European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00002.16A.0219.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Die in der außerordentlichen Revision behaupteten Verfahrens- und Feststellungsmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.
2.1 Zu dem gegenüber der Beklagten erhobenen Vorwurf, der sich auf die verspätete Einbringung der Berufung im zweiten Prozess bezieht, wiederholt der Kläger seine Ansicht, im ersten Prozess sei der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Verzögerungsschäden nicht materiell beurteilt worden. Das Titelergänzungsgericht habe nur die Zulässigkeit der kumulierenden Aufnahme eines zusätzlichen Anspruchs verneint und daher den Schadenersatzanspruch aus dem Verfahren ausgeschieden und den Verfahrensgegenstand eingeschränkt.
2.2 Die Zurückweisung einer Klage wegen Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft setzt Identität der Parteien und der Ansprüche im Folgeprozess sowie im rechtskräftig entschiedenen Vorprozess voraus. Die Einmaligkeitswirkung greift bei identem Begehren dann ein, wenn die rechtlich relevanten Tatsachenbehauptungen im Folgeprozess im Kern dem rechtserzeugenden Sachverhalt des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses entsprechen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (8 Ob 126/12f mwN).
2.3 Im ersten Prozess hat der Kläger (im dortigen zweiten Rechtsgang) neben dem Titelergänzungsbegehren auch eine gesonderte Leistungsklage gegen seinen Halbbruder erhoben. Diese bezog sich auf den Wertsicherungsbetrag aus 149.190 EUR (Anteil am Verkaufserlös laut Vergleich vom 10. 12. 1997) sowie auf 8 % Verzugszinsen (ebenfalls aus 149.190 EUR sowie aus dem Wertsicherungsbetrag) seit 4. 10. 2004. Der Kläger stützte sich dabei auf eine ergänzende Vertragsauslegung zum Vergleich vom 10. 12. 1997 sowie hilfsweise auf § 1333 ABGB. Das Klagebegehren wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass für den Zuspruch eines Wertsicherungsbetrags und von Verzugszinsen kein Raum bestehe, weil eine Kumulierung eines Leistungsbegehrens mit dem Titelergänzungsbegehren einen von § 10 IO verschiedenen Anspruch voraussetze. Mit der zweiten Klage machte der Kläger mit inhaltlich gleicher Argumentation (unter anderem) einen Wertsicherungsbetrag aus 149.190 EUR (berechnet bis 4. 12. 2010) und einen Verzugszinsenbetrag (kapitalisierte Verzugszinsen) von 8 % aus 149.190 EUR (berechnet vom 4. 10. 2004 bis 4. 12. 2010) geltend.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, das Erstgericht im zweiten Prozess sei zu Recht von entschiedener Rechtssache ausgegangen, ist in der hier vorliegenden speziellen Konstellation vertretbar. Dies gilt ebenso für die Ansicht, dass die unterlassene Berufung des Klägers gegen das Urteil im ersten Prozess (im dortigen zweiten Rechtsgang; der Kläger erhob nur einen Kostenrekurs) zu seinen Lasten zu berücksichtigen und bei der Beurteilung davon auszugehen sei, dass dieser Berufung insofern Berechtigung zugekommen wäre, als eine Kumulierung der Titelergänzungsklage mit der gesonderten Leistungsklage als zulässig betrachtet worden wäre (vgl 3 Ob 188/02x). Für die Frage der Einmaligkeitswirkung ist letztlich entscheidend, welche Ansprüche geltend gemacht wurden. Der Kläger geht selbst davon aus, dass es sich beim Begehren im ersten Prozess um einen im Verhältnis zur Titelergänzungsklage selbständigen Anspruch gehandelt und er schon im ersten Prozess den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens geltend gemacht hat. Dementsprechend führt er in der außerordentlichen Revision aus, dass er nicht verpflichtet gewesen wäre, die beiden Ansprüche (Titelergänzungsanspruch und Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens) in einer Klage geltend zu machen. In die gleiche Richtung weist sein Argument, das Erstgericht habe im ersten Prozess den Schadenersatzanspruch auf den Verzögerungsschaden aus dem Verfahren ausgeschieden.
