European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00097.15V.1117.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Verantwortlichkeit zu 2./, demzufolge auch in den Aussprüchen einer Verbandsgeldbuße und des Verfalls eines Geldbetrags von 4.500 Euro aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der belangte Verband auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die politische Partei I***** gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und Abs 2 VbVG für den Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (1./) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (2./) zu unterstellende Taten verantwortlich erkannt.
Danach hat Alexander O*****
1./ von Anfang Juli 2014 bis 2. März 2015 (richtig [US 8 f und 42]:) als Entscheidungsträger der politischen Partei I***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, „nämlich in Bezug auf zumindest 25 Grenzmengen“ anderen angeboten, indem er auf der von ihm eingerichteten und betriebenen Homepage www.*****.at zirka 2.000 Personen die Überlassung von jeweils zumindest fünf Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 5 % Delta‑9‑THC gegen Vorauszahlung einer „Crowdfundingeinlage“ von 25 Euro offerierte, wobei die Tat zugunsten des Verbands begangen wurde, „weil Alexander O***** als deren Geschäftsführer und Dr. Heinrich S***** als deren außerordentlicher Geschäftsführer, sohin als organschaftliche Vertreter der politischen Partei 'I*****' Crowdfundingeinlagen der Suchtgiftabnehmer in Höhe von 5.356,51 Euro auf dem Parteikonto vereinnahmten“;
2./ im September 2014 mit dem Vorsatz, „sich oder einen Dritten, nämlich die politische Partei 'I*****' durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern“, Peter Sc***** durch die (zu ergänzen [US 32]) wahrheitswidrige Behauptung, der von ihm als Obmann vertretene Verein „T*****“ benötige weiteres Geld für den Ankauf einer Liegenschaft samt Gebäude in R***** für soziale Zwecke, zur Übergabe eines Bargeldbetrags von 100.000 Euro, somit zu einer Handlung verleitet, die Peter Sc***** in diesem Betrag am Vermögen schädigte, wobei die Tat zugunsten des Verbands begangen wurde, weil Alexander O***** als Geschäftsführer, „sohin organschaftlicher Vertreter der politischen Partei 'I*****' durch die betrügerische Handlung erlangte Geldmittel in Höhe von zumindest 4.500 Euro für Zwecke des von der politischen Partei 'I*****' betriebenen Projekts '*****' verwendet hat“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbands, der keine Berechtigung zukommt.
Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Feststellungen zu den Funktionen des Alexander O***** und des Dr. Heinrich S***** in der politischen Partei I***** ohne Verstoß gegen die Gesetze der Logik und Empirie (RIS‑Justiz RS0118317) auf die Verantwortung der Genannten gestützt (US 42 f).
Dass die I***** trotz Hinterlegung einer Satzung beim Bundesministerium für Inneres gemäß § 1 Abs 4 ParteienG 2012 (US 41) - wodurch eine politische Partei Rechtspersönlichkeit erlangt - kein Verband im Sinn des § 1 Abs 2 VbVG sei (s auch EBRV 994 BlgNR 22. GP 16; Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 1 Rz 9), leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ebenso wenig methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565) wie die Behauptung, der Ausspruch einer Verantwortlichkeit des belangten Verbands bedürfe - entgegen dem Wortlaut der §§ 3 und 22 VbVG ‑ der rechtskräftigen Verurteilung des Alexander O***** und des Dr. Heinrich S***** (vgl Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 3 Rz 23).
Die von der Rechtsrüge vermissten Feststellungen zu den Funktionen dieser beiden Personen befinden sich auf US 42 (RIS‑Justiz RS0099775). Dass Alexander O***** als Geschäftsführer und Dr. Heinrich S***** als außerordentlicher Geschäftsführer der politischen Partei I***** trotz ihrer Stellung als „Außenvertretungsberechtigte“ (vgl US 41) „nicht notwendigerweise Entscheidungsträger“ sein müssen, wird ‑ erneut ohne methodengerechte Ableitung (vgl jedoch § 2 Abs 1 Z 1 VbVG) ‑ bloß behauptet. Indem die Beschwerde in diesem Zusammenhang schließlich unsubstanziiert und unter Vernachlässigung der Urteilskonstatierungen einwendet, die Genannten wären „in den hinterlegten Satzungen nicht als Vorstand oder Exekutivorgan ausgewiesen“ und es würden „auch sonst keine Unterlagen“ vorliegen, „die ihre satzungsgemäße Bestellung als Organ belegen würden“, sodass die Feststellungen „für die Begründung der Verantwortlichkeit des Verbands nicht ausreichend“ seien, wird der in Anspruch genommene materielle Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Urteil im Ausspruch der Verantwortlichkeit zu 2./ nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zum Nachteil des belangten Verbands anhaftet:
Die Verantwortlichkeit eines Verbands für eine Straftat setzt nach § 3 VbVG voraus, dass die Tat zum einen zu seinen Gunsten begangen worden ist (Abs 1 Z 1) oder durch sie Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen (Abs 1 Z 2), zum anderen dass sie ein Entscheidungsträger als solcher rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (Abs 2) oder dass ein Mitarbeiter den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Strafnorm rechtswidrig verwirklicht hat und die Tatbegehung durch eine Sorgfaltsverletzung von Entscheidungsträgern ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde (Abs 3).
