OGH 20Os14/15g

OGH20Os14/15g23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Haslinger und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Dr. ***** und Dr. *****, Rechtsanwälte in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 9. März 2015, AZ D 69/13 (DV 19/14, TZ 41), nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur Mag. Höpler, des Kammeranwalts Mag. Lughofer LL.M. und der Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** und Dr. ***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer verwiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Disziplinarbeschuldigten Dr. *****, Dr. ***** und Dr. ***** von dem gegen sie erhobenen Vorwurf freigesprochen, Dr. ***** sei im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dr. ***** und Dr. ***** entgegen dem sich aus § 21c RAO ergebenden Verbot gleichzeitiger Beteiligung eines Rechtsanwalts an zwei Rechtsanwaltsgesellschaften einerseits alleiniger Gesellschafter der im Firmenbuch des Landesgerichts R***** unter FN ***** eingetragenen ***** Rechtsanwälte GmbH und andererseits in seiner Eigenschaft als Stifter und selbständig vertretungsbefugter Vorstand der im Firmenbuch des Landesgerichts W***** unter FN ***** eingetragenen Dr. ***** Privatstiftung an der im Firmenbuch des Landesgerichts R***** unter FN ***** eingetragenen W***** Rechtsanwälte GmbH beteiligt gewesen.

Nach den Feststellungen des Disziplinarrats war der Disziplinarbeschuldigte Dr. ***** bis zum Jahr 2005 Gesellschafter und Geschäftsführer der von ihm mitbegründeten (ursprünglichen) WK***** Rechtsanwälte GmbH, die unter FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichts R***** eingetragen ist. Er ist aus dieser Gesellschaft mit Übertragung seiner Anteile an die unter FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichtes W***** eingetragenen Dr. ***** Privatstiftung ausgeschieden. Das Stammkapital der (nunmehr) unter dem Namen W***** firmierenden Gesellschaft beträgt 36.000 Euro, der Anteil der Dr. ***** Privatstiftung davon ein Drittel. Dr. ***** ist alleinvertretungsbefugter Vorstand der Privatstiftung, deren Stiftungszweck die Versorgung der in der Stiftungsurkunde genannten Begünstigten ‑ die Ehegattin und die Tochter des Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** ‑ ist. Dr. ***** ist weiters seit deren Gründung Gesellschafter der im Firmenbuch des Landesgerichts R***** seit 24. Dezember 2005 unter FN ***** eingetragenen ***** Rechtsanwälte GmbH mit einer bar einbezahlten Stammeinlage in der Höhe von 34.685 Euro; er ist auch deren selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer. Die restlichen Geschäftsanteile in Höhe von 315 Euro hält Rechtsanwalt Mag. *****.

Der Disziplinarrat begründete den Freispruch damit, dass die Beteiligung der Dr. ***** Privatstiftung an der W***** Rechtsanwälte GmbH keine Beteiligung im Sinne des § 21c Abs 1 Z 8 RAO darstelle, sodass er damit ‑ auch wenn er deren Vorstand ist ‑ nicht gegen das Verbot der sogenannten „Sternbeteiligung“ verstoßen habe. Auch § 21c Abs 1 Z 1 lit e RAO iVm § 21c Abs 1 Z 1 lit b RAO sei durch die gleichzeitige Beteiligung nicht verletzt. Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Disziplinarbeschuldigten sah der Disziplinarrat aufgrund seiner Rechtsansicht als nicht notwendig an.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Berufung des Kammeranwalts: Der von den Disziplinarbeschuldigten gewählte Weg, die Geschäftsanteile an einer (weiteren) Kapitalgesellschaft unter gleichzeitigem Ausscheiden aus der Gesellschaft an eine Privatstiftung zu übertragen, stelle eine unzulässige Umgehung des in § 21c Abs 1 Z 8 RAO zum Ausdruck kommenden Verbots dar, keinem weiteren beruflichen Zusammenschluss in Österreich anzugehören. Die vom Freispruch erfassten Disziplinarbeschuldigten erstatteten jeweils Gegenausführungen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