2.4 Von diesen Überlegungen abgesehen wäre der Kläger im zweiten Prozess auch aus einem anderen Grund nicht erfolgreich gewesen. Ausgehend von den Feststellungen lässt sich dem Vergleich vom 10. 12. 1997 kein Anspruch des Klägers auf eine Wertsicherung auch des Anteils am Verkaufserlös und auch nicht ein solcher auf Kapitalisierung der Verzugszinsen ableiten. Mit diesen beiden Begehren wäre der Kläger im zweiten Prozess daher auch dann gescheitert, wenn die Berufung von der Beklagten rechtzeitig eingebracht worden wäre.
2.5 Der Verweis in der außerordentlichen Revision auf die Entscheidung 7 Ob 34/15y bleibt unverständlich. Dort ging es um die Frage der Deckungspflicht aus der Rechtschutzversicherung bei Herabsinken des ursprünglich über der (zum Zweck der Risikobegrenzung) vereinbarten Streitwertgrenze gelegenen Klagsbetrags unter diese Grenze.
3. Die Überlegung des Klägers, das Erstgericht des ersten Prozesses hätte das Schadenersatzbegehren in Wirklichkeit „zurückgewiesen“, was nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ von jedem Gericht jederzeit „berichtigend so bezeichnet werden könne“, ist nicht stichhaltig. Bei einem Urteil handelt es sich um keine Urkunde, die nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung nach Maßgabe „des erkennbar abweichenden Willens nach der Verkehrssitte“ auszulegen ist. Davon abgesehen kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht darauf an, was das Erstgericht des ersten Prozesses entschieden hat, sondern vielmehr darauf, wie im Fall der (tatsächlich aber unterlassenen) Berufung des Klägers zu entscheiden gewesen wäre. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nach der vertretbaren Beurteilung der Vorinstanzen nicht davon auszugehen, dass der Schadenersatzanspruch auf den Verzögerungsschaden nur aus rein verfahrensrechtlichen Gründen aus dem Verfahren „ausgeschieden“ wurde.
4. Soweit der Kläger in der außerordentlichen Revision einen (weiteren) Anwaltsfehler auf die Nichteinbringung einer Berufung im ersten Prozess (gegen die Abweisung des gesonderten Begehrens auf den Verzögerungsschaden) bezieht, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig, dass der Kläger dazu im erstinstanzlichen Verfahren ein konkretes Vorbringen hätte erstatten müssen, das sich auf die Darlegung einer schadenskausalen Pflichtverletzung hätte beziehen müssen. Aus welchen Gründen er dies nicht getan hat, bleibt unerheblich. In dieser Hinsicht steht der Kläger in der außerordentlichen Revision weiter auf dem Standpunkt, dass er das Urteil des Erstgerichts im ersten Prozess nicht hätte bekämpfen müssen und in Wirklichkeit nicht der Sorgfaltsverstoß der Nichtbekämpfung des Urteils im ersten Prozess vorliege. Die gleichen Überlegungen gelten für das nunmehr vorgetragene Argument des Klägers, der Sorgfaltsverstoß liege in der falschen rechtlichen Beratung durch die Beklagte, dass er zum Verzögerungsschaden (im zweiten Prozess) eine gesonderte Klage einbringen könne. Auch in dieser Hinsicht hätte er ein konkretes Vorbringen zu einer schadenskausalen Pflichtverletzung der Beklagten erstatten müssen. Entgegen seinen Ausführungen in der außerordentlichen Revision ist im Vorbringen, die Beklagte habe ihm erklärt, dass er seinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung in einer zweiten Klage geltend machen könne, kein im gegebenen Zusammenhang ausreichendes Vorbringen zu erblicken.
5. Zu den Ausführungen zu § 408 ZPO ist der Kläger neuerlich darauf hinzuweisen, dass nach dieser Bestimmung der behauptete Schaden aus der angeblich mutwilligen Prozessführung des Gegners resultieren muss. Es geht somit um Schäden, die durch das mutwillige (bewusst aussichtslose) Verhalten einer Prozesspartei im Verfahren entstehen.
