European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00113.15I.0309.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Hüseyin K***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der (zu ergänzen:) gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a, 13 FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (richtig: A/I/1 und A/I/2/a sowie A/II/1 und A/II/2) und nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1, 13 FinStrG idF vor BGBl I 2015/163 (richtig: A/I/2/b und A/II/3), sowie nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG idF vor BGBl I 2015/163 (B) und Iren N***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG (A) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B) schuldig erkannt.
Danach haben Hüseyin K***** und Iren N***** in W***** im Bereich des Finanzamts Wien 12/13/14 Purkersdorf als für die steuerlichen Belange der S***** GmbH Verantwortliche, und zwar Hüseyin K***** als faktischer Machthaber und Iren N***** als unternehmensrechtliche Geschäftsführerin, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorsätzlich in mehreren Tathandlungen, Hüseyin K***** zudem in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, unter Verletzung
A/ abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten nachgenannte Verkürzungen von Abgaben zu bewirken versucht (Punkt I/) und bewirkt (Punkt II/), und zwar
I/ durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen
1/ am 26. Jänner 2011 an Umsatzsteuer für das Jahr 2009 um 18.320 Euro
2/ an Körperschaftsteuer
a/ am 26. Jänner 2011 für das Jahr 2009 um 15.720 Euro
b/ am 22. Dezember 2011 für das Jahr 2010 um 47.480 Euro
II/ durch Nichtmeldung, Nichteinbehaltung und Nichtabfuhr binnen einer Woche nach dem jeweiligen Zufließen der Kapitalerträge eine Verkürzung an Kapitalertragsteuer
„1./ für das Jahr 2009 um 22.440 Euro
2./ für das Jahr 2010 um 49.000 Euro
3./ für das Jahr 2011 um 62.120 Euro“
B/ der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen mit 15. des auf den Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonats durch Einreichung inhaltlich unrichtiger, nämlich einen zu niedrigen Umsatzsteuerbetrag ausweisender Umsatzsteuervoranmeldungen und Entrichtung zu geringer Vorauszahlungen, eine Verkürzung an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar
1/ für Jänner 2011 um 4.440 Euro
2/ für Februar 2011 um 3.680 Euro
3/ für März 2011 um 4.890 Euro
4/ für April 2011 um 4.450 Euro
5/ für Mai 2011 um 7.610 Euro
6/ für Juni 2011 um 8.720 Euro
7/ für Juli 2011 um 11.890 Euro
8/ für August 2011 um 9.380 Euro.
Anzumerken ist mit Blick auf den Schuldspruch A/II, dass das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuerabfuhr unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflicht (vgl RIS‑Justiz RS0124712 [T1, T3, T4]) auf US 9, 11 f und 32 hinreichend festgestellt wurde, auch wenn das Erstgericht verfehlt davon ausging, dass (auch in Ansehung der Kapitalertragsteuer) „pro Abgabenjahr ein Finanzvergehen vorliegt“ (US 32).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wenden sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, die Hüseyin K***** auf Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10, Iren N***** auf Z 5 und 9 lit a je des § 281 Abs 1 StPO stützen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hüseyin K*****:
Der Einwand der unterlassenen Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Aussage des Zeugen Mehmet Y*****, wonach dieser den Nichtigkeitswerber (erst) im August 2013 getroffen habe, lässt die Angaben des Genannten unberücksichtigt, wonach der Erstkontakt (bereits) 2010 stattgefunden habe (ON 127 S 8). Die isolierte Hervorhebung einzelner Aussagepassagen ist jedoch nicht zielführend (RIS‑Justiz RS0116504 [T1]).
Mit der Kritik, eine vom genannten Zeugen vorgelegte „Zeugenladung betreffend einer Hauptverhandlung im Zusammenhang mit Hüseyin K*****“ sei dem Hauptverhandlungsprotokoll mangels Zusammenhang mit dem Anklagevorwurf zu Unrecht als Beilage ./1 angeschlossen worden, behauptet der Nichtigkeitswerber keine der im Gesetz genannten fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen.
Gegenstand einer Zeugenaussage sind nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen (RIS‑Justiz RS0097545). Zur Erörterung der bloß spekulativen Angaben des Zeugen Mehmet Y*****, warum er von den Taxilenkern der S***** GmbH als „Chef“ bezeichnet worden sei, waren die Tatrichter daher der Beschwerdeauffassung zuwider nicht verpflichtet (RIS‑Justiz RS0097545 [T14]).
