European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00235.15B.1216.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. September 1998 geschieden. In dem für den Fall der Rechtskraft der Scheidung geschlossenen Vergleich vom 26. August 1998 vereinbarten die Parteien für den Fall einer zukünftigen Erwerbstätigkeit der Klägerin, dass diese „40 % vom gemeinsamen Einkommen abzüglich ihres Eigenerwerbseinkommens“ erhalte.
Im Jahr 2012 verdiente die Klägerin insgesamt 21.476,75 EUR netto, also durchschnittlich 1.789,73 EUR pro Monat (zwölfmal jährlich). Der Beklagte erzielte in diesem Jahr ein Nettoeinkommen von insgesamt 96.372 EUR, also im Schnitt 8.031 EUR netto monatlich (zwölfmal jährlich). Ausgehend davon errechnet sich der im Vergleich festgelegte Unterhaltsanspruch der Klägerin im Jahr 2012 mit 2.138,56 EUR pro Monat. Tatsächlich leistete der Beklagte in diesem Jahr Unterhalt von durchschnittlich 1.360,44 EUR pro Monat an die Klägerin.
Der Beklagte ist Bankangestellter. Seine Arbeitgeberin, bei der er damals bereits 26 Jahre beschäftigt war, unternahm im Jahr 2012 erhebliche Anstrengungen, um den Personalstand zu reduzieren. Insbesondere ältere Arbeitnehmer wurden damals angesprochen, Altersteilzeit und in der Folge die „Korridorpension“ in Anspruch zu nehmen, wobei die Bank ankündigte, die Kosten für den dafür allenfalls erforderlichen Nachkauf von Versicherungszeiten zu übernehmen. Seitens der Abteilungsleiter wurde klar kommuniziert, dass die Zustimmung der angesprochenen Mitarbeiter zu diesem Vorschlag gewünscht werde, und die Betroffenen wurden auch von den Kollegen immer wieder gefragt, ob sie den Vorschlag annehmen. Dadurch entstand hausintern ein gewisser Druck auf die betroffenen Mitarbeiter.
Auch der damals 58 Jahre alte Beklagte, der an sich gerne noch zwei oder drei Jahre Vollzeit gearbeitet hätte, wurde mit diesem Ansinnen der Bank konfrontiert. Eine Kündigung für den Fall der Nichtannahme des Vorschlags wurde keinem betroffenen Mitarbeiter angedroht. Letztlich willigten alle angesprochenen Mitarbeiter in die von der Bank gewünschte Lösung ein. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte gekündigt worden wäre, wenn er nicht zugestimmt hätte.
Da der Beklagte damals noch nicht genügend Versicherungszeiten erworben hatte, um ab 1. Jänner 2013 Altersteilzeit und ab 1. Jänner 2017 die Korridorpension in Anspruch nehmen zu können, überwies ihm die Bank wie zugesagt den für den Nachkauf der fehlenden Versicherungsmonate erforderlichen Betrag von 51.385,44 EUR. Der Beklagte überwies diese Summe umgehend an die Pensionsversicherungsanstalt.
Die Klägerin begehrte die Vollstreckbarerklärung des Vergleichs bezüglich der Bruchteilsschuld für den Zeitraum Jänner 2011 bis Dezember 2013, darunter für die Monate Jänner bis Dezember 2012 in Höhe von (weiteren) 778,12 EUR monatlich, jeweils samt 4 % Zinsen ab Fälligkeit; hilfsweise begehrte sie den Betrag von 14.330,92 EUR sA (ON 7).
