OGH 13Os147/15i

OGH13Os147/15i9.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schönmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Albin P***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. September 2015, GZ 16 Hv 74/15b‑22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1/, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Albin P***** zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt (1/ und 2/).

Danach hat er Masa S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar

1/ im Frühjahr 2014 in Slowenien durch Niederdrücken des Oberkörpers und Fixieren des Körpers im Bereich der Hüfte;

2/ am 22. April 2015 in U***** durch Erfassen und Fixieren im Bereich des Handgelenks.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene (als „Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe“ bezeichnete [ON 25]) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise berechtigt.

Im Ergebnis zutreffend zeigt der Beschwerdeführer auf, dass dem Urteil in Ansehung des Schuldspruchs 1/ ein Rechtsfehler mangels Feststellungen zur inländischen Gerichtsbarkeit (Z 9 lit a, nominell gestützt auf Z 4) anhaftet.

Für die Reichweite der österreichischen Strafgerichtsbarkeit kommt es entscheidend darauf an, ob es sich um eine Inlandstat oder eine Auslandstat handelt. Für Inlandstaten gilt § 62 StGB, demzufolge die österreichischen Strafgesetze für alle Straftaten gelten, die im Inland begangen worden sind.

Bei Auslandstaten ist zu unterscheiden, ob sie nach § 64 StGB unabhängig von den Gesetzen des Tatorts nach österreichischem Strafrecht zu ahnden sind oder ob die Anwendbarkeit der österreichischen Strafgesetze davon abhängt, dass die Tat auch nach den Gesetzen des Tatorts mit Strafe bedroht ist, wobei in diesem Fall bei Erledigung des Strafanspruchs im Ausland auch der inländische Strafanspruch erloschen ist (§ 65 StGB).

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen liegt der Tatort zu Schuldspruch 1/ in Slowenien und ist der Angeklagte slowenischer Staatsangehöriger (US 2). Feststellungen, wonach im Tatzeitpunkt (vgl Salimi in WK 2 StGB § 64 Rz 67; Schwaighofer SbgK § 64 Rz 78), rund eineinhalb Jahre vor der Urteilsfällung, der Angeklagte oder das Opfer Masa S***** österreichische Staatsbürger waren oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten (§ 64 Abs 1 Z 4a lit a StGB), sind den Entscheidungsgründen jedoch nicht zu entnehmen, obwohl Letzteres ‑ wie anzumerken bleibt - von der Staatsanwaltschaft bereits in der Anklageschrift als Anknüpfungspunkt für die inländische Gerichtsbarkeit angeführt wurde (ON 14 S 3 f).

Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen machte ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ eine Aufhebung des Schuldspruchs 1/ schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), demgemäß auch des Strafausspruchs unumgänglich.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu.

Mit Verfahrensrüge (Z 4) behauptet der in der Hauptverhandlung am 17. September 2015 von einem Verfahrenshilfeverteidiger vertretene (ON 21 S 1) Beschwerdeführer eine Verletzung der Manuduktionspflicht, weil trotz offenkundigen und für das Gericht erkennbaren Versagens des Verfahrenshilfeverteidigers seine Anleitung zur sachgerechten Stellung von Beweisanträgen unterblieben sei.

Eine aus Z 4 relevante Anleitungspflicht gegenüber dem Verteidiger besteht grundsätzlich nicht (RIS‑Justiz RS0096346 [insbesondere T6]). Nur wenn ein vom Gericht beigegebener Verteidiger (§§ 61 f StPO) offenkundig versagt, folgt aus Art 6 EMRK eine auch das Gericht treffende Verpflichtung zur Vorsorge (vgl RIS‑Justiz RS0096569). Diese kann in Anleitung zu sachgerechter Antragstellung im Einzelfall bestehen, erforderlichenfalls aber auch in einer Vertagung, um die ordnungsgemäße Pflichtverteidigung sicherzustellen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 315 mwN).

Die Unterlassung der Antragstellung bezüglich der Aufnahme solcher Beweise, die das Gericht angesichts der Aktenlage im Rahmen der Amtswegigkeit (§ 3 StPO; vgl Schmoller , WK‑StPO § 3 Rz 18; Danek/Mann , WK‑StPO § 232 Rz 5; Kirchbacher , WK‑StPO § 254 Rz 6) nicht für erforderlich hielt, zeigt der Beschwerdebehauptung zuwider ein solches offenkundiges Versagen nicht auf.

Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Schuldspruch 2/ vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite finden sich (teils disloziert) auf US 3 f: Danach hat der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit Gewalt erzwungen und dabei mit dem Vorsatz gehandelt, Masa S***** durch den gezielten Einsatz von Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen.

Weiters behauptet die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a) einen „Feststellungsmangel“, weil die Aussagen des Angeklagten und des Opfers indiziert hätten, dass der Beschwerdeführer irrtümlich von einer Einwilligung des Opfers in die Gewaltanwendung ausgegangen sei. Damit spricht sie inhaltlich einen Tatbildirrtum (vgl Reindl‑Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 5 f) an und bestreitet der Sache nach die Erfüllung des subjektiven Tatbestands (13 Os 148/99). Auch mit dieser Kritik übergeht der Nichtigkeitswerber die bereits angeführten, ausdrücklich gegenteiligen Feststellungen der Tatrichter (US 3 f) und verfehlt solcherart erneut den ausschließlich in einem Vergleich des Urteilssachverhalts mit der Rechtslage gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099724).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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