OGH 5Ob206/15b

OGH5Ob206/15b23.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft M*****, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Ing. Helmut Z*****, vertreten durch Mag. Bernhard Heim, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 7.751,29 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 22. Juli 2015, GZ 22 R 215/15v‑16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 19. Mai 2015, GZ 32 C 1081/14i‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00206.15B.1123.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur rechtlichen Qualifikation einer „Sonderumlage“ und zu der Frage vorliege, ob eine vom Verwalter im Rahmen der ordentlichen Verwaltung vorgenommene Vorschreibung einer Sonderumlage durch nachträgliche Weisung der Mehrheit der Wohnungseigentümer oder durch Mehrheitsbeschluss außer Kraft gesetzt werden könne.

Die Revision des Beklagten ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Ende 2011 beschloss die Mehrheit der Wohnungseigentümer mit Umlaufbeschluss die aufgrund eines TÜV‑Evaluierungsberichts notwendige Kompletterneuerung der Aufzugsanlage. Die Finanzierung durch Förderungsdarlehen und Verpfändung der Rücklage als Sicherstellung wurde mehrheitlich abgelehnt. Die im Jahr 2014 erfolgte Errichtung der Aufzugsanlage wurde zu 20.000 EUR aus dem Instandhaltungsfond und zu 30.500 EUR durch eine „Sonderumlage“ finanziert, die der Hausverwalter den Wohnungseigentümern ‑ so auch dem Beklagten ‑ im Jänner 2014 anteilig vorgeschrieben hatte. Die Vorschreibung einer Sonderumlage war Thema der Eigentümerversammlung vom August 2012, nicht aber Inhalt eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft gewesen.

Im Mai 2014 wiesen der Beklagte und ein weiterer Wohnungseigentümer den Hausverwalter schriftlich an, die Kosten für die Erneuerung des Lifts und die bautechnischen Maßnahmen aus dem Instandhaltungsfond zu bezahlen. Sie wiesen darauf hin, dass sie gemeinsam mehr als 50 % der Anteile auf sich vereinten. Der Beklagte hängte dieses Schreiben samt Rechtsmittelbelehrung im Hausanschlagskasten auf. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Hinweis, dass der Anschlag der Beschlussbekanntgabe am 13. 5. 2014 erfolgt sei und dass die Frist zur Anfechtung am 16. 6. 2014 ende.

Nach Judikatur und Lehre soll die in § 31 Abs 1 WEG 2002 vorgeschriebene Bildung der Rücklage einen Haftungsfond oder eine Liquiditätsreserve mit ausreichenden Mitteln schaffen, um nicht nur alltägliche Ausgaben, sondern vornehmlich größere (un‑ oder vorhersehbare) Investitionen finanzieren zu können (5 Ob 171/09x; 5 Ob 49/10g; 5 Ob 144/15k, E. M.   Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 § 31 WEG Rz 16 f). Die Verwendung der Rücklage ist somit für alle Arten von Liegenschaftsaufwendungen jedenfalls gedeckt (RIS‑Justiz RS0108664 [T8]).

Obwohl der Zweck der Rücklage nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorsorge für künftige Aufwendung liegt, nimmt der Oberste Gerichtshof eine Leistung in die Rücklage auch bei Bevorschussung eines bereits bestimmten Erhaltungsaufwands an (5 Ob 187/12d; 5 Ob 144/15k mwN; E. M. Hausmann aaO Rz 17). Die den Wohnungseigentümern anteilig vorgeschriebene „Sonderumlage“, die eine in der Eigentümerversammlung mehrheitlich beschlossene Neuerrichtung der Aufzugsanlage zum Teil finanzieren sollte, stellte einen Beitrag zur Rücklage dar.

Die Kompetenz des Verwalters zur Festsetzung der Höhe dieser „Sonderumlage“ bestand so lange, als ihm die Mehrheit der Wohnungseigentümer durch Beschluss in einer Eigentümerversammlung oder im Umlaufweg keine gegenteilige Weisung erteilt hat (5 Ob 197/10x; RIS‑Justiz RS0103218 [T2, T4]; 6 Ob 3/14f; E.M. Hausmann aaO § 20 WEG Rz 17 mwN).

Die Weisung, welche der Beklagte und ein weiterer Wohnungseigentümer als (gemeinsam) Mehrheitseigentümer in Form eines im Haus angeschlagenen Schreibens erteilten, ist jedoch keine Willensbildung der Eigentümergemeinschaft durch Beschluss. Auch ein schriftlicher Umlaufbeschluss (etwa in Form einer Unterschriftenliste) kommt erst dann wirksam zustande, wenn allen Wohnungseigentümern zuvor ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird, und zwar auch jenen mit einer voraussichtlich als Minderheit chancenlosen Gegenposition (RIS‑Justiz RS0108769 [T7, T10]). Einzelnen Wohnungseigentümern soll nicht der Eindruck ermittelt werden, sie könnten die Beschlussfassung ohnehin nicht mehr verhindern und der Versuch einer argumentativen Gegenwehr lohne sich gar nicht (RIS‑Justiz RS0108769 [T10]).

Die Einhaltung des für das wirksame Zustandekommen eines Umlaufbeschlusses notwendigen Prozedere wird weder behauptet, noch ergibt sie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei zur Zahlung der „Sonderumlage“ verpflichtet, entspricht den Kriterien, die in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs bereits dargelegt wurden. Andere erhebliche Rechtsfragen werden in der Revision nicht aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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