OGH 1Ob211/15h

OGH1Ob211/15h24.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** S*****, vertreten durch die Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier und Mag. Manuel Vogler OG, Bischofshofen, gegen die beklagten Parteien 1. S***** P*****, und 2. T***** Z*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Hebenstreit, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 10.000 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 9. Juli 2015, GZ 53 R 40/15m‑13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 30. Dezember 2014, GZ 2 C 246/14h‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00211.15H.1124.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 818,65 EUR (darin 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen je zur Hälfte zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsvorgänger des Klägers im Liegenschaftseigentum am dienenden Gut verkaufte 1983 eine benachbarte Liegenschaft (herrschendes Gut) mit einem Kellerrohbau an Rechtsvorgänger der nunmehrigen Beklagten im Liegenschaftseigentum. Zum Zwecke der Wasserversorgung bestellte der Verkäufer im Kaufvertrag eine ‑ in der Folge verbücherte ‑ Dienstbarkeit, indem er den jeweiligen Eigentümern des Kaufgrundstücks das Recht einräumte, den bereits bestehenden Wasseranschluss sowie die Wasserleitung zu belassen und aus dem auf der Liegenschaft des Verkäufers befindlichen Wasserbassin unentgeltlich Wasser „für ein Einfamilienhaus“ zu beziehen. Das genannte Quellbassin dient aufgrund eines geteilten Wasserbezugsrechts sowohl dem Kläger als auch einem anderen Nachbarn zur Wasserversorgung ihrer Liegenschaften; von der Wasserversorgungsleitung des Klägers zweigt die Quellwasserleitung zur Liegenschaft der Beklagten ab. Die ursprünglichen Käufer errichteten auf der gekauften Liegenschaft ein Objekt mit einer Wohnfläche von ca 170 m 2 . Das Haus wird seit jeher nicht zur Befriedigung des Wohnbedarfs einer Familie verwendet, sondern zur Vermietung an Urlaubsgäste, denen insgesamt sechs Schlafzimmer mit Schlafmöglichkeiten für maximal insgesamt 15 Personen zur Verfügung stehen. Auch der Kläger hatte die „F*****hütte“ im Jahr 1998 von den damaligen Eigentümern in Bestand genommen und an Gäste, insbesondere an Gruppen, vermietet, und zwar zumindest zehn Jahre lang. Es war immer ausreichend Quellwasser für die Versorgung der Hütte vorhanden. Diese wurde damals ungefähr 30 bis 40 Wochen im Jahr von 6‑12 Gästen genutzt. Nach dem Erwerb durch einen anderen Eigentümer im Jahr 2013 war die Hütte mit bis zu 13 Personen belegt. Auch während dieser Zeit gab es keine Probleme mit der Quellwasserversorgung. Im Zeitraum von Jänner 2013 bis Juni 2013 kam es zu insgesamt 112 Nächtigungen in der Hütte. Im Sommer 2013 erwarben die nunmehrigen Beklagten die Liegenschaft. Sie hatten vorher in den seinerzeitigen Kaufvertrag Einsicht genommen und mit einem Notar Rücksprache gehalten, der die Auffassung vertrat, die Hütte sei als „Einfamilienhaus“ im Sinne der Dienstbarkeitsvereinbarung anzusehen. Die Beklagten begannen Ende 2013 mit der Vermietung. Im gesamten Jahr 2014 war mit insgesamt 900 Personennächtigungen zu rechnen. In diesem Jahr kam es zu gelegentlichen Problemen in der Wasserversorgung, wobei nicht festgestellt werden kann, was die Ursache für die gelegentliche Wasserknappheit war. An zwei Tagen teilten die Mieter der Hütte mit, dass kein Wasser vorhanden sei, obwohl die Hütte davor einige Tage nicht genutzt worden war. An zwei Tagen im Februar und März 2014 konnte der Kläger in seinem Objekt am Abend kein Wasser entnehmen; an insgesamt 4 Tagen war der Wasserdruck im Objekt des Klägers gering.

