständigen Rechtsprechung abgewichen wäre. Dies ist nicht der Fall, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist.

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