OGH 8Ob97/15w

OGH8Ob97/15w15.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** D*****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, Nebenintervenient Dr. W***** A*****, Rechtsanwalt in Salzburg, als Insolvenzverwalter im Konkurs der I*****, gegen die beklagte Partei Z***** S***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, Nebenintervenienten 1. i***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, 2. DI Dr. D***** B*****, vertreten durch Rechtsanwälte Gernerth Mautner Markhof & Schalwich GbR in Hallein, wegen 126.913,96 EUR sA und Feststellung (Interesse 200.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Juli 2015, GZ 3 R 56/15y‑121, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Punkt 2. des Teilurteils des Berufungsgerichts lautet:

Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle aus der mangelhaften Erfüllung des Auftrags vom 22./28. September 2011 resultierenden Schäden haftet, dies jedenfalls bis zu einem Betrag von 13.554,29 EUR “,

und der erste Absatz des Punktes 3. (Abweisung eines Mehrbegehrens) ersatzlos entfällt.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks mit einem um 1900 errichteten Wohn‑ und Geschäftshaus. Wegen der sehr heterogenen, instabilen Baugrundverhältnisse traten an dem Gebäude schwere Setzungen auf. Mittel‑ bis längerfristig hätten die weiterhin zu erwartenden Absenkungen einen bedrohlichen Zustand herbeigeführt.

Der Kläger entschloss sich, das Haus sanieren zu lassen und beauftragte (im Namen einer von ihm vertretenen KG) im Jahre 2011 die Beklagte, ein Spezialtiefbauunternehmen, mit dem Unterfangen der Fundamente unter Verwendung des Düsenstrahlverfahrens (DSV). Die Arbeiten mussten von der Beklagten nach Herstellung von zehn der geplanten 24 Fundamentsäulen vorzeitig abgebrochen werden, weil während der Ausführung weitere Gebäudesetzungen von bis zu 14 cm eintraten. Das zuständige Baurechtsamt erteilte für das Wohnhaus ein Benützungsverbot. Ab dem Jahr 2012 verlangsamten sich die Setzungsbewegungen des Gebäudes wegen der von der Beklagten bereits fertiggestellten Fundamentsäulen auf rund 0,5 bis 2 mm pro Jahr.

Mit dem von der Beklagten angewandten Verfahren konnte eine Stabilisierung des Untergrundes erreicht werden, für die gegenständliche Sanierung war es aber deswegen nicht geeignet, weil während der Ausführung keine ausreichende Schonung des Gebäudebestands gewährleistet ist.

Der Kläger hatte der Beklagten vor der Auftragserteilung ein 2010 erstelltes Baugrundgutachten der Erstnebenintervenientin auf Beklagtenseite übergeben, in dem die Bodenverhältnisse als sehr schwierig beschrieben wurden und das die Empfehlung enthielt, vor Beginn von Sanierungsmaßnahmen zusätzliche Erkundungen und Laborversuche durchzuführen. Vor der Tätigkeit der Beklagten fanden solche Untersuchungen nicht statt.

Die während der Bauausführung eingetretenen massiven Gebäudesetzungen hatten mehrere zusammenwirkende Gründe, und zwar die instabilen Untergrundverhältnisse, eine reduzierte Tragfähigkeit der DSV-Säulen wegen der ungünstigen Bodenstruktur (Torf), teilweise mürbe Gebäudefundamente und unvorhergesehene Spannungs‑ und Lastumlagerungen im Bauwerk sowie in den alten hölzernen Fundamentpfählen.

Gestützt auf eine Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB durch die Beklagte begehrte der Kläger die Rückzahlung des (teilweise) gezahlten Werklohns und die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten für den der Höhe nach noch nicht absehbaren Gebäudesanierungsaufwand. Die Ansprüche seien dem Kläger von der von ihm vertretenen KG zediert worden.

Die Beklagte wandte ein, die geltend gemachten Schäden seien auf die ungünstigen Baugrundverhältnisse zurückzuführen. Dieses Risiko liege in der Sphäre des Klägers, eine Haftung der Beklagten dafür sei vertraglich ausgeschlossen worden. Die Bodenverhältnisse seien wesentlich schlechter als im übergebenen Bodengutachten beschrieben. Jedenfalls hätten die Parteien die Anwendung der Ö-Norm B2110 und damit eine Haftungsgrenze von 5 % der Auftragssumme vereinbart.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab und gab dem Feststellungsbegehren teilweise Folge. Es stellte fest, dass die Beklagte zu 70 % für den am Gebäude eingetretenen Schaden hafte.