Der Beklagte wendete unter anderem ein, die ihm von seiner Arbeitgeberin zweckgewidmet, nämlich für den ‑ im alleinigen Interesse der Bank liegenden ‑ Nachkauf von Versicherungsmonaten geleistete Zahlung von 51.385,44 EUR sei nicht in die Unterhaltsbemessungs-grundlage einzubeziehen, weil es sich für ihn um einen reinen Durchlaufposten gehandelt habe. Er erhalte durch den Nachkauf von Versicherungszeiten keine höhere Pension.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Prüfung des sich auf das Jahr 2012 beziehenden Klagebegehrens ein und erklärte mit Teilurteil den Vergleich hinsichtlich des Zeitraums 1. Jänner bis 31. Dezember 2012 im Umfang eines weiteren Unterhaltsbetrags von 778,12 EUR monatlich sA für vollstreckbar. Nach der Entscheidung 7 Ob 179/11s seien nur die Pflichtbeiträge zur Sozial‑ und Pensionsversicherung aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage auszuscheiden, andere Aufwendungen hingegen nur in besonderen Ausnahmefällen, nämlich nur dann, wenn sie der Existenzsicherung dienten, weil es dann auch im Interesse des Unterhaltsberechtigten liege, für die Zukunft vorzusorgen. Die Zahlung von 51.385,44 EUR habe keine solche Existenzsicherungsfunktion gehabt, weil nicht feststehe, dass der Beklagte existenzbedrohende Konsequenzen hätte befürchten müssen, wenn er in die von der Bank gewünschte Lösung nicht eingewilligt hätte. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin für das Jahr 2012 sei daher unter Einbeziehung der Einmalzahlung von 51.385,44 EUR zu errechnen und habe daher (unstrittig) 2.138,56 EUR monatlich betragen.
Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Beklagten das Teilurteil des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass es die (vom Erstgericht nur in den Entscheidungsgründen als unberechtigt beurteilte) Aufrechnungseinrede des Beklagten zurückwies. Zu dem die Unterhaltsbemessungsgrundlage bildenden Einkommen zählten alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen könne. Ausgenommen seien nur Einnahmen zur Abgeltung von effektiven Auslagen. Zahlungen zu Zwecken der Vermögensbildung schmälerten die Bemessungsgrundlage im Allgemeinen nicht. Eine Abzugspost bildeten nur tatsächliche Aufwendungen zur Sicherung des Einkommens und/oder der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltsberechtigten. In diesem Sinn seien verpflichtende Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage auszuscheiden. Beiträge zu privaten Unfall-, Kranken- oder Lebensversicherungen seien hingegen grundsätzlich nicht abzugsfähig. Auch Leistungen für eine private Pensionsvorsorge stellten im Allgemeinen keine Abzugspost dar. Hier stehe nicht fest, dass die Einwilligung des Beklagten, Altersteilzeit und Frühpension in Anspruch zu nehmen, und damit die diesen Zwecken dienende Einmalzahlung unbedingt notwendig gewesen sei, um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw seine wirtschaftliche Existenz zu sichern.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob im Verhältnis zwischen Ehegatten Zahlungen des Arbeitgebers des Unterhaltsschuldners für den Nachkauf von Versicherungszeiten der gesetzlichen Pensionsversicherung zum Zweck, eine vom Arbeitgeber gewünschte Altersteilzeit und sodann eine „Korridor“‑Frühpension des Unterhaltspflichtigen zu ermöglichen, als Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen seien.
In seiner Revision macht der Beklagte geltend, er habe über die an ihn geleistete Einmalzahlung nicht frei verfügen können, habe er sie doch unmittelbar an die Pensionsversicherungsanstalt weiterleiten müssen. Hätte er sich gegenüber der Bank nicht dazu verpflichtet, die fehlenden Versicherungsmonate nachzukaufen, hätte er den Einmalbetrag überhaupt nicht erhalten.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung zählen zu dem als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann; ausgenommen sind solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen (RIS‑Justiz RS0107262 [T1]; 7 Ob 16/14z = RS0003799 [T18]). Der Vermögensbildung dienende Ausgaben, wie Einzahlungen auf Bausparverträge oder Lebensversicherungsverträge, sind nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen (RIS‑Justiz RS0107278). Gleiches gilt für Beiträge zur privaten Pensionsvorsorge, wie insbesondere Einzahlungen in eine betriebliche Vorsorgekasse oder den Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten zur Erlangung einer höheren Pension, weil auch diese Zahlungen Zwecken der Vermögensbildung dienen (9 Ob 39/14x = RIS‑Justiz RS0126234 [T4]). Eine Abzugspost bilden bloß solche tatsächlichen Aufwendungen, die der Sicherung des Einkommens bzw der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen dienen (7 Ob 226/11b = RIS‑Justiz RS0107278 [T11]).
