OGH 15Os191/15z

OGH15Os191/15z17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adam D***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. Dezember 2015, GZ 9 Hv 77/15t‑117, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00191.15Z.0217.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird im die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Teil nicht Folge gegeben.

Zur Entscheidung über die Beschwerde im gegen die Zurückweisung der Berufung gerichteten Teil und über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. September 2015, GZ 9 Hv 77/15t‑104, wurde Adam D***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte am selben Tag „die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ an (ON 103 S 15).

Die schriftliche Urteilsausfertigung (ON 104) wurde dem (Wahl-)Verteidiger RA Mag. Michael-Thomas R***** (ON 47) nach dem Stand des VJ‑Registers am 22. Oktober 2015 im Elektronischen Rechtsverkehr zugestellt. Vor Ablauf der vierwöchigen Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel am 19. November 2015 gab der Angeklagte durch seinen Verteidiger mit am 3. November 2015 beim Landesgericht für Strafsachen Graz eingebrachtem Schriftsatz die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt und beantragte die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel (ON 113; vgl auch ON 114).

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 4. November 2015 wurde dem Angeklagten gemäß § 61 Abs 2 StPO ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben und sodann mit Bescheid vom 5. November 2015 vom Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer RA Dr. Nicoletta W***** zur Verteidigerin bestellt (ON 115 S 1 f und 9).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Dezember 2015 (ON 117) wies die Vorsitzende des Schöffengerichts die ohne deutliche und bestimmte Bezeichnung von Gründen angemeldete und bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a Z 2 StPO zurück.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Vorbringen der dagegen gerichteten, rechtzeitigen Beschwerde (ON 118) wurde die bereits durch Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger am 22. Oktober 2015 ausgelöste Rechtsmittelfrist weder durch die Beigebung einer Verteidigerin nach § 61 Abs 2 StPO noch durch die Zustellung von Aktenstücken an diese beeinflusst, weil die Regelung des § 63 Abs 1 StPO Fälle bereits erfolgter Zustellung an den Wahlverteidiger nicht umfasst (§ 63 Abs 2 StPO), sondern nur für den zuvor unvertretenen Angeklagten gilt. Der Wahlverteidiger war gemäß § 63 Abs 2 zweiter Satz StPO verpflichtet, die Interessen des Angeklagten weiterhin zu wahren und innerhalb der Rechtsmittelfrist erforderliche Prozesshandlungen vorzunehmen, es sei denn, der Angeklagte hätte ihm dies ‑ wofür der Akteninhalt keine Anhaltspunkte bietet ‑ ausdrücklich untersagt. Auch ein solches Verbot hätte allerdings bloß den Entfall dieser Verpflichtung des Anwalts zur Folge, aber keinen Einfluss auf den Lauf der Frist (RIS‑Justiz RS0125686).

Da vom Angeklagten auch bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 103 S 15) keine Nichtigkeitsgründe bezeichnet wurden (§ 285a Z 2 StPO), erfolgte deren Zurückweisung zu Recht. Der diesbezüglichen Beschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ nicht Folge zu geben.

Zur Entscheidung über die Beschwerde betreffend die Zurückweisung der Berufung (vgl jedoch zur fehlenden Kompetenz des Erstgerichts § 294 Abs 4 StPO und RIS‑Justiz RS0116270 [T3, T7]) sowie über die (mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 [ON 119] ausgeführte) Berufung des Angeklagten waren die Akten dem Oberlandesgericht zuzuleiten (§ 285i StPO).

Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen (vgl Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 11).

Stichworte