Die Beklagte habe ihre Warnpflicht verletzt, weil sie die nach der Sachlage gebotenen Voruntersuchungen nicht veranlasst habe, andererseits treffe den Kläger aber im Rahmen des § 1168a ABGB mangels anderer Vereinbarung das Bodenrisiko, das Risiko der mürben Fundamente und das Risiko der Ungenauigkeit des von ihm übergebenen Bodengutachtens. Die Vertragsverletzung durch die Beklagte sei stärker zu gewichten, weshalb sie den Folgeschaden zum überwiegenden Teil zu tragen habe. Die vertragliche Haftungsbegrenzung sei mit dem Kläger, einem Verbraucher, nicht wirksam ausgehandelt worden.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers und seines Nebenintervenienten nicht, der Berufung der Beklagten und ihrer Nebenintervenienten hingegen teilweise Folge.

Es stellte mit dem angefochtenen Teilurteil eine Haftung der Beklagten zu 50 % des verursachten Schadens dem Grunde nach bis zum Höchstbetrag von 13.554,29 EUR fest. Eine Schadensteilung von 1:1 erscheine angemessen, weil die Anteile aller Ursachen für den Schaden (Bodengutachten, Baugrundrisiko einerseits, Untersuchungs- und Warnpflichtverletzung andererseits) nicht bestimmbar seien.

Hinsichtlich des Mehrbegehrens auf Feststellung einer dem Grunde nach mit 50 %, betraglich aber unbeschränkten Haftung hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts ohne Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Höchstbetrag von 13.554,29 EUR entspreche der vertraglichen Haftungsbegrenzung. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung hänge davon ab, wer als wahrer Auftraggeber der Arbeiten anzusehen sei, und könne ohne eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage noch nicht abschließend beurteilt werden.

Die Revision des Klägers wendet sich nur mehr gegen die teilweise Abweisung seines Feststellungsbegehrens. Die Vorinstanzen hätten verkannt, dass keine Grundlage für irgendeine Haftungsteilung bestehe.

Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten haben die ihnen freigestellte (§ 508a ZPO) Revisionsbeantwortung erstattet und streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer korrekturbedürftigen Rechtsansicht beruht. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Beklagte die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht bekämpft hat. Es ist bei den folgenden Überlegungen daher ohne neuerliche Überprüfung davon auszugehen, dass die Beklagte jedenfalls für eine Verletzung von Warnpflichten im Rahmen der Ausführung des Werkvertrags gegenüber ihrem Auftraggeber haftet.

2. Nach § 1168a letzter Satz ABGB ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn sein Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers misslingt, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat.

Der Besteller hat nach der „Sphärentheorie“ das Risiko von Misslingensgründen zu tragen, die in seine Sphäre fallen und nicht offenbar zutage treten, sodass sie keine Warnpflicht auslösen ( Krejci in Rummel ABGB³ § 1168a Rz 19). Vor offenbaren Hindernissen muss aber der Unternehmer, bei dem entsprechende Sachkunde vorausgesetzt wird, warnen, andernfalls haftet er für die Verletzung einer werkvertraglichen Nebenpflicht.

Auch in den Fällen des § 1168a ABGB kann ein Mitverschulden des Werkbestellers oder ein solches seiner Gehilfen nach den Grundsätzen des § 1304 ABGB zur Teilung des Schadens führen (RIS‑Justiz RS0116075 [nur Werklohn]; 6 Ob 131/03z; 6 Ob 107/00d mwN). Die Mithaftung des Bestellers setzt eine ihm unmittelbar oder mittelbar zurechenbare Obliegenheitsverletzung voraus (vgl RIS-Justiz RS0116075; 1 Ob 52/10v). Bei Verletzung einer werkvertraglichen Warnpflicht kann eine Schadensteilung nicht schon damit begründet werden, dass die offenbaren Umstände, vor denen der Unternehmer zu warnen gehabt hätte, zur „Sphäre“ des Bestellers gehören.

