OGH 12Os139/15f

OGH12Os139/15f28.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario K***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. August 2015, GZ 18 Hv 111/14g‑47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00139.15F.0128.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario K***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 24. Oktober 2013 in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Franz S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, ihm für die Bereitstellung eines Bargeldbetrags eine lukrative Veranlagung zu verschaffen, zur Unterfertigung eines Darlehensvertrags und zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 70.000 Euro, somit zu einer Handlung verleitet, welche diesen in dem genannten, 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Bezugspunkt der Mängelrüge ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also ‑ soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) ‑ über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268). Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn ‑ nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht ‑ nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (RIS‑Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0116732, RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinem wesentlichen Teil unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431).

Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen (RIS‑Justiz RS0124172).

An den dargestellten Kriterien prozessordnungskonformer Ausführung der Mängelrüge orientiert sich die Beschwerde nicht. Soweit das Vorbringen einer der Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO zuordenbar ist, sei entgegnet:

Die Kritik an der Feststellung, wonach sich der Angeklagte gegenüber Franz S***** als vermögender Immobilienbesitzer ausgegeben habe (US 2), versagt schon mangels Bekämpfung einer entscheidenden Tatsache. Im Übrigen hat der genannte Zeuge, dessen Darstellung die Tatrichter folgten (US 5), dies ausdrücklich angegeben (ON 9 S 315, ON 45 S 6).

Das Gericht hat die Überweisung von 70.000 Euro auf das Konto des Angeklagten festgestellt (US 3). Die Widerspruch (Z 5 dritter Fall) und Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) in Ansehung einer ‑ dem (unzutreffenden) Beschwerdevorbringen zufolge ‑ konstatierten Darlehens-summe von 50.000 Euro behauptende Mängelrüge geht daher schon im Ansatz fehl.

Soweit der Beschwerdeführer einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia in Ansehung der Täuschungshandlung behauptet (der Sache nach Z 9 lit a), erklärt er nicht, welcher weiterer Konstatierungen es über die getroffenen hinaus (US 2 ff) bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0099689 [T8]).

Ebenso wenig leitet die Beschwerde methodengerecht aus dem Gesetz ab, warum es über die Feststellungen der Tatrichter zur subjektiven Tatseite (US 4) hinaus zur Erfüllung des (bedingten Vorsatz nach § 5 Abs 1 StGB genügen lassenden; vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 111) Tatbestands des § 146 StGB erforderlich gewesen wäre, „dass der Angeklagte die Absicht gehabt hätte, das Geld nicht zurückzahlen zu wollen“.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere auch zur bewussten Täuschung des Franz S***** über Tatsachen, hat das Gericht unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) rechtsstaatlich vertretbar (RIS‑Justiz RS0116882) auf das objektive Tatgeschehen gestützt (US 9).

Dem Erfordernis, die nach Ansicht des Beschwerdeführers vom Erstgericht übergangenen Ergebnisse des Beweisverfahrens deutlich und bestimmt zu bezeichnen, wird die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) mit dem vagen Hinweis auf die „in den Hauptverhandlungen vorgelegten Urkunden“ nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0118316 [T5]; 14 Os 53/12v).

Da nur der Angeklagte selbst Wahrnehmungen über sein Wissen und Wollen machen kann, waren die Tatrichter dem Rechtsmittelvorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht zur Erörterung der diesbezüglichen ‑ zudem ohne Angabe der Fundstelle in den Akten angeführten (RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0124172&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ) ‑ Aussagen der Zeugen Josef F***** und Kurt R***** verhalten (RIS‑Justiz RS0097540 [T21]; vgl US 8).

Soweit die Beschwerde die Erheblichkeit der Angaben des Letztgenannten offensichtlich unter dem Aspekt eines präsenten Deckungsfonds nachzuweisen versucht, verfehlt sie ebenfalls ihr Ziel. Denn beim Betrug führt jede vorübergehende Vermögensverminderung für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum zum Schadenseintritt (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 146 Rz 74). Auch ein nach den Verfahrensergebnissen gerade nicht vorliegender (vgl US 5) tatsächlich präsenter Deckungsfonds (zur Definition Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 133 Rz 97 ff mwN) schließt einen Schaden und damit den objektiven Tatbestand des Betrugs nicht aus. Er kann nur in sehr engen Grenzen für die innere Tatseite von Bedeutung sein, nämlich dann, wenn der Täter von vornherein vorbehaltslos gewillt und in der Lage war, über diese Vermögenswerte auf solche Weise zu verfügen, dass (bereits) ein Schadenseintritt zur Gänze verhindert wird (RIS‑Justiz RS0094306; vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 122 iVm Rz 74). Die Tatrichter haben jedoch mängelfrei die Feststellung getroffen, dass der Angeklagte nicht Willens war, den Betrag an Franz S***** zu refundieren (US 6, 9).

Im Übrigen beschränkt sich die Mängelrüge unter Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers darauf, mit eigenen Auffassungen und Erwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS‑Justiz RS0119583).

Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund einwendet, er habe durch „seine Beweismittel bewiesen, dass er das Geld nicht selbst entgegen der Vereinbarung verwendet“ habe, weshalb die Urteilsbegründung „in keiner Weise plausibel“ sei, ist sie nicht an den Anfechtungsmöglichkeiten des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes orientiert.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das

Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz

RS0099810).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschränkt sich hingegen erneut darauf, die tatrichterlichen Feststellungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung zu bekämpfen, und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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