European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00004.16D.0303.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Aslambek I***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden Urteil wurde Aslambek I***** des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sich Aslambek I***** in W***** und an anderen Orten als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung, nämlich der in der UN‑Sanktionsliste sowie der Verordnung (EG) Nr 881/2002 des Rates idF 02/2015 gelisteten Terrorvereinigung Emirat Kaukasus, beteiligt, wobei er in dem Wissen handelte, durch seine Beteiligung die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen, nämlich insbesondere Bombenanschläge auf Politiker, Polizisten, Armeeangehörige, Funktionäre und Behörden der Russischen Föderation, zu fördern, indem er in zumindest nachstehend angeführten Zeiträumen Geldbeträge von Personen tschetschenischer Abstammung entgegennahm, diese sammelte und in weiterer Folge via Kurier oder auf andere nicht mehr genau feststellbare Weise an andere Mitglieder des Emirats Kaukasus in Tschetschenien übermittelte, wo diese Gelder der Terrorvereinigung zugute kamen, und zwar
a./ vom 4. August bis 18. September 2011 insgesamt 179.600 Euro,
b./ ab dem 20. Juni 2012 bis 23. Jänner 2013 insgesamt 352.840 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten Aslambek I***** erhobene und auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) geltend macht, die Aussagen des Khamzat T***** als Beschuldigter und als Zeuge hätten in der Hauptverhandlung nicht verlesen werden dürfen, lässt sie außer Acht, dass der Verteidiger des Angeklagten die Verlesung der Protokolle beantragt hat (ON 166 S 3; RIS‑Justiz RS0121050).
Dem weiteren aus Z 3 erstatteten Beschwerdevorbringen zuwider bedurfte es keiner Entbindung von der Amtsverschwiegenheit des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Robert V*****, welcher als Polizeibeamter Vernehmungen des Khamzat T***** durchgeführt hatte. Denn das das Zustandekommen und den Inhalt dieser Vernehmungen ansprechende Beweisthema betrifft im Dienste der Strafrechtspflege zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Wahrnehmungen, welche gemäß § 155 Abs 2 StPO von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach § 155 Abs 1 Z 2 StPO ausgenommen sind (vgl RIS‑Justiz RS0054660).
Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ist dann nichtig aus Z 3, wenn es die Tat nicht hinreichend individualisiert oder die ihm ‑ in Bezug auf die rechtsrichtige Subsumtion ‑ zukommende Ordnungsfunktion nicht erfüllt (RIS‑Justiz RS0120226 [T2]). Warum dies auf den Urteilstenor zutreffen sollte, macht der Beschwerdeführer nicht klar (vgl auch RIS‑Justiz RS0116587, RS0102723).
In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte „Beischaffung der russischen Unterlagen, insbesondere Protokolle über die Einvernahmen der Personen, die Geldbeträge durch das festgestellte Überweisungssystem erhalten haben, sowie die Protokolle der Einvernahme von Elza S*****“ zum Beweis dafür, dass es sich um keine Terrorfinanzierung, sondern um „harmlose Überweisungen von den in Österreich lebenden Tschetschenen an Verwandte in Grosny“ gehandelt habe. Der Verteidiger des Angeklagten führte dazu begründend aus, es hätte sich herausgestellt, „wie zB durch die Übermittlung der Kaufvertragskopien bewiesen ist, dass der russische Geheimdienst mit dem österreichischen Verfassungsschutz in dieser Angelegenheit voll kooperiert hat. Die Existenz der russischen Ermittlungen ist gesichert, weil Elza S***** mit ihrem in Österreich lebenden Mann als Käuferin des Hauses aus der Erbschaft des Zweitangeklagten und auch andere Personen bestätigt haben, dass eine Sonderkommission von Moskau nach Grosny gefahren ist, um dem Verdacht auf den Grund zu gehen“ (ON 166 S 37, 39).
In Übereinstimmung mit dem Erstgericht fehlt es diesem Beweisantrag einerseits an der erforderlichen Bestimmtheit (vgl RIS‑Justiz RS0118060), andererseits zielt er auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab. Ihm ist nämlich nicht zu entnehmen, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS‑Justiz RS0118444), weshalb die diesbezügliche Verfahrensrüge (Z 4) nicht berechtigt ist.
Außerdem beantragte der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bankwesen „in Bezug auf das im Verfahren hervorgekommene Hawala‑System“. Begründend führte der Verteidiger des Angeklagten aus: „Entspricht dieses System hier nicht dem Hawala‑System, kann es nicht zur Finanzierung des Emirat Kaukasus gedient haben, da die Empfänger von dem Kleingeld, die namentlich bekannte Personen sind, über die Telefonnummern ausgeforscht werden können.“ (ON 166 S 39).
Auch durch die Abweisung dieses Beweisantrags wurden entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) Verteidigungsrechte nicht verletzt. Einem Beweisantrag muss nämlich neben Beweismittel und Beweisthema stets zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisführung das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuldfrage und die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0118444). Das trifft auf den vorliegenden Antrag nicht zu.
Schließlich beantragte der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Vernehmung der Zeugen Ibragim A*****, Alichan M***** und Schemil Sc***** zum Beweis dafür, „dass die Beschuldigungen T*****s unrichtig sind“, dies werde durch Vernehmung der „angeblichen Komplizen“, ... die auch Mitglieder des Emirats Kaukasus sein sollen, bewiesen (ON 166 S 39).
