OGH 13Os126/07i

OGH13Os126/07i5.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Tariel P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig begangenen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Tariel P***** und der Staatsanwaltschaft (diesen Angeklagten betreffend) und die Berufungen der Angeklagten Tariel P***** und Mamuk C***** sowie der Staatsanwaltschaft (beide Angeklagte betreffend) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Juni 2007, GZ 024 Hv 16/07g-84, sowie über die Beschwerden beider Angeklagten (hinsichtlich Tariel P***** implizit, § 498 Abs 3 StPO) gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Tariel P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Schuld- und einen Freispruch des Angeklagten Mamuk C***** enthält, wurde Tariel P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1, 130 (gemeint:) zweiter Satz (zweiter Fall) und 15 StGB (I.) und des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 (gemeint:) zweiter Satz (zweiter Fall) StGB (II.) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstahl (US 9) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Einbruch in deren Wohnungen weggenommen, und zwar

a. am 11. Oktober 2006 der Manuela K***** eine Lederdamenhandtasche der Marke Miu-Miu sowie näher bezeichneten Schmuck und elektronische Geräte im Gesamtwert von 2.500 Euro;

b. am 14. Oktober 2006 der Joanna D***** einen Laptop und Schmuck im Gesamtwert von 1.200 Euro;

II. am 16. Oktober 2006 dem Armin R***** verwertbare Gegenstände wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die aus den Gründen der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tariel P***** sowie eine, wenngleich auch hinsichtlich Mamuk C***** angemeldete, inhaltlich jedoch ausschließlich den Schuldspruch jenes Angeklagten aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO bekämpfende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Beide Rechtsmittel gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tariel P*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a StPO) wirft dem Erstgericht zunächst vor, es hätte Feststellungen zur entscheidenden Tatsache der Fremdheit der tatverfangenen Wertgegenstände unterlassen und demnach einen unzulässigen rechtlichen Schluss (einer Subsumtion unter §§ 127 ff StGB) gezogen (Rechtsfehler mangels Feststellungen; siehe dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 611). Danach wird - aktenwidrig (vgl US 3) - behauptet, die Wegnahme fremder Sachen sei auch dem Erkenntnis nicht zu entnehmen, und die Ansicht vertreten, die Urteilsannahmen, dass die inkriminierten Gegenstände bestimmten Personen weggenommen wurden und die Angeklagten mit Zueignungsvorsatz handelten, könnten die vermisste Konstatierung nicht ersetzen.

Bei gebotener Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe und des zu deren Verdeutlichung heranzuziehenden Erkenntnisses (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) lassen die - vom Beschwerdeführer teilweise ohnehin zitierten - Urteilsannahmen, wonach Tariel P***** in die Wohnungen der Tatopfer einbrach bzw einzubrechen versuchte, um dort Wertgegenstände zu erbeuten bzw verwertbare Gegenstände zu stehlen, wobei er mit auf Zueignung und unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelte (US 8 f), im Verein mit der Schilderung der Taten im Erkenntnis (US 3) - dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider - bloß die Annahme der Fremdheit der Sachen und keine gegenteilige Deutung zu. Dem Beschwerdeeinwand kommt daher weder unter dem Aspekt der Z 5 erster Fall noch der Z 9 lit a StPO Berechtigung zu (zur Unterscheidung siehe Ratz, WK-StPO § 281 Rz 570 ff).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) moniert - bloß in Ansehung des Schuldspruchs II. - das Fehlen von Feststellungen zum Vorliegen eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustands durch Drogenkonsum und strebt die rechtliche Unterstellung des Täterverhaltens unter (gemeint:) § 287 Abs 1 StGB an. Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (Z 10; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600, 602, 611). Weshalb in den im Rechtsmittel zitierten Angaben des Angeklagten, er habe die Tat „im Drogenrausch" begangen und sei „unter dem Einfluss von Drogen" gestanden (S 93, 437, 471/I), Indizien für seine - für die Subsumtion unter § 287 Abs 1 StGB erforderliche - Unfähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten, mit anderen Worten für einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch zu erblicken sein sollten, lässt die Rüge aber offen.

Hinzu kommt, dass die von der Beschwerde angesprochenen Angaben des Angeklagten bloß das Schuldspruchsfaktum II. betreffen, sodass die gesetzmäßige Darstellung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes überdies einer Darlegung dahin bedurft hätte, weshalb sich die reklamierte Änderung der rechtlichen Beurteilung auf den rechtlichen Bestand der allein maßgebenden, nach § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheit auswirken sollte (vgl dazu gleich unten; RIS-Justiz RS0120980).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Subsumtionsrüge (Z 10) moniert unter Bezugnahme auf die in objektiver Hinsicht getroffenen Urteilsannahmen eines zum Schuldspruch I/a und I/b (insgesamt) 3.000 Euro übersteigenden Wertes der Diebsbeute die unterbliebene Subsumtion des Sachverhalts (auch) unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB, ohne darauf einzugehen, dass den Entscheidungsgründen keine Feststellungen zu entnehmen sind, wonach diese Tatumstände auch vom Vorsatz des Angeklagten umfasst waren. Aufgrund welcher Verfahrensergebnisse ein durch die Urteilsfeststellungen des Erstgerichtes nicht geklärtes Tatsachensubstrat für eine solche - in der Beschwerde als Voraussetzung der in Rede stehenden Deliktsqualifikation gar nicht relevierte - Täterintention indiziert sei, legt die Beschwerde nicht dar. Sie verfehlt damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS-Justiz RS0099785; 13 Os 125/03).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass es das Erstgericht in Ansehung des Angeklagten Tariel P***** rechtsirrig verabsäumt hat, die zu I. und II. genannten Diebstähle nach § 29 StGB zur Subsumtionseinheit des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 StGB zusammenzufassen (statt vieler: JBl 2000, 262 mit Anm von Schmoller). Die rechtsirrige Subsumtion hat aber fallaktuell den Angeklagten, der dies ungerügt ließ, über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus nicht benachteiligt, weil der Umstand, dass er solcherart verfehlt wegen zweier gleichartiger Verbrechen schuldig gesprochen wurde, bei der Strafbemessung keine Berücksichtigung gefunden hat. Von amtswegiger Wahrnehmung der Urteilsnichtigkeit (Z 10) konnte daher Abstand genommen werden. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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