OGH 12Os126/15v

OGH12Os126/15v3.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Norayr K***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 22. Juni 2015, GZ 606 Hv 6/15t‑84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00126.15V.0303.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Norayr K***** vom Vorwurf, von 22. Oktober 2014 bis 26. Jänner 2015 in Y*****, Armenien, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unbekannten Tätern als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in Bezug auf eine größere Anzahl von Fremden und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die rechtswidrige Einreise Fremder nach Österreich, sohin in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, mit dem Vorsatz gefördert zu haben, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er als Angestellter der A***** (A*****) gegen „einen noch festzustellenden“ Schlepperlohn insgesamt vierzig im Urteilsspruch namentlich genannte iranische Staatsangehörige (US 5 zweiter Absatz) am Check‑In‑Schalter des Flughafens Y***** mit Reisepässen und gefälschten Schengenvisa (für Spanien, Belgien, Deutschland bzw Frankreich [US 6 erster Absatz]) in den Linienflug ***** der A***** nach W***** einchecken ließ, obwohl er in Kenntnis war, dass diese Personen mit verfälschten iranischen Reisepässen und somit ohne gültigen Einreisetitel nach Österreich einreisen wollten, somit durch die Tat österreichische Interessen verletzt wurden, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die Tatrichter nahmen als erwiesen an, dass der Angeklagte zu prüfen hatte, ob die Passagiere für die von ihnen beabsichtigte Reise über die erforderlichen Reisedokumente, wie etwa Visa, verfügten, ihm jedoch keine technischen Hilfsmittel zur Überprüfung der Echtheit von Reisedokumenten zur Verfügung standen, was seitens der A***** auch nicht als deren Aufgabe betrachtet und wozu der Genannte überdies nicht ausgebildet oder geschult worden wäre (US 4 f). Gegen diese Konstatierungen richtet sich der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), weil sie sich aus dem hiezu (neben weiteren Beweismitteln) angeführten, in seinem konkreten Inhalt im Urteil jedoch nicht wiedergegebenen Schreiben der A***** vom 12. Juni 2015 (US 5 erster Absatz und US 9 letzter Absatz) „nicht ableiten“ ließen bzw diesem „widersprechen“. Dieses Vorbringen betrifft jedoch weder eine entscheidende noch eine erhebliche Tatsache (zu den Begriffen Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399 ff, 409 ff), weil das Erstgericht im vorliegenden Fall ‑ insoweit unbekämpft ‑ davon ausging, dass die geschleppten Personen mit gut gemachten Fälschungen ausgestattet waren (US 11). Die Behauptung eines „Widerspruchs“ zwischen den Konstatierungen und den diesen zugrunde liegenden Urkunden kann im Übrigen den Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht begründen (RIS‑Justiz RS0099431, RS0099492, RS0099524; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468).

Die in Ansehung der tatrichterlichen Erwägungen, es wäre lebensfremd, dass eine Schlepperorganisation eine Person, deren Dienste sie mangels Verpflichtung zur Überprüfung der Echtheit der Reisedokumente gar nicht benötige, beschäftige und bezahle (US 11 dritter Absatz), von der Rüge ‑ unter Zugrundelegung der von ihr angenommenen Verpflichtung des Angeklagten, Dokumente auf offensichtliche Fälschungen zu überprüfen ‑ angestellten gegenteiligen Überlegungen bekämpfen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichts (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 450 f).

Soweit die Beschwerdeführerin eine unterbliebene Erörterung (Z 5 zweiter Fall) des Abschlussberichts des Stadtpolizeikommandos Schwechat vom 26. Februar 2015 moniert, zeigt sie nicht auf, inwieweit dieses bloß die Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG (US 9 Mitte) betreffende Beweisergebnis in Ansehung der zum Vorwurf der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 1 und 2 FPG getroffenen Negativfeststellung (US 9 zweiter Absatz) entscheidend und solcherart erörterungsbedürftig wäre (RIS-Justiz RS0117593; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421).

Im Übrigen haben die Tatrichter ‑ wie das Rechtsmittel auch zugesteht ‑ die Angaben des Zeugen Sepehr H*****, wonach „der Mann mit der roten Jacke“ (gemeint: der Angeklagte) bei der „Linie nach Österreich“ zu den Schleppern gehöre (US 6 letzter Absatz, US 11 erster Absatz iVm ON 62 S 25 ff), sowie die Aussage der Sahar ***** S*****, der Schlepper und der Angeklagte hätten zeitgleich telefoniert, wobei der Schlepper dem Angeklagten mit dem Kopf in Richtung der Genannten und ihrer Mitreisenden gedeutet hätte (US 7 erster Absatz, US 11 zweiter Absatz iVm ON 62 S 38 f), ohnehin berücksichtigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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