OGH 1Ob250/15v

OGH1Ob250/15v28.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** K*****, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G***** M*****, 2. G***** S*****, 3. E***** P*****, 4. G***** B*****, 5. F***** M*****, 6. Mag. G***** R*****, 7. G***** B*****, 8. K***** S*****, 9. E***** S*****, 10. M***** J*****, 11. A***** S*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, 12. B***** B*****, 13. F***** G*****, 14. Dr. M***** W*****, 15. J***** G*****, 16. M***** G*****, 17. Mag. U***** M*****, 18. Mag. (FH) P***** A*****, 19. W***** S*****, 20. A***** R*****, und 21. D***** B*****, wegen Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts (hier wegen Unterbrechung), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. September 2015, GZ 64 R 61/15s‑35, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 10. März 2015, GZ 9 C 1067/13m‑28, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00250.15V.0128.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die elftbeklagte Partei trägt die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt als Wohnungseigentums-bewerber und unter Berufung auf § 43 Abs 1 WEG die Einwilligung der beklagten Liegenschaftseigentümer zur Einverleibung seines Eigentumsrechts an einem (im Klagebegehren gemäß Pkt 2.) bestimmt bezeichneten Mindestanteil an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** und des Wohnungseigentums an der von ihm bewohnten Wohnung.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren gemäß § 43 Abs 2 WEG und trug dem Kläger auf, einen Antrag auf Nutzwertfestsetzung bei der Schlichtungsstelle zu stellen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Rekursgericht diesen Unterbrechungsbeschluss ersatzlos auf, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob dann, wenn eine Stufenklage nicht vorliege, eine analoge Unterbrechung gemäß § 43 Abs 3 WEG 2002 in Betracht komme.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 192 Abs 2 ZPO können die nach §§ 187 bis 191 erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Die Ablehnung einer Unterbrechung ist nur dann (ausnahmsweise) anfechtbar, wenn eine Unterbrechung zwingend vorgesehen ist (RIS‑Justiz RS0037034; RS0037066; RS0036983; RS0037158; Höllwerth in Fasching/Konecny ³ § 192 ZPO Rz 22).

Ein Fall der unter den Voraussetzungen des § 43 Abs 2 WEG zwingend angeordneten Unterbrechung (RIS‑Justiz RS0037110; vgl noch zu § 25 Abs 2 WEG 1975 RS0037034 [T2, T5, T7]; 5 Ob 11/95; 5 Ob 79/95) liegt jedoch hier nicht vor.

2. Anders als der Kläger andeutet, ist im vorliegenden Verfahren nicht über einen Antrag auf Nutzwertfestsetzung oder Nutzwertneufestsetzung nach § 52 Abs 1 WEG abzusprechen; es liegt zwar eine Klage auf Einverleibung des Eigentumsrechts iSd § 43 WEG vor, aber nicht in Form einer Stufenklage. Der Kläger behielt sich die bestimmte Angabe des von ihm beanspruchten Mindestanteils nicht vor, sondern bezeichnete den ihm konkret zukommenden Mindestanteil zahlenmäßig. Er gesteht auch selbst in seinem Revisionsrekurs zu, dass er ein bestimmtes Klagebegehren stellte, in dem er Mindestanteile in einer Anzahl, die sich aus dem von ihm vorgelegten Nutzwertgutachten ergäbe, beansprucht habe, und führt ausdrücklich aus, er habe sein Klagebegehren „ohne Inanspruchnahme des § 43 Abs 2 WEG“ gestellt.

3. Sind die für die Bestimmung des Mindestanteils maßgebenden Nutzwerte noch nicht ermittelt oder wird bescheinigt, dass die Voraussetzungen für eine gerichtliche Nutzwertfestsetzung vorliegen, kann [Hervorhebungen durch den Senat] sich der Kläger die bestimmte Angabe des von ihm beanspruchten Mindestanteils bis zur Ermittlung oder Festsetzung der Nutzwerte vorbehalten. In diesem Fall hat das Gericht den Parteien mit Beschluss aufzutragen, einen Ziviltechniker oder Sachverständigen (§ 9 Abs 1 WEG) mit der Erstattung eines Nutzwertgutachtens zu betrauen beziehungsweise die Einleitung des Verfahrens zur gerichtlichen Nutzwertfestsetzung zu beantragen, und zugleich das Verfahren über die Klage zu unterbrechen. Das unterbrochene Verfahren ist nach Vorliegen des Nutzwertgutachtens beziehungsweise nach rechtskräftiger Entscheidung über die gerichtliche Nutzwertfestsetzung auf Antrag wieder aufzunehmen (§ 43 Abs 2 WEG).

4. Das Rekursgericht hat daher ausgehend vom Wortlaut des § 43 Abs 2 WEG, auf den sich auch die Lehre bezieht, das Vorliegen der Voraussetzung für eine Verfahrensunterbrechung zutreffend verneint, weil eben eine Stufenklage nicht vorliegt ( Vonkilch in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 43 WEG Rz 26 f; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet‑ und Wohnrecht II 23 § 43 WEG Rz 9; Illedits/Illedits-Lohr/Grohmann in Illedits/Illedits-Lohr , Wohnungseigentum 5 , Rz 111; vgl auch Friedl in Illedits/Reich-Rohrwig , Wohnrecht², § 43 WEG Rz 26, der darauf abstellt, dass der Kläger von der ihm eingeräumten Möglichkeit des Vorbehalts Gebrauch macht, und Würth in Rummel , ABGB³ § 43 WEG 2002 Rz 8, der darlegt, es sei das Verfahren über eine Stufenklage zu unterbrechen).

5. Zu der vom Rekursgericht aufgeworfenen Rechtsfrage einer analogen Anwendung nimmt der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht Stellung, wenn er unter Hinweis auf Schragel (in Fasching/Konecny ², II/2 § 190 ZPO Rz 9) darlegt, dieser zitiere § 43 Abs 2 WEG nur insoweit, als er ausführe, das Prozessgericht habe das Verfahren zu unterbrechen, wenn die Nutzwerte noch nicht festgesetzt oder bescheinigt seien, die Bestimmtheit des Klagebegehrens erwähne der genannte Autor hingegen nicht. Weder unternimmt der Kläger den Versuch des Nachweises einer Gesetzeslücke noch kann er eine gleichgelagerte Interessenslage aufzeigen. Eine Unterbrechung ohne Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen widerspräche verfahrensökonomischen Grundsätzen, weil ein Gutachten nicht erst beizuschaffen ist, sondern vom Kläger bereits vorgelegt ist und dieses im Verfahren über das Klagebegehren auf Einverleibung des Eigentumsrechts dem Nachweis des schon konkret geltend gemachten Mindestanteils dienen soll.

6. Der Revisionsrekurs ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen und das Verfahren fortzusetzen. Ob es einer ergänzenden Präzisierung des Begehrens (Angabe der neuen Mindestanteile der übrigen Wohnungseigentümer) bedarf, ist hier nicht zu erörtern.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat zwar in der Revisionsrekursbeantwortung formell auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen; eine inhaltliche Begründung hiefür enthält diese jedoch nicht. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Stichworte