European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00025.16X.0316.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Beim Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya ist in Ansehung mehrerer in Dobersberg, Raabs an der Thaya und Nagelberg gelegenen Liegenschaften ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig.
Die Verpflichtete beantragte am 29. Oktober 2015 die Delegierung der Exekutionssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, weil die anwaltlichen Vertreter sowohl der betreibenden als auch der verpflichteten Partei ihre Kanzleisitze in Wien hätten. Es entstünden dadurch zu Lasten beider Parteien durch den doppelten Einheitssatz erhebliche Mehrkosten.
Der Betreibende äußerte sich ablehnend zum Delegierungsantrag, ebenso ein weiterer inzwischen beigetretener Betreibender und das vorlegende Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya selbst.
Das Oberlandesgericht Wien wies den Delegierungsantrag der Verpflichteten ab. Wenn sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lasse und eine Partei der Delegierung widerspreche, sei diese abzulehnen. Das vorlegende Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya habe überdies zutreffend darauf verwiesen, dass bei einer Verwertung der Liegenschaften vor dem Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya ein höheres Meistbot als vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu erwarten sei. Überdies sei das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya seit Jahren mit der Exekutionssache vertraut, eine Delegierung würde zu einer Verfahrensverzögerung führen. Für die Zweckmäßigkeit einer Delegierung sei der Kanzleisitz der Parteienvertreter nicht von Bedeutung.
Der Rekurs der Verpflichteten, mit dem sie weiterhin die Delegierung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien anstrebt, ist unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig, weil das Oberlandesgericht funktional in erster Instanz entschieden hat (RIS‑Justiz RS0116349); er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 31 Abs 3 JN erfolgt die Entscheidung über einen Delegierungsantrag ohne mündliche Verhandlung, jedoch nach Einholung von Äußerungen des Gerichts und der Gegenpartei. Eine Replik auf die Äußerung des Antragsgegners ist gesetzlich nicht vorgesehen ( Mayr in Rechberger 4 § 31 JN Rz 5 mwN); ebenso wenig besteht eine gesetzliche Grundlage für die von der Verpflichteten vermisste Gegenäußerung zu der nach dem Gesetz vorgesehenen Äußerung des vorliegenden Gerichts. Weder die von der Verpflichteten behauptete Nichtigkeit, nämlich die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, noch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher vor.
Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit ‑ auch im Exekutionsverfahren ‑ auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verfahrensführung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Sache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RIS‑Justiz RS0053169). Zweckmäßigkeitsgründe sind insbesondere der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (im Zivilverfahren; RIS‑Justiz RS0046540). Die Übertragung der Zuständigkeit muss im Interesse beider Parteien liegen (RIS‑Justiz RS0046471); kann die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden und widerspricht eine von ihnen, so ist von der Delegierung abzusehen (RIS‑Justiz RS0046589, RS0046455). Die Delegierung soll also die Ausnahme bilden, keinesfalls soll durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046589 [T5]).
Im Sinne dieser Grundsätze der Rechtsprechung hat das Oberlandesgericht Wien unter Bezugnahme auf das von der Verpflichteten für die von ihr beantragte Delegierung ins Treffen geführte Argument (erhöhte Kosten wegen des doppelten Einheitssatzes im Falle auswärtiger Verrichtungen für beide Parteienvertreter) die Delegierung zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0046333 [T2]) abgelehnt.
Wenn die Verpflichtete nunmehr im Rekursverfahren neue, ihrer Ansicht nach für die Delegierung sprechende Zweckmäßigkeitsgründe anführt, verstößt sie gegen das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0002371; Jakusch in Angst 3 § 65 EO Rz 33 mwN).
Dem Rekurs gegen die Ablehnung des Delegierungsantrags ist daher ein Erfolg zu versagen.
Im Verfahren über einen Delegierungsantrag sind, soweit § 31 JN keine Sonderregelungen enthält, die Regelungen jenes Verfahrens anzuwenden, dessen Delegierung beantragt wird (RIS‑Justiz RS0043970 [T1]). Das Rekursverfahren ist in Exekutionssachen grundsätzlich einseitig (RIS‑Justiz RS0118686; Jakusch in Angst 3 § 65 EO Rz 30/1 mwN). Die nicht gebotene Rekursbeantwortung ist mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen; sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (vgl RIS‑Justiz RS0118686 [T11, T12]). Der Betreibende hat daher die Kosten seiner Rekursbeantwortung gemäß § 52 Abs 1 zweiter Satz iVm § 40 ZPO selbst zu tragen.
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