§ 21c Abs 1 Z 1 RAO legt abschließend fest, wer bei Gesellschaften zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft Gesellschafter sein darf. Diese Erfordernisse müssen nach dem Einleitungssatz der Bestimmung „jederzeit“ ‑ also für die gesamte Dauer des Gesellschaftsverhältnisses ‑ erfüllt sein. Danach dürfen ‑ unter anderem ‑ Gesellschafter nur sein: Rechtsanwälte (lit a), Ehegatten und Kinder eines der Gesellschaft angehörenden Rechtsanwalts (lit b), ehemalige Rechtsanwälte, die auf die Rechtsanwaltschaft verzichtet haben und die im Zeitpunkt der Verzichtleistung Gesellschafter waren (lit c), Witwen und Witwer und Kinder eines verstorbenen Rechtsanwalts, wenn dieser bei seinem Ableben Gesellschafter war (lit d) sowie von einem oder mehreren Gesellschaftern errichtete österreichische Privatstiftungen, deren ausschließlicher Stiftungszweck die Unterstützung der in lit a bis d genannten Personen ist (lit e).

Die wiedergegebenen Bestimmungen zeigen, dass Ehegatten und Kinder von Rechtsanwälten nur dann als Gesellschafter beteiligt sein können, wenn der Rechtsanwalt entweder gleichzeitig der Gesellschaft angehört (lit b) oder aber bei seinem Ableben noch (immer) Gesellschafter war (lit d). Auch ein emeritierter Rechtsanwalt darf sich nur dann an einer Gesellschaft (zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft) beteiligen, wenn er bis zu seiner Emeritierung Gesellschafter war (lit c). Dieselben Grundsätze gelten gleichermaßen für die in lit e geregelte Privatstiftung, weil das Gesetz durch den uneingeschränkten Verweis auf die in den lit a bis d der Z 1 genannten Personen klarstellt, dass die Privatstiftung nur dann der Gesellschaft angehören darf, wenn neben dem eingeschränkten Stiftungszweck ‑ nämlich der Unterstützung eines Rechtsanwalts und bestimmter Angehöriger ‑ auch die übrigen Voraussetzungen der vorangehenden Bestimmungen gegeben sind. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Rechtsanwalt, dessen Angehörige unterstützt werden, gleichzeitig als Gesellschafter beteiligt ist. Selbst die Unterstützung der Witwe und der Kinder eines verstorbenen Rechtsanwalts verlangt, dass dieser bei seinem Ableben noch immer Gesellschafter war. Liegen die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor (arg „jederzeit“), kann eine Privatstiftung nicht Gesellschafter sein oder bleiben. Das Ausscheiden des Dr. ***** aus der (damaligen) WK***** Rechtsanwälte GmbH im Dezember 2005 bewirkte sohin, dass die Erfordernisse des § 21c Abs 1 Z 1 RAO nicht mehr erfüllt waren, die Privatstiftung der Gesellschaft also (ebenfalls) nicht (mehr) angehören durfte.

Die Disziplinarbeschuldigten haben dadurch, dass sie die Beteiligung der Dr. ***** Privatstiftung an der W***** Rechtsanwälte GmbH auch nach dem Ausscheiden des Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** aus dieser Gesellschaft aufrecht ließen, objektiv gegen § 21c Abs 1 Z 1 lit e RAO verstoßen, ohne dass darauf stiftungsrechtliche Konstruktionen einen Einfluss entfalten können. Dieser rechtswidrige Zustand ist nach wie vor aufrecht.

Aufgrund der rechtsirrigen Annahme der Straflosigkeit des den Disziplinarbeschuldigten angelasteten Tatvorwurfs hat der Disziplinarrat Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Disziplinarbeschuldigten nicht getroffen, obwohl solche durch deren Kenntnis von dem den objektiven Tatbestand bejahenden Einstellungsbeschluss des Disziplinarrates der selben Rechtsanwaltskammer vom 6. Mai 2013, GZ D 16/13‑24, indiziert sind.

In Stattgebung der Berufung des Kammeranwalts war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen den dazu erstatteten Äußerungen der Disziplinarbeschuldigten ‑ das angefochtene Erkenntnis des Disziplinarrates vom 9. März 2015, GZ D 69/13‑41, aufzuheben und die Disziplinarsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an diesen Disziplinarrat zu verweisen.

