OGH 14Os127/15f

OGH14Os127/15f26.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Benjamin W***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, AZ 18 Hv 110/14k des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. August 2015, AZ 10 Bs 216/15p, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie des Verteidigers Dr. Vacarescu zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das im Strafverfahren AZ 18 Hv 110/14k des Landesgerichts für Strafsachen Graz ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. August 2015, AZ 10 Bs 216/15p (ON 19), verletzt durch Unterlassung der Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. März 2015, GZ 4 Hv 15/15p‑34, § 31 Abs 1 erster Satz StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Benjamin W***** wegen des Ausspruchs über die Strafe aufgehoben und in diesem Umfang

in der Sache selbst erkannt:

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird Folge gegeben und Benjamin W***** wird für das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB unter

Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. März 2015, GZ 4 Hv 15/15p‑34, und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von

zweieinhalb Monaten

verurteilt.

Gründe:

Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24. Oktober 2014, GZ 9 Hv 47/14d‑22, wurde Benjamin W***** - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes relevant - für eine am 21. Jänner 2014 begangene Tat des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A./1./) sowie (für eine weitere Tat) des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A./2./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Während der Schuldspruch zu A./1./ infolge Zurückziehung der vom Angeklagten (auch) zu diesem Faktum angemeldeten Berufung (ON 28 des erwähnten Akts) in Rechtskraft erwuchs, hob das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom 5. Februar 2015, AZ 9 Bs 432/14v, in Stattgebung der Nichtigkeitsberufung des Angeklagten den Schuldspruch zu A./2./ - und demgemäß den Strafausspruch sowie einen Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO - auf und verwies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (ON 29).

Im zweiten Rechtgang wurde Benjamin W***** - soweit gegenständlich relevant - mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. März 2015, (nun) GZ 4 Hv 15/15p‑34, von der wider ihn erhobenen Anklage in Bezug auf die dem aufgehobenen Schuldspruch zu A./2./ zugrunde liegende Tat gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen und wegen des bereits rechtskräftigen Schuldspruchs zu A./1./ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. In Stattgebung der dagegen erhobenen Strafberufung des Angeklagten setzte das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom 24. Juni 2015, AZ 9 Bs 189/15k, diese Strafe auf viereinhalb Monate herab (ON 39).

In einem weiteren gegen Benjamin W***** zu AZ 18 Hv 110/14k des Landesgerichts für Strafsachen Graz geführten Verfahren wurde dieser mit Urteil der Einzelrichterin vom 4. März 2015 wegen des am 3. Dezember 2014 begangenen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt (ON 11 des genannten Akts).

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. August 2015, AZ 10 Bs 216/15p, wurde - soweit hier von Bedeutung - auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit keine Rücksicht genommen und seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe nicht Folge gegeben (ON 19). In den Entscheidungsgründen vertrat das Oberlandesgericht die Ansicht, dass eine Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf die zwischenzeitig rechtskräftige Verurteilung zu AZ 4 Hv 15/15p des Landesgerichts für Strafsachen Graz nicht möglich sei, weil der ihr zugrunde liegende Schuldspruch vom 24. Oktober 2014, „mithin vor der hiesigen Tat“ datiere und dieser „infolge der Zurückziehung der Berufung (…) nicht mehr Gegenstand der Verhandlung im weiteren Verfahren war, was eine gemeinsame Verhandlungsführung über den zum Schuldspruch in jenem Verfahren führenden und den hier zugrunde liegenden Sachverhalt“ unmöglich gemacht habe (ON 19 S 4).

Rechtliche Beurteilung

In diesem Umfang steht das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 26. August 2015 ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt ‑ mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Wird jemand, der (rechtskräftig) zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können (und wäre somit eine gemeinsame Verfahrensführung in erster Instanz - allenfalls auch erst im Rahmen eines zweiten Rechtsgangs - möglich gewesen), so ist eine Zusatzstrafe zu verhängen (§ 31 Abs 1 erster Satz StGB). Liegen diese Voraussetzungen erst im Zeitpunkt der Strafbemessung durch ein Rechtsmittelgericht vor, dann ist § 31 StGB von diesem (originär) anzuwenden (RIS‑Justiz RS0090926, RS0090964; Ratz in WK² StGB § 31 Rz 2 f).

Da die der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Graz vom 26. August 2015 zugrunde liegende, am 3. Dezember 2014 begangene Tat im vom Landesgericht für Strafsachen Graz zu AZ 4 Hv 15/15p geführten Verfahren erster Instanz (wenn auch erst im zweiten Rechtsgang) hätte abgeurteilt werden können, wäre das Berufungsgericht verpflichtet gewesen, anlässlich der Entscheidung über die Strafberufung des Angeklagten auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. März 2015, GZ 4 Hv 15/15p‑34, gemäß § 31 Abs 1 erster Satz StGB Bedacht zu nehmen. Dass es in dieser Konstellation auch darauf ankäme, dass die dem offenen Rechtsmittelverfahren zugrunde liegenden Tat vor dem (letztlich) verbliebenen - und schon vor dem zweiten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen - Schuldspruch begangen wurde, ist dem - nur auf eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Strafe abstellenden - Gesetz nicht zu entnehmen.

Da ein dem Verurteilten nachteiliger Einfluss der Gesetzesverletzung nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung

auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§

292 letzter Satz StPO).

Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), mehrere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende und die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllende Verurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) sowie den raschen Rückfall erschwerend, mildernd hingegen die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer im Verfahren AZ 4 Hv 15/15p des Landesgerichts für Strafsachen Graz (§ 34 Abs 2 StGB), die zu einer Reduktion der an sich tat- und schuldangemessenen Strafe von drei Monaten um einen halben Monat geführt hat (RIS-Justiz RS0121600).

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