Auch diesen Beweisantrag hat das Erstgericht zu Recht abgewiesen, ihm ist nämlich ebenso wenig zu entnehmen, warum eine Vernehmung der Genannten das angestrebte Beweisergebnis erwarten lasse.
Die Mängelrüge ist vorweg darauf hinzuweisen, dass die Behauptungen einer offenbar unzureichenden oder gar fehlenden Begründung bzw Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) stets sämtliche beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter in Ansehung der bekämpften Feststellung berücksichtigen muss, widrigenfalls sie ihren gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS‑Justiz RS0119370 [T1]).
Entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers (Z 5 vierter Fall) hat das Schöffengericht die Feststellungen betreffend das Sammeln des Geldes und die Mitgliedschaft des Angeklagten beim Emirat Kaukasus keineswegs unbegründet gelassen, sondern sich diesbezüglich auf die Aussagen des Khamzat T***** sowie auf Telefonüberwachungs‑ und Observationsmaßnahmen, Aufzeichnungen in einem Notizbuch des Angeklagten und SMS‑Nachrichten auf dessen Mobiltelefon gestützt (US 19 ff).
Die Behauptung der Mängelrüge, Khamzat T***** hätte nicht über eigene Wahrnehmungen berichtet, sondern nur darüber, was er von anderen gehört hätte, ist nicht zutreffend (US 19). Im Übrigen bekämpft das Vorbringen, der Aussage des Genannten wäre „kein Gewicht zuzumessen“, lediglich in unzulässiger Weise die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Das gilt auch für das weitere Vorbringen, aus den Aufzeichnungen im Notizbuch des Angeklagten gehe nur hervor, dass er Kenntnis von Geldtransfers gehabt hätte, „aber nicht die aktive Rolle spielte, die ihm unterstellt wird“ (vgl dazu US 21 f).
Inwiefern die Urteilsbegründung widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) sein sollte, weil das Erstgericht sich einerseits betreffend die Höhe der Geldbeträge auf die Aufzeichnungen im Notizbuch gestützt hat und andererseits ausführte, dass nicht festgestellt werden konnte, von welchen Personen die Geldbeträge stammten (US 12), wird nicht klar.
Indem der Nichtigkeitswerber ausführt (Z 5 vierter Fall), „die seitenlange Wiedergabe von Observationsberichten“ wäre unzureichend, Kontakte zu Personen, die mit dem Emirat Kaukasus sympathisierten, hätten keine Aussagekraft, konspiratives Verhalten lasse sich auch mit einer Furcht vor dem russischen Inlandsgeheimdienst erklären und, auch wenn der Inhalt von Telefonaten eine Führungsrolle innerhalb der Gruppierung erkennen lasse, so könne man daraus nicht auf eine Geldsammeltätigkeit schließen, wird er den dargestellten Anforderungen an die prozessordnungskonforme Ausführung einer Mängelrüge nicht gerecht, sondern bekämpft neuerlich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung.
Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die leugnende Verantwortung des Angeklagten keineswegs unberücksichtigt gelassen, sondern sie vielmehr unter ausführlicher Darstellung der Gründe dafür als unglaubwürdig verworfen (US 23 ff). Es ist kein Begründungsmangel, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS‑Justiz RS0098377 [T7]).
Das weitere Vorbringen der Mängelrüge, es wäre „kein einziger Spender ausfindig gemacht“ worden, weshalb „genauso gut andere ethnische Gruppen gespendet haben“ könnten, das Erstgericht habe sich der „Technik des Fabulierens“ bedient, ist keiner Anfechtungskategorie des nominell angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5) zuordenbar.
Indem der Rechtsmittelwerber die Feststellungen zur subjektiven Tatseite als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) bezeichnet und ausführt, aus seiner persönlichen Meinung, der „Widerstandskampf der tschetschenischen Bevölkerung gegen die russische Okkupation“ wäre berechtigt, könne nicht abgeleitet werden, dass er das Emirat Kaukasus bei terroristischen Aktivitäten unterstützte, bekämpft er wiederum bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, die Bedeutung des Notizbuches und der SMS‑Nachrichten wäre völlig unklar, es wäre kein einziger Spender in Österreich ausgeforscht worden und die Aussage des Khamzat T***** wäre lediglich eine Wiedergabe vom Hören‑Sagen, gelingt es jedenfalls nicht, beim Obersten Gerichtshof derartige Bedenken zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt prozess-ordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit, weil sie sich nicht an dem im Urteil festgestellten Sachverhalt orientiert (RIS‑Justiz RS0099810), indem sie ausführt, es gäbe keine Grundlage für die Annahme, der Angeklagte hätte wissentlich durch seine Aktivitäten terroristische Anschläge des Emirats Kaukasus unterstützt.
Inwiefern es darauf ankommen sollte, ob das Emirat Kaukasus im „Zeitraum der Geldsammeltätigkeit“ terroristische Kampftätigkeit ausübte, legt der solcherart ohne methodische Ableitung aus dem Gesetz agierende Rechtsmittelwerber nicht dar.
Ebenso verfehlt die Subsumtionsrüge (Z 10) mit dem Vorbringen, dem Angeklagten werde lediglich das Sammeln von Vermögenswerten im Sinne von § 278d StGB vorgeworfen, den im festgestellten Sachverhalt liegenden Bezugspunkt der Darstellung materieller Nichtigkeit. Er lässt nämlich die Konstatierungen betreffend seine Beteiligung an der terroristischen Vereinigung außer Acht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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