European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00005.16H.0309.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang S***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (1) und nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (2 und 3), je idF vor BGBl I 2010/104, schuldig erkannt.
Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Gmunden Vöcklabruck als abgabenrechtlich Verantwortlicher der A***** GmbH „sowie deren Vor‑ und Nachfolgegesellschaften bzw Vorrats‑ und Mantelgesellschaften“ (US 1) vorsätzlich gewerbsmäßig
1) vom 15. März 2005 bis zum 15. Februar 2007 (US 3) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen (im Urteil nach Voranmeldungszeiträumen gegliederte) Verkürzungen an Umsatzsteuer um 454.306,28 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten,
2) vom 15. März 2004 bis zum 15. Februar 2007 (US 4) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen gegliederte) Verkürzungen an Normverbrauchsabgabe um 316.804,86 Euro bewirkt und
3) vom 14. Jänner 2004 bis zum 7. Jänner 2007 unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen gegliederte) Verkürzungen an Kapitalertragsteuer um 190.925,90 Euro bewirkt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 1, 3, 5, 8, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Voranzustellen ist, dass das Landesgericht Wels Wolfgang S***** in dieser Strafsache am 27. August 2014 jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt hat (ON 38). Dieses Urteil hob der Oberste Gerichtshof am 15. April 2015 zu weiten Teilen auf (ON 46), wobei er ‑ unter ausführlichem Anführen entsprechender Judikatur und Literatur ‑ primär festhielt, dass weder Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) noch Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) hinsichtlich der entscheidenden Tatsachen dem finanzstrafrechtlichen Tatbegriff entsprachen (ON 46 S 6 f und 10).
Nach der Aktenlage teilte die Vorsitzende des Schöffengerichts diese Entscheidung sowohl der Staatsanwaltschaft als auch der Finanzstrafbehörde mit und ergänzte dies ‑ unter erneutem Anführen von diesbezüglicher Judikatur und Literatur ‑ durch den Hinweis, dass auch der Abschlussbericht (ON 8) und die Anklageschrift (ON 17) den zu beurteilenden Sachverhalt nicht im Sinn des finanzstrafrechtlichen Tatbegriffs aufgliedern (ON 1 S 21, ON 48).
Entgegen der Besetzungsrüge (Z 1) bewirkt diese Mitteilung nicht die Ausgeschlossenheit der Vorsitzenden im Sinn des § 43 Abs 1 Z 3 StPO. Diese Norm umfasst alle Fälle der Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche Motive (RIS‑Justiz RS0096823; Lässig , WK‑StPO § 43 Rz 10), wobei nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken, entscheidet (RIS‑Justiz RS0097086). Die Mitteilung der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs an Prozessparteien vermag derartige Zweifel nicht zu begründen.
Soweit die Beschwerde die Abweisung (ON 60 S 8) des auf den der Besetzungsrüge zugrunde liegenden Sachverhalt gestützten Ablehnungsantrags (ON 60 S 6) releviert, genügt der Hinweis, dass in der Hauptverhandlung getroffene Entscheidungen über Ablehnungsanträge mit Blick auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1 StPO nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sind ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 132).
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) wurden Protokolle über die Vernehmung der Zeugen P*****, E*****, A***** und Sc***** nicht in der Hauptverhandlung verlesen (siehe insbesondere ON 68 S 9). Vielmehr erklärten diese Zeugen die außerhalb der Hauptverhandlung getätigten Depositionen zum Inhalt ihrer im Rahmen der Hauptverhandlung abgelegten Aussagen (ON 68 S 3 bis 5).
Mit dem übrigen Vorbringen zur Verlesung und Verwertung von Zeugenaussagen wird keine Bestimmung angesprochen, deren Einhaltung in der Hauptverhandlung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet.
Der Beschwerde zuwider entspricht das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) dem finanzstrafrechtlichen Tatbegriff sehr wohl, indem es die in Rede stehenden Abgabenverkürzungen nach den Steuerarten Umsatzsteuer (USt), Normverbrauchsabgabe (NoVA) und Kapitalertragsteuer (KESt) sowie nach Voranmeldungs‑ (USt) und Entrichtungszeiträumen (NoVA, KESt) aufgliedert (US 1 bis 7). In Bezug auf das Steuersubjekt wird das Referat durch die Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) hinreichend verdeutlicht (hiezu 15 Os 17/03 EvBl 2003/13, 613; RIS‑Justiz RS0098795 [insbesondere T10], jüngst 11 Os 102/15g). Auf die insoweit relevanten Feststellungen wird im Rahmen der Beantwortung der Rechtsrüge eingegangen.
Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), die angefochtene Entscheidung sei unvollständig (Z 5 zweiter Fall), weil sie keine Konstatierungen dazu enthalte, wo „diese im Spruch angeführten Firmen (mit Ausnahme der A***** GmbH) ihre jeweiligen Firmensitze gehabt und Geschäftstätigkeiten entfaltet haben“, orientiert sich nicht an den Anfechtungskriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (dazu 13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).
Hinzugefügt sei, dass die unter dem Aspekt der Zusammenrechnung der strafbestimmenden Wertbeträge maßgebende örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde (§ 53 Abs 1 erster Satz FinStrG), konkret des Finanzamts Gmunden Vöcklabruck, ausdrücklich festgestellt wurde (US 1, 11).
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO zielt auf einen Vergleich des angefochtenen Urteils mit der diesem zugrunde liegenden Anklage. Die Behauptung, die von der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptverhandlung vorgenommene Modifizierung (ON 60 S 4 f) der schriftlichen Anklage (ON 17) begründe Nichtigkeit aus Z 8 des § 281 Abs 1 StPO, orientiert sich somit nicht am Gesetz.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entwickelt ihren Einwand fehlender Feststellungen zum jeweiligen Steuersubjekt nicht aus der Gesamtheit der Urteilskonstatierungen (US 8 bis 24) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass das Steuersubjekt hinsichtlich der vom Schuldspruch umfassten Taten nach dem insoweit entscheidenden (hiezu Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19 mwN), hier zweifelsfrei zum Ausdruck gebrachten Feststellungswillen der Tatrichter die A***** GmbH war (siehe insbesondere US 10 f, aber auch US 13 ff). Den in Rede stehenden Finanzvergehen liegen nämlich nach deren Konstatierungen An‑ und Verkäufe von Kraftfahrzeugen zugrunde, die der Beschwerdeführer zeitlich gestaffelt über mehrere Unternehmen abgewickelt hat (US 10 f). Eines dieser Unternehmen war die A***** GmbH, die nach den Feststellungen des Erstgerichts ‑ bei einem vom 14. Jänner 2004 bis zum 15. Februar 2007 reichenden Tatzeitraum ‑ am 4. März 2002 gegründet und deren Firma am 2. Februar 2007 in „As***** GmbH“ geändert wurde (US 10). Die ‑ im Urteilstenor (US 1) missverständlich ausgedrückten ‑ Umstände, dass der Beschwerdeführer An‑ und Verkäufe von Kraftfahrzeugen auch vor (US 8 bis 10) und nach (US 11) dem gegenständlichen Tatzeitraum im Rahmen anderer Unternehmen abwickelte und dass er teilweise zur Verschleierung (ebenfalls von ihm beherrschte) Scheinunternehmen zwischenschaltete (US 13), sind somit hier irrelevant.
Das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) zum ‑ gemäß § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG auch in Finanzstrafsachen zu berücksichtigenden ‑ Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB hat schon deshalb auf sich zu beruhen, weil das Erstgericht die lange Verfahrensdauer ohnedies mildernd wertete (US 43).
Der Einwand, die Verfahrensdauer sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht auch zum Teil vom Beschwerdeführer zu vertreten, zielt auf die Gewichtung des angesprochenen Milderungsgrundes, womit bloß ein Berufungsvorbringen erstatten wird.
Mit der Behauptung, das „Handeln aus reiner Gewinnsucht“ (US 43) sei hier nicht erschwerend, weil es „vorsätzlichen Finanzstrafdelikten immanent“ sei, wird der Sache nach ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG iVm § 32 Abs 2 erster Satz StGB) eingewendet. Da der angesprochene Umstand nicht Tatbestandsmerkmal der in Rede stehenden Finanzvergehen ist, die Strafdrohung also gerade nicht bestimmt (RIS‑Justiz RS0130193), trifft die Beschwerdesicht nicht zu.
Die übrigen Ausführungen der Sanktionsrüge orientieren sich nicht an den Anfechtungskriterien des § 281 Abs 1 Z 11 StPO.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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