OGH 15Os141/15x

OGH15Os141/15x13.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Okan G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 3h VerbotsG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Yasser Go***** und der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten Karim S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 19. Juni 2015, GZ 14 Hv 30/15t-146, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00141.15X.0113.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Yasser Go***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung ‑ Okan G*****, Said Y*****, Marwan B*****, Karim S***** und Yasser Go***** jeweils (richtig:) der Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 1 und § 283 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach haben ‑ soweit für das gegenständliche Verfahren relevant ‑ in G***** und andernorts von 21. bis zumindest 23. März 2012 in einem periodischen elektronischen Medium (§ 1 Abs 1 Z 5a lit b MedienG), nämlich der als Website anzusehenden Facebook-Seite von Yasser Go***** mit näher bezeichneter Internetadresse, mithin für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar,

- zu Gewalt gegen die Religionsgesellschaft der Juden, mithin eine nach den Kriterien der Staatsangehörigkeit, der Religion und der ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen, aufgefordert und aufgereizt und gegen diese Gruppe gehetzt, nämlich

Okan G*****, indem er die Eintragung „Abgefuckte Juden, Hitler hätte euch alle umbringen sollen ...“ verfasste;

Said Y*****, indem er mit Bezug auf die zuvor genannte Eintragung die Eintragung „Okan, ich bin deine Meinung!“ verfasste;

Marwan B*****, indem er die Eintragung “Diese dreckigen Juden euch zu ermorden wäre noch zu wenig Strafe doch alles kommt zurück und es wird auch euch treffen“ verfasste;

- zu Gewalt gegen die Religionsgesellschaft der Juden und gegen die israelischen Staatsangehörigen, mithin eine nach den Kriterien der Staatsangehörigkeit, der Religion und der ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen, aufgefordert und aufgereizt und gegen diese Gruppen gehetzt, nämlich

Karim S*****, indem er die Eintragung „Möge Allah (s.t.) unsere Geschwister im Gaza helfen ... Amin!!! ... Mann, die ganze Welt ist blind geworden ... der neue Sündenbock ist der Moslem!! In Wahrheit ist der Terrorist Nummer 1 auf der Welt Amerika und Israel ... Ich hasse diese scheiß Zionisten und ich hoffe alle verrecken und ich hoffe auch das es das Land Israel nicht mehr gibt diese Hundesöhne!!!!!“ sowie „Es soll einfach von der Landkarte verschwinden, dann gibt es mehr Frieden!!“ verfasste;

Yasser Go*****, indem er durch die Eintragung „ja mann, sie und ihre ganze generation“ die vorangegangene Eintragung von Karim S***** unterstützte.

Die Geschworenen hatten die jeweils anklagekonform in Richtung des Verbrechens nach § 3h VerbotsG gestellten Hauptfragen (1./ bis 4./ und 8./) verneint und die ‑ unter Außerachtlassung, dass Abs 1 und Abs 2 des § 283 StGB im Verhältnis zueinander ein kumulatives Mischdelikt bilden ( Plöchl in WK 2 StGB § 283 Rz 1) verfehlt, aber unangefochten jeweils in einer Frage zusammengefassten ‑ bezughabenden Eventualfragen nach (richtig:) den Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 1 und § 283 Abs 2 StGB (fortlaufende Fragen‑Nr. 2./, 4./, 6./, 8./ und 14./) bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft (die die genannten Schuldsprüche der Angeklagten G*****, Y*****, B*****, S***** und Go***** der Sache nach aus § 345 Abs 1 Z 12 StPO bekämpft) und des Angeklagten Go***** (der sich auf Z 11 lit a leg cit stützt), denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staats-anwaltschaft:

Die eine Unterstellung der den Angeklagten zur Last liegenden Taten nach § 3h VerbotsG anstrebende und eine aus der Antwort der Geschworenen ableitbare Gutheißung nationalsozialistischen Völkermords behauptende Subsumtionsrüge (Z 12) orientiert sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0101148, RS0101527) nicht an den im Wahrspruch implizit enthaltenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (RIS‑Justiz RS0089093), denen zufolge die Angeklagten (nur) mit auf Aufforderung zur Gewalt und Hetzen (gegen in § 283 Abs 1 StGB genannte Gruppen) gerichtetem Vorsatz gehandelt haben, nicht aber mit jenem, den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden gutzuheißen (s die Verneinung der in Richtung § 3h VerbotsG gerichteten Hauptfragen).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde auch die Aufhebung eines ‑ inhaltlich nicht bekämpften ‑ weiteren den Angeklagten S***** betreffenden Schuldspruchs nach § 283 Abs 1 und § 283 Abs 2 StGB (hinsichtlich einer am 6. August 2012 erfolgten Facebook‑Eintragung) und in diesem Umfang dessen Verurteilung nach § 3h VerbotsG begehrt, mangelt es ihr an deutlicher und bestimmter Bezeichnung der geltend gemachten Nichtigkeit.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Go*****:

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) vernachlässigt mit der Behauptung, die in der inkriminierten Äußerung des Angeklagten S***** angeführten „Zionisten“ seien keine von § 283 Abs 1 StGB geschützte Gruppe, zum einen die zusätzliche verbale Bezugnahme auf den Staat Israel, zum anderen die Feststellungen der Geschworenen zum Bedeutungsinhalt hinsichtlich der in der Äußerung bezeichneten Personenmehrheit („gegen die Religionsgesellschaft der Juden und gegen die israelischen Staatsangehörigen“) und entbehrt daher einer prozessordnungsgemäßen Darstellung (RIS‑Justiz RS0101148).

Soweit die Beschwerde behauptet, die Äußerung „ja mann, sie und ihre ganze generation“ sei „für sich“ keine tatbestandsmäßige Handlung iSd § 283 StGB, lässt sie neuerlich die Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt außer Acht, sind doch die Geschworenen nach dem Inhalt des Wahrspruchs erkennbar davon ausgegangen, dass der Angeklagte Go***** durch den bejahenden Verweis auf die vorangegangene Eintragung des Angeklagten S***** sich diese zu eigen machte und damit selbst „zu Gewalt … aufgefordert und aufgereizt und gegen diese Gruppen gehetzt“ hat. Damit entzieht sich auch die weitere Behauptung, die Laienrichter hätten durch die Verwendung des Wortes „unterstützte“ lediglich Feststellungen zu einer „Beitragstäterschaft“ des Beschwerdeführers zur tatbestandsmäßigen Handlung S*****s getroffen, die ‑ weil erst nach dessen Tatvollendung erfolgt ‑ nicht tatbestandsmäßig sei, einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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