1.2. Der Revisionswerber weist zutreffend darauf hin, dass er über die Verwendung der Einmalzahlung nicht frei entscheiden konnte, sondern diese ausschließlich zum Zweck des Nachkaufs der ihm für die Inanspruchnahme der Korridorpension fehlenden Versicherungsmonate erhielt. Nach dem Wortlaut des vom Beklagten vorgelegten Schreibens der Bank vom 6. 12. 2012 (Beilage ./2) wurde ihm diese Summe im Übrigen nicht im Vorhinein mit dieser Zweckwidmung überwiesen, sondern erst nachträglich gegen Vorlage des Nachweises über die Anzahl der gekauften Versicherungsmonate bzw der Höhe des Einzahlungsbetrags ersetzt.
1.3. Unter diesen Umständen kann aber keine Rede davon sein, dass der Beklagte berechtigt gewesen wäre, über die Einmalzahlung frei zu verfügen. Vielmehr handelte es sich dabei um eine zweckgewidmete Zahlung bzw um den Ersatz einer von ihm auf ausdrücklichen Wunsch seiner Arbeitgeberin für das von dieser forcierte Modell der Altersteilzeit mit anschließender Korridorpension getätigten Auslage, die ihm nicht nur keinen finanziellen Nutzen, wie insbesondere eine höhere Pension, brachte (dies ist als unstrittig anzusehen, weil die Klägerin das entsprechende Vorbringen des Beklagten nicht substanziiert bestritten hat), sondern ihm sogar ab dem Jahr 2013 eine finanzielle Einbuße (geringeres Einkommen aufgrund der Altersteilzeit) bescherte. Die von den Vorinstanzen bejahte Einbeziehung dieser Einmalzahlung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Jahres 2012 scheidet damit aus.
1.4. Auf die in der Revisionsbeantwortung angestellten Überlegungen der Klägerin zur Anspannung des Beklagten kommt es (derzeit) nicht an, weil Gegenstand des Teilurteils ausschließlich der Unterhaltsanspruch der Klägerin im Jahr 2012 ist, in dem der Beklagte noch keine Schmälerung seines Einkommens hinnehmen musste.
2.1. Die Höhe des (weiteren) Unterhaltsanspruchs der Klägerin für das Jahr 2012 kann noch nicht abschließend beurteilt werden: Das Erstgericht hielt es für unstrittig, dass der Beklagte im Jahr 2012 insgesamt 168.330,71 EUR brutto (netto 96.372 EUR) inklusive der Einmalzahlung von 51.385,44 EUR verdient habe. Nach der Aktenlage brachte allerdings keine der Parteien explizit vor, dass die Einmalzahlung im Betrag von 168.330,71 EUR brutto laut Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis für 2012, Beilage ./K enthalten sei. Vergleicht man die Beträge laut Beilage ./K mit jenen, die sich aus dem Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis für 2011 (Beilage ./J) ergeben, erscheint dies auch durchaus zweifelhaft. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Beklagte nämlich im Jahr 2012 (abzüglich der Einmalzahlung) ein deutlich geringeres Einkommen bezogen als im Jahr 2011, in dem er laut Beilage ./J 139.855,33 EUR brutto ‑ also nur um 28.475,38 EUR weniger ‑ verdiente. Für eine solche Annahme besteht hier allerdings kein Anhaltspunkt.
2.2. Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob der Beklagte die Einmalzahlung nicht ohnehin zusätzlich zu seinen Bezügen laut Beilage ./K erhalten hat. Bejahendenfalls hätte es für das Jahr 2012 im Ergebnis bei der Unterhaltsberechnung laut Teilurteil zu bleiben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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