European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0240NS00003.15Y.0304.000
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Rechtsanwalt Mag. Helmut Sch***** ‑ Mitglied des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer in der Funktion des Kammerkassiers ‑ erstattete eine Disziplinaranzeige gegen den ***** Rechtsanwalt Dr. *****; diesbezüglich fasste der Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltkammer am 13. Oktober 2015 einen Einleitungsbeschluss.
Mit Eingabe vom 28. Mai 2015 beantragte der Beschuldigte die Übertragung des Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer. Neben der gegenständlichen Disziplinaranzeige habe auch die S***** & H***** Rechtsanwälte GmbH eine den Beschuldigten betreffende Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt übermittelt. Mag. Sch***** habe sich im Zuge der Verfolgung der Interessen seines Mandanten im Rahmen der Einbringung der Sachverhaltsdarstellung und der Disziplinaranzeige standeswidrig verhalten. Er werde gegen den Genannten sowohl eine Strafanzeige als auch eine Disziplinaranzeige erstatten und beabsichtige auch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ihm gegenüber. Dies rechtfertige die Delegierung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer, zumal der Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Aufträge iSd § 21 DSt erteilen und Mag. Sch***** als Mitglied dieses Ausschusses daher mittelbar auf die Tätigkeit des Ausschusses Einfluss nehmen könne. Weiters habe sich Mag. Sch***** im parallelen Strafverfahren selbst als Zeuge geführt.
Gemäß § 25 Abs 1 DSt kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen unter anderem auf Antrag des Beschuldigten einem anderen Disziplinarrat übertragen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Delegierung wegen Befangenheit nur dann geboten, wenn entweder der gesamte Disziplinarrat oder so viele seiner Mitglieder befangen sind, dass dieser nicht mehr beschlussfähig ist. Die Befangenheit eines einzelnen Mitglieds rechtfertigt hingegen eine Delegierung nicht (RIS‑Justiz RS0083346, RS0056885). Die pauschale Behauptung der Befangenheit nicht namentlich genannter Disziplinarratsmitglieder stellt keinen Delegierungsgrund dar (RIS‑Justiz RS0119759).
In diesem Sinn kommt eine Delegierung wegen Befangenheit nach der Rechtsprechung etwa dann in Betracht, wenn das Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied des Disziplinarrats oder einen leitenden Funktionär der betroffenen Kammer eingeleitet wurde. Das ist bei einem Mitglied des Ausschusses der Fall (vgl RIS‑Justiz RS0055477). Hingegen wurde eine Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats nicht angenommen, wenn der Präsident einer Rechtsanwaltskammer oder ein Mitglied des Disziplinarrats die Disziplinaranzeige erstattet hatte (RIS‑Justiz RS0056894). Umso weniger stellt es eine Befangenheit des gesamten Disziplinarrats dar, wenn ein Mitglied des Ausschusses der gleichen Rechtsanwaltskammer die Disziplinaranzeige erstattet hat, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, dass der Anzeiger allenfalls als Zeuge im Disziplinarverfahren zu vernehmen sein werde.
Auch der Hinweis des Antragstellers auf das Weisungsrecht des Ausschusses gemäß § 21 DSt geht fehl:
Gemäß § 25 Abs 5 DSt ist zwar bei einer Delegierung der Kammeranwalt derjenigen Rechtsanwaltskammer zur Verfolgung berufen, an deren Disziplinarrat das Verfahren übertragen worden ist. Allfällige Aufträge iSd § 21 DSt sind ihm jedoch vom Ausschuss derjenigen Rechtsanwaltskammer zu erteilen, die gemäß § 20 Abs 1 DSt zur Ausübung der Disziplinargewalt zuständig war (§ 25 Abs 5 zweiter Satz DSt). Selbst wenn daher eine Delegierung an den Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer erfolgen würde, stünde das Weisungsrecht gemäß § 21 DSt weiterhin dem Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zu.
Dem Delegierungsantrag war daher nicht Folge zu geben.
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