Mit dem Hinweis auf seine leugnende Verantwortung und der Behauptung, aus den Angaben der Zweitangeklagten Iren N***** sowie jenen der Zeugen Anna I*****, Heinz V***** und Dr. Susanne F***** ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er faktischer Geschäftsführer der S***** GmbH gewesen sei, wendet sich der Beschwerdeführer bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die auf eine (methodisch vertretbare) Ableitung aus dem Gesetz gestützte Behauptung, das Erstgericht sei bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584, 588).
Diesen Anforderungen werden die Rechts‑ und die Subsumtionsrüge nicht gerecht:
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu A/II behauptet, die Feststellungen des Erstgerichts, wonach die Angeklagte Iren N***** (Allein‑)Gesellschafterin der S***** GmbH gewesen sei (US 6), stünden einem Schuldspruch des Beschwerdeführers entgegen, weil die offene und verdeckte Gewinnausschüttung „tatbestandsmäßig nur auf den Gesellschafter erfüllt“ sei. Dabei übergeht sie die tatrichterlichen Feststellungen, wonach der Angeklagte Hüseyin K***** der Lebensgefährte der Alleingesellschafterin der S***** GmbH (US 6) und (ebenso wie seine Lebensgefährtin) für die steuerlichen Belange des Unternehmens verantwortlich (US 21) war. Solcherart ist aber unabhängig davon, ob die zugeflossenen Kapitalerträge (vgl US 11, 31) der (Allein‑)Gesellschafterin direkt oder ihm als ihrem Lebenspartner zugeflossen sind, von einer verdeckten Ausschüttung an die unmittelbare Gesellschafterin auszugehen (vgl Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/ Mayr/Zorn, EStG § 94 Rz 22; Raab/Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG § 8 Rz 135, 144, 144/1/1, 145 mwN). Demnach war der Rechtsmittelwerber als zur Vertretung der GmbH berufene Person anmeldungs‑ und abfuhrpflichtig in Bezug auf die Kapitalertragsteuer (§ 96 Abs 3 erster Satz EStG iVm § 95 Abs 3 Z 1 EStG idF BGBl 2008/65; Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 32) und somit unmittelbarer Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG.
Der Einwand (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a), die tatrichterlichen Feststellungen ermöglichten eine Beurteilung des Rechtsmittelwerbers als faktischen Geschäftsführer nicht, übergeht die Konstatierungen über dessen Funktion und Tätigkeit im Unternehmen (US 19 und 22). Ebenso ignoriert das Beschwerdevorbringen, es sei ausschließlich die Angeklagte Iren N***** für die steuerrechtlichen Belange der S***** GmbH verantwortlich gewesen, die gegenteilige Feststellung der diesbezüglichen Verantwortlichkeit beider Angeklagten (US 20 f; vgl Lässig in WK2 FinStrG § 11 Rz 2 mwN).
Soweit der Nichtigkeitswerber behauptet, aufgrund des Alleineigentums seiner Lebensgefährtin Iren N***** sei „dieser Sachverhalt als Privatanklagedelikt im Hinblick auf die Lebensgemeinschaft zu qualifizieren“, bleibt die Beschwerde unverständlich und entzieht sich damit einer inhaltlichen Erwiderung.
Die sich gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit (§ 38 FinStrG) richtende Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer jeweils in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Finanzvergehen eine fortlaufende Einnahme über zumindest einige Wochen, nämlich zumindest über den gegenständlichen Tatzeitraum hinweg, zu verschaffen (US 16).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Iren N*****:
Entgegen der Beschwerdebehauptung (Z 5 dritter Fall) stehen die Feststellungen, wonach Iren N***** „im bloß niederschwelligen Bereich des Eventualvorsatzes handelte“ (US 25) und „sie diesen Umstand für gewiss hielt und sich mit all dem abfand“ (US 34), nicht in Widerspruch. Die erstgenannte Feststellung betrifft nämlich die subjektive Tatseite in Ansehung der Verkürzung von (Jahres‑)Umsatz‑, Körperschaft‑ und Kapitalertragsteuer für 2009 und 2010 (A/I sowie A/II/1 und A/II/2), die letztgenannte hingegen jene in Ansehung der Verkürzung von Umsatzsteuer durch Einreichung inhaltlich unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für Voranmeldungszeiträume im Jahr 2011 (B).
Eben jene Feststellung (US 34) übergeht die (inhaltlich nur) zu Schuldspruch B Feststellungen zur Wissentlichkeit der Bewirkung der Abgabenverkürzung vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a).
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrem ‑ bloß auf den Schuldspruch wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B) bezogenen ‑ Vorbringen auch fordert, zum Schuldspruch A „mit Freispruch vorzugehen“, versäumt sie die deutliche und bestimmte Bezeichnung Nichtigkeit begründender Umstände (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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