OGH 15Os151/15t

OGH15Os151/15t9.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Adem Ö***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 31. August 2015, GZ 603 Hv 4/15m‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00151.15T.1209.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Adem Ö***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 11. April 2015 in Wien Lenka H***** zu töten versucht, indem er mit einem Messer in Richtung ihres Bauches einstach, wobei es beim Versuch blieb, weil sie ausweichen und das Messer mit der linken Hand abwehren konnte.

Die Geschworenen hatten die dem Schuldspruch zugrunde liegende (anklagekonforme) Hauptfrage bejaht und (demgemäß) die in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB gestellten Eventualfragen unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert unter Verweis auf einzelne Passagen der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung einerseits betreffend das Verhalten des Opfers längere Zeit vor der Tat und andererseits in Betreff seiner Reaktion nach dieser die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§§ 15, 76 StGB).

Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer die deutliche und bestimmte Bezeichnung einerseits der vermissten Fragen, andererseits jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines die begehrten Eventualfragen indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0117447; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23). Beruft sich der Angeklagte dabei auf seine eigene Verantwortung, darf der Nachweis der Nichtigkeit nicht auf Grundlage isoliert herausgegriffener Teile dieser geführt werden, sondern ist die Einlassung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen (vgl RIS‑Justiz RS0120766).

Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, vernachlässigt sie doch, dass der Angeklagte sowohl den Versuch eines Bauchstichs als auch den Tötungsvorsatz dezidiert in Abrede stellte (ON 39 S 4, 8, 13), sodass sie kein Sachverhaltssubstrat nennt, das indiziert, der Angeklagte habe sich (in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung) zu einer Tötungshandlung hinreißen lassen (vgl 15 Os 72/97).

Mit Tatsachenrüge (Z 10a) sind nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) bekämpfbar. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie sie die Schuldberufung im Einzelrichterverfahren einräumt ‑ wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583). Beschwerden, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem der Rechtsmittelwerber unter Hinweis auf die Alkoholisierung der Lenka H***** und das Fehlen von mit den von ihr geschilderten Gewalteinwirkungen übereinstimmenden sichtbaren Verletzungen ihre Glaubwürdigkeit als Zeugin ‑ insbesondere zum Thema der Zielrichtung des Messerstichs ‑ in Frage zu stellen versucht, vermag er keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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