OGH 6Ob6/16z

OGH6Ob6/16z14.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen W***** P*****, geboren am 6. Februar 1953, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in Baden, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. November 2015, GZ 16 R 377/15b‑275, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00006.16Z.0114.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Bewilligung einer Teil‑Verfahrenshilfe im Gesetz nur insoweit vorgesehen ist, als der Umfang der gesetzlich normierten Begünstigungen beschränkt werden kann; ansonsten wirkt die Verfahrenshilfe für das ganze Verfahren, für das sie beantragt wurde (RIS‑Justiz RS0036177). Wird im Rahmen der Verfahrenshilfe die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt und ein solcher bestellt, so kann das gemäß § 64 Abs 2 Satz 2 ZPO iVm § 7 Abs 1 AußStrG nur für alle im Zuge des weiteren Verfahrens zu setzenden Verfahrenshandlungen gelten, also auch für die Erhebung von (weiteren) Rechtsmitteln gegen alle noch anfechtbaren Entscheidungen (3 Ob 49/09s; 9 Ob 57/12s; 8 Ob 86/15b). Dies gilt auch bei unklarer oder missverständlicher Formulierung im Verfahrenshilfebewilligungsbeschluss (1 Ob 97/08h; 9 Ob 57/12s).

Unkenntnis dieser Rechtsprechung durch einen Rechtsanwalt stellt ein die Bewilligung der Wiedereinsetzung nach § 146 ZPO iVm § 21 AußStrG ausschließendes Verschulden dar (vgl hiezu Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 21 Rz 38 [„durchschnittlich sorgfältiger Rechtsanwalt“]; ebenso OLG Wien ecolex 2012/320 [zust G. Kodek]; OLG Linz 9 Bs 19/13b EFSlg 139.994 [„gewissenhafter und umsichtiger Rechtsanwalt“]; LGZ Wien 45 R 162/13a EFSlg 139.996 [„verantwortungsvoller Rechtsanwalt“]). Dass möglicherweise ‑ wie der außerordentliche Revisionsrekurs meint ‑ auch das Erstgericht einer unrichtigen Rechtsansicht hinsichtlich des Beginns des Fristenlaufs unterlegen ist, ändert daran nichts; in der Entscheidung 6 Ob 204/15s hat der erkennende Senat nur klargestellt, dass ein Rechtsirrtum, dem auch das Gericht selbst unterlegen war, einer unvertretenen Partei nicht als grob fahrlässig zugerechnet werden kann.

Den Fehler ihres Verfahrenshilfeanwalts, der zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses infolge Verspätung führte, hat sich die Betroffene im Hinblick auf § 39 ZPO iVm § 6 Abs 4 AußStrG zurechnen zu lassen (Gitschthaler aaO Rz 36, 37 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dass der Verfahrenshilfeanwalt die Betroffene ursprünglich ohnehin richtig über den Beginn des Fristenlaufs belehrt hätte, wie dies nunmehr im (Revisions‑)rekurs dargestellt wird, lässt sich dem erstinstanzlichen Antragsvorbringen nicht entnehmen und ist deshalb unbeachtlich (§ 49 AußStrG); im Wiedereinsetzungsantrag ist vielmehr die Rede davon, dass auch der Verfahrenshilfeanwalt angesichts der im Bewilligungsbeschluss gewählten Formulierung („für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 9. 12. 2014“) davon ausging, dass fristauslösend die (spätere) Zustellung der Rekursentscheidung an die Betroffene selbst sein würde.

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