3. Das Problem der geologischen Instabilität des Untergrundes, die in dem vom Kläger beigebrachten Bodengutachten beschrieben sind, und die dadurch hervorgerufenen massiven Setzungen des Gebäudes waren vor Beginn der streitgegenständlichen Sanierungsarbeiten nicht nur offensichtlich, sondern die Beherrschung dieser Zustände war gerade der Inhalt des mit der Beklagten als Spezialunternehmen geschlossenen Werkvertrags. Es war Sache der Beklagten, angesichts der Gegebenheiten die Durchführbarkeit der Sanierung zu beurteilen und vor erkennbaren Gefahren zu warnen. Soweit das beigebrachte Untergrundgutachten den Feinsandgehalt des Bodens, der für die Tragfähigkeit der Betonsäulen von Bedeutung war, nur grob annäherungsweise beschrieben hat, war es ebenfalls Sache der fachkundigen Beklagten, den Kläger auf das damit verbundene Risiko hinzuweisen und allenfalls auf weitere Untersuchungen zu dringen.

4. Soweit die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, im Untergrundgutachten der Nebenintervenientin würden Sanierungsmaßnahmen durch Bodeninjektionen grundsätzlich positiv beschrieben, entspricht dies nicht dem festgestellten Gutachtensinhalt. Darin wird die Methode zwar nicht als undurchführbar beschrieben, der Verfasser rät aber davon ausdrücklich wegen zu großen Aufwands ab, weil „ der Boden bis in Tiefen von 20 bis 23 m als breiig bis weich zu qualifizieren “ sei, und empfiehlt statt dessen „ als wirtschaftlichste Lösung (…) eine Vergrößerung der Gebäudeaufstandsfläche “ (Ersturteil S 12). Das Gutachten enthält auch keine Aussage über eine (Un-)gefährlichkeit der DSV-Methode für den vorgeschädigten Gebäudebestand.

5. Inwiefern der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, dass der Kläger der Beklagten nicht nachweislich auch eine von ihm eingeholte geotechnische Stellungnahme vom 16. 9. 2010 zur Verfügung gestellt hat, mit dem Schadenereignis im kausalen Zusammenhang stand, lässt sich aus den Feststellungen nicht nachvollziehen.

Diese Unterlage, die Setzungsmessungsergebnisse der Jahre 1993 bis 2010 enthielt, lag der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der Beklagten vor, die mit der Prüfstatik beauftragt worden war. Ob sie diese Unterlage an ihre Auftraggeberin weitergeleitet hat, steht zwar nicht fest, lag aber auch nicht im Einflussbereich des Klägers.

6. Dem Verantwortlichen der Beklagten war außerdem bekannt, dass allein ab 2008 am Haus des Klägers Setzungen von 7 bis 8 mm pro Jahr gemessen worden waren. Wäre es nach fachkundiger Ansicht der beklagten Spezialunternehmerin für ihre Planung und Ausführung von Bedeutung gewesen, Messergebnisse früherer Jahre zu kennen, hätte eine entsprechende Nachfrage zu ihren vertraglichen Sorgfaltsobliegenheiten gehört.

Es steht aber auch nicht fest, dass eine sichere Kenntnis der älteren Daten (rund 11 mm Setzung im Jahresschnitt seit 1993 im Unterschied zu 7 bis 8 mm seit 2008) nicht nur eine „Sensibilisierung“ der Beklagten, sondern konkrete Änderungen bei der Auftragsdurchführung zur Folge gehabt hätte.

7. Der Revision ist daher beizupflichten, dass der Sachverhalt keine Grundlage für eine eigene Obliegenheitsverletzung des Klägers bietet, die eine Schadensteilung im Sinn des § 1304 ABGB rechtfertigen könnte.

Dieses Ergebnis bedeutet auch nicht, dass das Baugrundrisiko zur Gänze auf die Beklagte überwälzt worden wäre. Ihre Schadenersatzpflicht umfasst nur die von ihr verursachten Sanierungskosten, aber nicht Sowiesokosten, die der Kläger für die Stabilisierung und Renovierung seines vorgeschädigten und von fortschreitenden Setzungen bedrohten Gebäudes jedenfalls aufwenden hätte müssen.

8. Der Revision war daher Folge zu geben und das Teilurteil des Berufungsgerichts wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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