Mit seinem Hauptbegehren begehrte der Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, den Wasserbezug zu unterlassen, „sofern“ dieser über jenen eines Einfamilienhauses hinausgeht. Darüber hinaus wurden zwei Eventualbegehren gestellt, einerseits gerichtet auf die Unterlassung des Wasserbezugs durch Gäste im Rahmen des Beherbergungsbetriebs und andererseits auf Unterlassung eines Wasserbezugs, „sofern“ dieser über 500 Liter täglich hinausgeht. Die Liegenschaft werde von den Beklagten nicht im Sinne eines Einfamilienhauses verwendet. Insbesondere werde Wasser für bis zu 15 Personen entnommen. Eine kommerzielle Vermietung als Ferienhaus ginge über die für ein Einfamilienhaus eingeräumte Servitut hinaus. Die Beklagten hätten die Dienstbarkeit unzulässiger Weise ausgedehnt. Ob durchschnittlich weniger Personen anwesend seien als in einer normalen Familie sei nicht relevant. Bei voller Belegung der Hütte werde von den Gästen ein derart hoher Wasserbezug vorgenommen, dass dem Kläger für sein Haus und für die Landwirtschaft kein Wasser mehr zur Verfügung stünde. Der durchschnittliche Wasserverbrauch eines Einfamilienhauses von ungefähr 500 Liter täglich bzw 200 m 3 jährlich werde von Gästen der Beklagten laufend bei weitem überschritten.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, dass im seinerzeitigen Kaufvertrag auf das Gebäude und nicht auf dessen Nutzung abgestellt worden sei. Das errichtete Haus sei zweifellos ein Einfamilienhaus; es gebe einen einzigen Eingang und keinerlei getrennte Wohnbereiche. Die Hütte sei auch keineswegs ständig vermietet. Durchschnittlich befänden sich darin weniger Personen als bei einer normalen Familie. Auch der Kläger habe die Hütte zehn Jahre lang in genau der gleichen Art und Weise verwendet wie nun die Beklagten, und zwar mit Wissen und Wollen des damaligen Grundeigentümers. Die damaligen Liegenschaftseigentümer seien sich jahrelang darüber einig gewesen, dass das Haus vermietet und zu diesem Zweck Wasser bezogen werden dürfe.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Der Wasserbezug sei seit den 1980er Jahren in unveränderter Art und Weise sowie im selben Umfang erfolgt; auch der Kläger habe selbst die Hütte zu Vermietungszwecken derart genutzt. Das Recht, unentgeltlich Wasser für ein Einfamilienhaus zu beziehen, sei nicht auf eine bestimmte Anzahl der Personen im Objekt beschränkt worden. Darüber hinaus liege auch eine schlüssig zustande gekommene Grunddienstbarkeitsvereinbarung vor. Der Liegenschafts-eigentümer habe in Kenntnis der Nutzung des Objekts auf dem herrschenden Gut zu Vermietungszwecken dem dafür in Anspruch genommenen Wasserbezug nicht widersprochen, sodass die Nutzungsart ‑ unabhängig vom unbestimmten Begriff des Einfamilienhauses ‑ eine verbindliche Abänderung im Dienstbarkeitszweck erfahren habe. Somit liege eine unzulässige Ausdehnung der Dienstbarkeit oder eine unzulässige Nutzung des Grundstücks nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Grundsätzlich richte sich das Ausmaß der Dienstbarkeit, also der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse, nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten sei. Die Auslegung des Titels, die unter Berücksichtigung von Natur und Zweck der Dienstbarkeit bei deren Einräumung zu erfolgen habe, sei eine Frage des Einzelfalls. Für den Umfang einer eingeräumten Servitut sei zwischen gemessenen Dienstbarkeiten, deren Art und Ausmaß bereits bei Begründung durch den Titel unzweifelhaft festgelegt worden sei, und ungemessenen Servituten, die nicht in diesem Maße konkret bestimmt worden seien, zu unterscheiden. Werde das Maß und der Umfang der Servitut etwa dadurch bestimmt, dass er an die Bauweise des Bauwerks auf dem herrschenden Grundstück geknüpft wurde, so sei die Servitut insoweit gemessen. Für den konkreten Fall ergebe sich aus diesen Grundsätzen zunächst, dass die Dienstbarkeit nur insoweit gemessen sei, als auf den Wasserbezug für ein Einfamilienhaus abgestellt werde, ohne dass im Vertrag etwa eine konkrete Bezugsmenge festgelegt worden wäre. Damit erscheine zunächst ein Wasserbezug für einen der Vermietung an Gäste dienenden Betrieb aufgrund der ursprünglichen Vereinbarung nicht gedeckt. Es sei allerdings von einer konkludenten Änderung auszugehen, weil dem Kläger die Errichtung der Hütte zur Vermietung an Gäste unmittelbar nach ihrer Fertigstellung offenbar geworden sein müsse, er als Eigentümer der dienenden Liegenschaft die Wasserversorgung im Sinne der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung aufrechterhalten habe und schließlich sogar zehn Jahre selbst als Pächter die Vermietung an Gäste betrieben habe. Auch wenn der Kläger unmittelbar vor Ablauf der dreißigjährigen Ersitzungsfrist auf das Wasserbezugsrecht nur für ein Einfamilienhaus hingewiesen habe, ändere dies nichts daran, dass die Jahrzehnte dauernde vom Kläger gewährte Wasserversorgung für den Vermietungsbetrieb, der nach Einräumung der Dienstbarkeit von Anfang an verwirklicht worden sei, eine stillschweigende vertragliche Erweiterung der Dienstbarkeit bedeute. Damit liege eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit nicht vor. Die Revision sei zulässig, weil die Frage einer konkludenten Ausdehnung einer insoweit gemessenen Dienstbarkeit, als vertraglich lediglich der Wasserbezug für ein Einfamilienhaus vereinbart wurde, in der höchstgerichtlichen Judikatur bislang nicht behandelt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist zulässig, weil die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen für die Annahme einer konkludenten Einräumung bzw Erweiterung eines (dinglichen) Wasserbezugsrechts zur Versorgung eines Beherbergungsbetriebs auf der Liegenschaft der Beklagten nicht ausreichen. Sie ist allerdings nicht berechtigt.

