OGH 2Ob69/15h

OGH2Ob69/15h16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** F*****, vertreten durch Dr. Horst Mayr, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die beklagte Partei Fachverband der Versicherungsunternehmen, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwalt in Mödling, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei D***** B*****, vertreten durch Mag. Gregor Royer, Rechtsanwalt in Wels, wegen 27.973,60 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über den Rekurs des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2014, GZ 2 R 186/14g‑21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 12. August 2014, GZ 5 Cg 31/14d‑13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00069.15H.1216.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).

Der Nebenintervenient hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Am 12. 3. 2012 ereignete sich auf dem Firmengelände der I***** GmbH in der Werkshalle ein Unfall, an dem der Kläger und der Nebenintervenient (als Lenker eines Hubstaplers) beteiligt waren.

Das Berufungsgericht bejahte im Gegensatz zum Erstgericht die Haftung des beklagten Fachverbands, hob daher das Ersturteil zur Vervollständigung der Tatsachengrundlage auf und legte in rechtlicher Hinsicht dar, dass § 6 Abs 3 VOEG idF BGBl I 2007/37 im relevanten Unfallszeitpunkt nur eine Ausnahme von der Haftung der beklagten Partei für Fälle vorgesehen habe, in denen das Fahrzeug als ortsgebundene Kraftquelle oder für ähnliche Zwecke verwendet worden sei, was hier nicht zutreffe. Die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs 3 Z 2 VOEG idF der Novelle BGBl I 2013/12 sei erst mit 1. 1. 2013 in Kraft getreten und daher hier nicht anzuwenden.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519Abs 1 Z 2 ZPO ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass es ‑ trotz Vorliegens der Entscheidung 2 Ob 89/12w ‑ auf die vom Beklagten relevierten Gründe der Novellierung der Bestimmung im Sinne einer bloßen Klarstellung der Rechtslage nicht eingegangen sei.

Der Nebenintervenient stützt sich in seinem Rekurs an den Obersten Gerichtshof ausschließlich darauf, dass der Gesetzgeber ‑ offenkundig als Reaktion auf die Entscheidung 2 Ob 89/12w ‑ mit der Novelle des § 6 Abs 3 VOEG mit BGBl I 2013/12 klarstellen habe wollen, dass die Beklagte für Transportkarren (und damit Hubstapler) nur hafte, soweit sie auf Straßen mit öffentlichen Verkehr verwendet würden.

Der Kläger beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Rechtsmittelvorbringen wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:

Wie der erkennende Senat in 2 Ob 89/12w ZVR 2014/7 (Kathrein) ausführlich dargelegt hat, war Sinn und Zweck des VOEG, BGBl I 2007/37, mit dessen § 6 in Österreich Art 1 Z 3 lit b der Richtlinie 2005/14/EG (5. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs-Richtlinie) umgesetzt wurde, zwar, den Schutz von Opfern von „Straßenverkehrsunfällen“ in den Vordergrund zu rücken (ErläutRV 80 BlgNR 23. GP 1 und 6). Die in den Materialien zum Ministerialentwurf bei § 6 VOEG noch enthaltene „Beschränkung der Leistungspflicht auf Schäden, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr eintreten“, schien aber bereits in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht mehr auf, wofür eine auf die Richtlinienwidrigkeit dieser Einschränkung hinweisende Stellungnahme des ÖAMTC (12/SN-30/ME 23. GP) Grund gewesen sein dürfte (vgl Kathrein, Verkehrsopferschutz neu ‑ Das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz, ZVR 2007/243 [248]). Dies führte den erkennenden Senat in der genannten Entscheidung zu dem Ergebnis, dass das VOEG auch „innerbetriebliche Unfälle“ erfasst.

Der hier zu beurteilende Unfall ereignete sich unbestritten noch vor Inkraftreten des § 6 Abs 3 VOEG idF BGBl I 2013/12, nach dessen Z 2 nunmehr die Entschädigung auch ausgeschlossen wird, wenn der Unfall von in § 1 Abs 2 lit a und b KFG 1967 angeführten Fahrzeugen, darunter auch Transportkarren (zu Hubstaplern vgl RIS-JustizRS0126375; siehe hiezu auch Fucik, Verkehrsopferentschädigung, ZVR 2015, 463 [466]) im geschlossenen Bereich zwischen in den Arbeitsbetrieb eingebundenen Personen herbeigeführt wird.

Dem Argument des Rechtsmittelwerbers, der Gesetzgeber habe mit dieser Novelle nur den (bereits bestehenden) Ausschluss der Haftung der Beklagten „klarstellen“ wollen, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Materialien zu dieser Novelle selbst eingangs ausdrücklich als Ziel nennen, Arbeitsunfälle von den Entschädigungsfällen des VOEG auszunehmen (2005 BlgNR 24. GP 1). Im Übrigen bedeutet die von den Materialien konkret zu § 6 Abs 3 Z 2 VOEG verwendete Wendung „sicherstellen, dass durch Unfälle mit Arbeitsmaschinen in abgesperrtem Fabriksgelände (zB in einer Fabriks‑ oder Lagerhalle) ... nicht eine Ersatzpflicht des Fachverbands der Versicherungsunternehmen … begründet wird“, mit der die Rekurswerberin zentral argumentiert, schon bei reiner Wortinterpretation keineswegs, dass damit ein bereits bestehender Haftungsausschluss lediglich habe „klargestellt“ werden sollen.

Dass diese Novelle eine „Reaktion des Gesetzgebers“ auf die Entscheidung 2 Ob 89/12w gewesen wäre, wie die Rekurswerberin ohne nähere Begründung unterstellt, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die neue Bestimmung mit 1. 1. 2013 in Kraft trat (vgl § 19 Abs 4 VOEG), hingegen die genannte Entscheidung erst vom 21. 2. 2013 stammt.

Für den hier relevanten Zeitraum davor bietet das Rechtsmittel daher keinerlei Anlass, von der bestehenden und im Schrifttum nicht kritisierten Rechtsprechung abzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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