Der Einstellungsbeschluss des Disziplinarrats vom 6. Mai 2013, AZ D 16/13, TZ 24, steht einer disziplinarrechtlichen Ahndung nicht entgegen.

Da bei Gesellschaften zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft alle in § 21c RAO genannten Voraussetzungen jederzeit erfüllt sein müssen, handelt es sich bei Verletzung dieser Verpflichtung um ein Dauerdelikt, das erst dann beendet ist, wenn der rechtswidrige Zustand aufhört (Eder‑Rieder in SbgK § 28 Rz 90).

Die Einstellung eines Disziplinarverfahrens erfolgt dann, wenn das vorliegende Tatsachensubstrat nicht ausreicht, eine Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten für möglich zu halten (Lehner in Engelhart et al RAO9 § 28 DSt Rz 9 mwH; Feil/Wennig Anwaltsrecht8, 931 f).

Der Disziplinarrat hielt im den gleichen Vorwurf betreffenden Vorverfahren gegen die selben Disziplinarbeschuldigten (D 16/13) eine Verurteilung deshalb nicht für wahrscheinlich, weil er ‑ trotz des unmissverständlich festgehaltenen objektiven Vorliegens einer § 21c RAO zuwiderlaufenden „Sternsocietät“ (§ 11 f in D 16/13‑24) ‑ aufgrund einer früheren (anderslautenden) Rechtsauskunft des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer die subjektive Vorwerfbarkeit als nicht gegeben ansah (ES 6).

Eine endgültige Erledigung der Sache war damit pro futuro nicht verbunden.

Im fortgesetzten Verfahren wird allerdings zu beachten sein, dass der Vorwurf, die Dr. ***** Privatstiftung entgegen § 21c Abs 1 Z 1 lit e RAO als Gesellschafter belassen zu haben, den Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** lediglich in dessen Eigenschaft als Vorstand dieser Stiftung trifft. Der Rechtsanwalt als Vorstand oder Geschäftsführer einer Gesellschaft oder als Vorstand einer Stiftung übt aber keine berufsmäßige Besorgung fremder Angelegenheiten im Sinne des § 1 DSt aus (Engelhart in Engelhart et al RAO9 § 1 RL‑BA 1977 Rz 10; Feil/Wennig Anwaltsrecht8 § 1 DSt, 856; in diese Richtung nunmehr ausdrücklich § 2 Abs 1 letzter Halbsatz RL‑BA 2015). Möglich bleibt in solchen Fällen allerdings die Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes. Ob die dazu aufgestellten zusätzlichen Erfordernisse vorliegen, hat der Disziplinarrat im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen, wobei nach der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0114064, zuletzt etwa 29 Os 1/14k) Öffentlichkeit bereits dann anzunehmen ist, wenn keine Gewähr besteht, dass das disziplinarrechtlich verpönte Verhalten nicht über einen relativ kleinen oder zumindest sehr geschlossenen, unter Geheimhaltungspflicht stehenden Kreis hinausgelangt.

Zu bedenken wird weiters sein, dass der Disziplinarrat in seinem Einleitungsbeschluss vom 30. Juni 2014, TZ 20, nicht die gesetzwidrige Beteiligung der Dr. ***** Privatstiftung an der W***** Rechtsanwälte GmbH, sondern eine (dadurch verschleierte) Mehrfachbeteiligung des Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** nach § 21c Abs 1 Z 8 RAO als das zu verfolgende Disziplinarvergehen angesehen hat. Einer Modifikation des ‑ lediglich eine prozessleitende Verfügung darstellenden - Einleitungsbeschlusses bedarf es nicht (zur fehlenden Bindung Lehner in Engelhart et al RAO9 § 28 Rz 4 DSt; VfGH Slg 15.876; 16.557 ua). Ein weiterer Verfolgungsantrag durch den Kammeranwalt ist auch nicht erforderlich, da dieser die Gesetzwidrigkeit der Gesellschafterstellung bereits in seinem Verfolgungsantrag ausdrücklich anführte und somit die Disziplinarbeschuldigten Gelegenheit hatten, auch zu diesem Vorwurf Stellung zu nehmen.

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