OGH 15Os194/15s

OGH15Os194/15s17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sabine M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 7. Oktober 2015, GZ 11 Hv 81/15i‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00194.15S.0217.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sabine M***** ‑ abweichend von der ua in Richtung §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (dritter Fall), 148 zweiter Fall StGB erhobenen Anklageschrift ‑ des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (I./) und zweier Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in N*****

I./ von 9. Jänner 2013 bis 13. September 2014 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte der U***** GmbH in mehreren Angriffen durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde zu sein, also durch Täuschung über Tatsachen, zur Übermittlung diverser Waren im Gesamtwert von 2.086,40 Euro, mithin zu Handlungen verleitet, die das Unternehmen in genannter Höhe am Vermögen geschädigt haben,

II./ dadurch, dass sie sowohl am 15. Dezember 2014 als auch am 22. Jänner 2015 Schuldanerkenntnisse samt Ratenansuchen betreffend Verbindlichkeiten des Johann P***** gegenüber der U***** GmbH, die tatsächlich durch ihre zu I./ angeführten Tathandlungen eingegangen worden waren, mit dem Namen Johann P***** unterfertigte und diese an das genannte Unternehmen übermittelte, falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich des Bestehens offener Forderungen der U***** GmbH gegenüber Johann P***** in Höhe von insgesamt 3.338,54 Euro bzw 3.513,70 Euro, verwendet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, während die Staatsanwaltschaft mit ihrer aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde die Nichtannahme der Qualifikationen nach § 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB und nach § 148 zweiter Fall StGB beanstandet. Beide Beschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

Mit dem Einwand (Z 5 fünfter Fall), die Aktenlage widerspreche der Aussage des Zeugen Christian L*****, wird keine Aktenwidrigkeit (das ist die unrichtige Wiedergabe eines Beweismittelinhalts durch formalen Vergleich von Zitat und Aktenlage; RIS‑Justiz RS0099547) dargetan. Dass sich die konkrete Ausgestaltung des im Jahr 2014 über dessen Paketshop gelieferten Gartenbrunnens nicht mit dem im Juni 2015 im Garten der Angeklagten fotografierten Brunnen deckt, wurde von den Tatrichtern berücksichtigt (Z 5 zweiter Fall), allerdings mit logisch nachvollziehbarer und empirisch einwandfreier Begründung für nicht entlastend befunden (US 9; Z 5 vierter Fall).

Indem die Beschwerde aus der isolierten Betrachtung von Details der Bekundungen des Zeugen Johann P***** (in Bezug auf das [Nicht‑]Bestehen einer Lohnpfändung [US 3, 8] sowie auf Hilfeleistungen der Angeklagten in dessen Haushalt) andere, für die Rechtsmittelwerberin günstigere Schlüsse einfordert, wird abermals keine Aktenwidrigkeit aufgezeigt, sondern bloß unzulässig die tatrichterliche Würdigung dieser Verfahrensresultate kritisiert (RIS‑Justiz RS0106588 [T3]).

Da Bezugspunkt einer Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO allein der Ausspruch des Gerichts über entscheidende ‑ also für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende ‑ Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117264; RS0117499) ist (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 444; RIS‑Justiz RS0099413), wird mit Einwänden gegen einzelne beweiswürdigende Erwägungen des Gerichts (betreffend eine von der Zeugin Ingrid S***** beschriebene Erfassung von Kundentelefonnummern durch die U***** GmbH [US 10] sowie zur Aussagekraft der in der Blg ./8 vorliegenden Lichtbilder [US 11]) der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht angesprochen. Die Beschwerde unternimmt auch hier bloß den ‑ im kollegialrichterlichen Verfahren unzulässigen ‑ Versuch, die aus der vernetzten Betrachtung der vorliegenden Belastungsmomente gewonnene Überzeugung des erkennenden Gerichts von der Täterschaft der Angeklagten (US 6 ff) aufgrund eigener Einschätzungen in Zweifel zu ziehen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die gegen die Nichtannahme der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB zufolge Nichtvorliegens von schwerem Betrug iSd § 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB gerichtete Argumentation (Z 10), das im gegenständlichen Fall bei der telefonischen Warenbestellung verwendete und seinerzeit von der Angeklagten telefonisch auf den Namen ihres Nachbarn angelegte „Kundenkonto“ stelle eine „automationsunterstützte Datenanwendung“ dar, weshalb Sabine M***** durch fernmündliche Nennung des Namens des Johann P***** jeweils „gefälschte“ bzw „falsche Daten zur Identitätstäuschung“ verwendete (vgl dagegen Kirchbacher in WK2 StGB § 147 Rz 28b, 28e, 28f; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 147 Rz 46 ff; RIS‑Justiz RS0122091 [T2, T4]), scheitert schon am Fehlen einer unabdingbaren Voraussetzung einer erfolgversprechenden Urteilsanfechtung (vgl RIS‑Justiz RS0127315, RS0118580, RS0099810).

Hat das Erstgericht eine mit einem höheren Strafsatz verbundene Qualifikation nicht angenommen, weil es in rechtlicher Hinsicht den objektiven Tatbestand (hier: Datenbetrug iSd § 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB) als nicht erfüllt ansah (US 13), so hat die Anklagebehörde im Rahmen ihrer Subsumtionsrüge nicht nur einen (aus ihrer Sicht vorliegenden) Fehler in der rechtlichen Beurteilung der objektiven Tatseite aufzuzeigen, sondern darüber hinaus in Ansehung der vom erkennenden Gericht ‑ konsequenter-weise ‑ nicht getroffenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite einen Feststellungsmangel geltend zu machen (vgl 13 Os 126/07i; 12 Os 138/11b).

Dies verabsäumt die Beschwerdeführerin, indem sie das Fehlen von (im Urteil nicht getroffenen; vgl US 3 ff [insb US 5, 12 f]) Konstatierungen zu den subjektiven Merkmalen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall, 148 zweiter Fall StGB (nämlich zum Vorsatz, zur Täuschung falsche oder verfälschte Daten zu benützen, sowie zur Absicht, sich aus der wiederkehrenden Begehung derart qualifizierter [Daten‑]Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen) ungerügt lässt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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