OGH 12Ns121/15p

OGH12Ns121/15p28.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. Ralph K*****, AZ D 61/11, D 70/11 und D 156/11 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über den Antrag des Disziplinarbeschuldigten Mag. Ralph K***** auf Ablehnung der Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher und Hon.‑Prof. Dr. Danzl sowie der Anwaltsrichter Dr. Morent und Dr. Schimik wegen Ausschließung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120NS00121.15P.0128.000

 

Spruch:

Die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher und Hon.‑Prof. Dr. Danzl sowie der Anwaltsrichter Dr. Morent sind von der Entscheidung über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten Mag. Ralph K***** nicht ausgeschlossen.

Hinsichtlich des Anwaltsrichters Dr. Schimik wird der Ablehnungsantrag zurückgewiesen.

Gründe:

Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 26 Os 10/15p über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten Rechtsanwalt Mag. Ralph K***** gegen den Beschluss des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 15. Oktober 2012, AZ D 61/11, D 70/11 und D 156/11 zu entscheiden. Nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs sind Mitglieder des zuständigen 26. Senats Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzender, die Anwaltsrichter Dr. Morent und Dr. Hausmann (diese als Ersatzmitglied für den ausgeschlossenen Dr. Buresch) sowie Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl als weiterer Richter.

Bereits mit Beschluss der Obersten Berufungs-und Disziplinarkommission (OBDK) vom 18. November 2013 war die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten Rechtsanwalt Mag. Ralph K***** gegen den genannten Beschluss des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien zurückgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses, am 18. September 2014 abgefertigte Erkenntnis erhob der Disziplinarbeschuldigte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Diese wurde mit Beschluss vom 11. Juni 2015, GZ B 337‑338/2014‑11, mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Zustellung des als Bescheid zu wertenden Beschlusses der OBDK erst nach Ablauf der in § 2 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangs-gesetz genannten Frist erfolgte, was das Außerkrafttreten des Bescheids und somit jener Aussprüche zur Folge hatte, durch dessen Inhalt sich der Beschwerdeführer für beschwert erachtete.

In seinem Ablehnungsantrag behauptet der Disziplinarbeschuldigte, die vormals in der OBDK befassten Richter seien objektiv befangen, weil sie ihre Entscheidung zum Fall des Beschwerdeführers schon einmal verkündet hätten. Demgegenüber habe der Beschuldigte gemäß Art 6 EMRK das Recht, dass sein Fall von Richtern gehört werde, die sich noch keine Meinung über seinen Fall gebildet hätten. Auch lehne er jenen für die Verzögerung verantwortlichen Richter ab, der ihm das Beschwerderecht an den Verfassungsgerichtshof genommen habe. Schließlich legt er ‑ für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag jedoch nicht von Relevanz ‑ dar, dass er nicht neuerlich vor Gericht gestellt werden dürfe.

Der Antrag erweist sich als unberechtigt:

Die Beurteilung der Frage, ob Richter ausgeschlossen sind, erfordert nicht nur mit Blick auf das Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B‑VG) und zum Prinzip der festen Geschäftsverteilung (Art 87 Abs 3 B‑VG), sondern auch und vor allem unter dem Aspekt des Zugangs zum Recht eine ausgewogene Auslegung dieser Norm unter Berücksichtigung von Organisation und Funktion des Gerichts. Die Bestimmungen über die Ausgeschlossenheit und die Befangenheit stellen auf äußere Umstände ab, die zum einen durch ausdrückliche Aufzählung (§ 43 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 bis 4, § 47 Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO), zum anderen mittels Generalklausel (§ 43 Abs 1 Z 3, § 47 Abs 1 Z 3 StPO) determiniert werden. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber die Ausgeschlossenheit abschließend regeln wollte; die Bestimmungen der §§ 43 ff StPO sind, weil dieser Wille des Gesetzgebers eine Gesetzeslücke jedoch nicht ausschließt, grundsätzlich analogiefähig. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der genannten Bestimmungen und der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist aber hiebei ein strenger Maßstab anzulegen (zum Ganzen Lässig, WK‑StPO Vorbem zu §§ 43‑47).

Eine durch Analogie zu schließende Lücke ist bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht auszumachen. Es liegt auch keine dem § 43 Abs 2 letzter Fall StPO vergleichbare Konstellation vor (vgl 12 Ns 76/12s, 12 Ns 48/13z), zumal es dessen Zielsetzung ist, Entscheidungsträger, die in ihrer Sachentscheidung aufgrund eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs korrigiert worden sind, von der neuen Verhandlung und Entscheidung in derselben Causa auszuschließen (vgl Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 26). Derartiges ist mit Blick darauf, dass vorliegend eine bloße Entscheidung über prozessuale Rechtsmittelvoraussetzungen ex lege außer Kraft getreten ist, nicht der Fall.

Im Übrigen lässt auch die verzögerte Zustellung des seinerzeitigen Beschlusses keinen Schluss auf eine zu befürchtende unvoreingenommene oder unparteiliche Verfahrensführung zu.

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf Ablehnung eines Richters wegen Ausschließung nach § 44 Abs 3 StPO ist dessen konkret‑aktuelle Kompetenz zur Entscheidung in der Sache des Ablehnungswerbers (vgl RIS‑Justiz RS0097219, RS0097075; Lässig, WK‑StPO Vorbem zu §§ 43‑47 Rz 4, § 45 Rz 7). Da eine solche in Ansehung des dem Senat 26 in der hier zum Tragen kommenden Besetzung nicht mehr angehörenden Anwaltsrichters Dr. Schimik nicht vorliegt, war der ihn betreffende Antrag zurückzuweisen.

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