Der vom Kläger geltend gemachte Verzögerungsschaden findet seinen Ausgangspunkt nicht in der Prozessführung seines Halbbruders, sondern in dessen Zahlungsverzögerung. Davon abgesehen schafft § 408 ZPO keine eigenständige schadenersatzrechtliche Grundlage, sondern setzt einen Schadenersatzanspruch nach bürgerlichem Recht voraus, der aufgrund der in Rede stehenden Bestimmung im mutwillig geführten Prozess nur vereinfacht durchgesetzt werden kann (Fucik in Fasching/Konecny 2 § 408 ZPO Rz 1). Außerdem übersieht der Kläger offenbar, dass er im vorliegenden Prozess nicht seinen Halbbruder, sondern seine frühere Rechtsvertreterin in Anspruch nimmt.
6.1 Zur Frage der Verjährung des „Kostenschadens“ (Prozesskostenersatz an H***** S***** im ersten Prozess zufolge aussichtsloser Prozessführung) bestreitet der Kläger in der außerordentlichen Revision, dass er den Umstand, dass H***** S***** im ersten Prozess aussichtslos mitgeklagt worden sei, schon im Jahr 2009 aus der Begründung der Abweisung des Begehrens erkannt habe.
6.2 Die dreijährige Verjährungsfrist für Entschädigungsklagen beginnt, sobald die objektive Möglichkeit der Klagseinbringung gegen den Schädiger gegeben ist. Die Kenntnis der Höhe des Schadens ist dazu nicht erforderlich. Es genügt die Möglichkeit der Ermittlung desselben (RIS‑Justiz RS0034366). Im Fall der Verschuldenshaftung muss der Geschädigte nicht nur Klarheit über die Kausalität, sondern auch über das Verschulden des Schädigers haben. Den Geschädigten trifft eine Erkundigungspflicht, wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RIS‑Justiz RS0065360; RS0034327). Die Beurteilung ist typisch von den Umständen des Einzelfalls geprägt.
6.3 Die (solidarische) Mithaftung von H***** S***** begründet der Kläger im ersten Prozess mit ihrem uneingeschränkten Beitritt zum Vergleich vom 10. 12. 1997. Sie bilde mit dem Halbbruder des Klägers eine Erfüllungsgemeinschaft. Außerdem habe sie am Versuch einer schwerwiegenden Vertragsverletzung durch seinen Halbbruder mitgewirkt.
In der rechtskräftigen abweisenden Entscheidung wurde ausgeführt, dass eine Haftung von H***** S***** aufgrund der Textierung des Vergleichs und nach dem Parteiwillen von vornherein ausscheidet, weil die Zahlungsverpflichtungen ausdrücklich nur den Halbbruder des Klägers treffen und sich auch sonst keine rechtswidrige Beeinträchtigung der Interessen des Klägers durch H***** S***** ergibt. Aus dieser Entscheidung geht klar hervor, dass die vom Kläger verfolgte Argumentation, den Beitritt von H***** S***** zum Vergleich vom 10. 12. 1997, der sich nur auf ihr Fruchtgenussrecht bezogen hat, als Schuldbeitritt zu werten, gescheitert ist. Der Kläger hat in der Berufung im vorliegenden Verfahren selbst ausgeführt, dass H***** S***** im ersten Prozess von vornherein aussichtslos mitgeklagt worden sei. Er geht demnach ‑ so wie die Vorinstanzen im Anlassfall ‑ selbst von dieser Qualifikation aus. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Aussichtslosigkeit der Prozessführung gegen H***** S***** in den dazu im ersten Prozess ergangenen Entscheidungen ausführlich und verständlich dargelegt worden sei und der Kläger mit diesen Entscheidungen Kenntnis davon erlangt habe, ist nicht unvertretbar. Angesichts der dargelegten Begründung der abweisenden Entscheidung gegen H***** S***** im ersten Prozess durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, den Kostenschaden im zweiten Prozess gegen seinen Halbbruder durchsetzen zu können. Vielmehr waren ihm alle Sachverhaltskomponenten bekannt, die eine Klagsführung gegen die Beklagte ermöglicht hätten.
7. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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