Soweit das Berufungsgericht von einer späteren konkludenten Änderung des Servitutsumfangs bzw ‑zwecks ausgeht, weil dem Kläger die Errichtung der Hütte zur Vermietung an Gäste unmittelbar nach Fertigstellung offenbar geworden sein müsse und er als Eigentümer der dienenden Liegenschaft die Wasserversorgung aufrechterhalten habe, hat es offenbar übersehen, dass der Kläger bei Einräumung der Servitut noch nicht Eigentümer war und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er es unmittelbar darauf geworden wäre. (Nach den Eintragungen im Grundbuch erwarb der Kläger das Eigentum am dienenden Gut erst 2004.) Wann und durch wessen Verhalten es zu einer schlüssigen Festlegung des Servitutszwecks einer Wasserversorgung für ein Beherbergungsunternehmen gekommen sein sollte und aus welchen Gründen einer solchen Einigung dingliche Wirkung zukommen sollte, bleibt somit unklar; ebenso, auf welche Weise eine solche Berechtigung auf die Beklagten übergegangen wäre, sofern ein dingliches Recht nicht bestanden haben sollte.

Damit ist allerdings im Ergebnis für den Revisionswerber nichts gewonnen, hat doch schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Umfang und Zweck einer Dienstbarkeit in erster Linie aus dem die Servitut begründenden Titel ergibt (RIS‑Justiz RS0011720 zu § 484 ABGB), dessen Wortlaut hier feststeht. Richtig wurde auch auf jene Rechtsprechung (6 Ob 84/05d = RIS‑Justiz RS0105550 [T3]) hingewiesen, wonach das Maß und der Umfang der Servitut auch dadurch bestimmt werden kann, dass sie an die Bauweise eines Bauwerks auf dem herrschenden Grundstück geknüpft wird. Dann ist eine Erweiterung einer „so gemessenen“ Servitut unzulässig. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers sind die Grundsätze der zitierten Entscheidung durchaus auf den hier zu beurteilenden Fall übertragbar. Danach muss eine „gemessene“ Servitut nicht stets ihrem Umfang nach ganz exakt bestimmt sein, sondern kann sich das „Maß“ auch aus der Bezugnahme auf eine bestimmte Bauweise eines Bauwerks auf der herrschenden Liegenschaft ergeben, die dann die Grundlage für das Benutzungsrecht des Servitutsberechtigten bildet. Wurde im seinerzeit entschiedenen Fall nur ein solches Verkehrsausmaß auf einem Servitutsweg als zulässig angesehen, das auch bei Einhaltung der vorgesehenen Bebauungsdichte zu erwarten gewesen wäre, so kann die im vorliegenden Fall zu beurteilende Bezugnahme auf ein „Einfamilienhaus“ vernünftigerweise so verstanden werden, dass den Eigentümern der herrschenden Liegenschaft ‑ unabhängig von der tatsächlichen Verwendung des errichteten Gebäudes ‑ der Wasserbezug in dem Umfang zustehen solle, wie er für die Versorgung eines von einer Familie bewohnten Hauses erforderlich ist. Wird dieses Maß nicht überschritten, kann von einer unzulässigen Ausdehnung der Servitut keine Rede sein.

Da der Revisionswerber in seiner Rechtsrüge weder das Fehlen von Feststellungen moniert, noch auf konkrete Tatsachenbehauptungen aus dem Verfahren erster Instanz zurückkommt, hat die rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht auf der Basis der (unbekämpften) Feststellungen des Erstgerichts zu erfolgen. Danach fanden etwa im Zeitraum von Jänner bis Juni 2013 112 Nächtigungen statt, im gesamten Jahr 2014 900. Dies überschreitet keineswegs das Ausmaß der Nutzung eines zu Wohnzwecken von einer vierköpfigen Familie benutzten „Einfamilienhauses“. Bei vernünftiger objektiver Auslegung des der Dienstbarkeit zugrunde liegenden Titels, auf die sich die Erwerber der Liegenschaft unabhängig von allenfalls abweichenden subjektiven Vorstellungen der seinerzeitigen Vertragspartner berufen können, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die den Eigentümern des herrschenden Guts zur regelmäßigen Versorgung einer Familie zustehende Wassermenge nicht auch anderen Bewohnern des auf der Liegenschaft errichteten Gebäudes zugute kommen dürfte. Dafür, dass dieses Maß in einer ins Gewicht fallenden Weise überschritten würde, gibt es im festgestellten Sachverhalt keine Hinweise.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.

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