Eine Straftat wurde - soweit im gegenständlichen Fall relevant ‑ jedenfalls dann zu Gunsten des Verbands begangen (§ 3 Abs 1 Z 1 VbVG), wenn dieser durch die Tat bereichert wurde, sich einen Aufwand erspart hat, sonst einen (selbst bloß mittelbaren) wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat oder einer dieser Erfolge eintreten hätte sollen (vgl EBRV 994 BlgNR 22. GP 22; Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 3 Rz 8 ff).
Der nach § 3 Abs 1 VbVG geforderte Zusammenhang zwischen einer Straftat und einem Verband ist zwar eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Verbandsverantwortlichkeit. Denn die Tat muss zusätzlich von einer Person in ihrer Eigenschaft als Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 VbVG) oder Mitarbeiter (§ 2 Abs 2 VbVG) des belangten Verbands begangen werden.
Im ‑ hier maßgeblichen ‑ Fall des § 3 Abs 2 VbVG soll mit den Worten „als solcher“ zum Ausdruck gebracht werden, dass von der „Straftat eines Entscheidungsträgers“ nur dann gesprochen werden kann, wenn der Entscheidungsträger die Tat in Ausübung seiner (in § 2 Abs 1 VbVG umschriebenen) Funktion begangen hat. Straftaten, die ein Entscheidungsträger ohne Bezug zu seiner Stellung im Verband begeht, können zwar keine Verbandsverantwortlichkeit nach § 3 Abs 2 VbVG begründen, nimmt der Entscheidungsträger aber ausnahmsweise typische Mitarbeiteraufgaben wahr, wäre sein Handeln allenfalls nach § 3 Abs 3 VbVG zu beurteilen (vgl EBRV 994 BlgNR 22. GP 22; Hilf/Zeder in WK2 VbVG § 3 Rz 29).
Nach den Urteilskonstatierungen zu 2./ (US 30 ff) erzählte Alexander O***** seinem Bekannten Peter Sc***** von dem ‑ von ihm und Dr. Heinrich S***** im Herbst 2013 gegründeten ‑ Verein „T*****“ und dessen Projekt zum Kauf eines Grundstücks samt Rohbau. Nachdem Peter Sc***** dafür bereits im August 2014 Alexander O***** einen Betrag von 50.000 Euro übergeben hatte, erzählte letzterer im September 2014 diesem wahrheitswidrig, dass der Ankauf der Immobilie unmittelbar bevorstehe, dafür aber noch weitere 100.000 Euro benötigt würden. „Wiederum vertraute Peter Sc*****, der sein Geld für einen guten Zweck hergeben wollte, den Angaben des Alexander O*****“ und übergab ihm das Geld. Tatsächlich täuschte dieser die Betreibung des Projekts lediglich vor, „um erneut zu einer erheblichen Menge Bargeld zu kommen und mit diesem Geld seine Vergnügungen fortzusetzen und andere Ausgaben zu tätigen, die mit dem Zweck des Vereins 'T*****' nichts zu tun haben“.
Das Erstgericht stellte weiters fest, der politischen Partei I***** sei ein Geldbetrag von 4.500 Euro „für die Herstellung und Versendung von Berechtigungskarten im Rahmen des von ihr betriebenen Projekts '*****'“ zugeflossen, der „aus der von Peter Sc***** betrügerisch erlangten Geldzuwendung in Höhe von 100.000 Euro“ stamme und den Alexander O***** „in seiner Funktion als Geschäftsführer der politischen Partei I***** für Aufwendungen der Partei im Zuge des Projekts '*****' verwendet“ habe (US 43).
Dass Alexander O***** (schon) die Tat in seiner Eigenschaft als Entscheidungsträger (auch) des gegenständlich belangten Verbands begangen hat, bringen die Feststellungen damit aber nicht zum Ausdruck.
Dieser Rechtsfehler infolge Fehlens von Feststellungen war von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) und erforderte die Aufhebung des Ausspruchs der Verantwortlichkeit zu 2./, demzufolge auch die Kassation der Aussprüche einer Verbandsgeldbuße und des Verfalls nach § 20 Abs 3 StGB (§ 12 Abs 1 VbVG) eines Geldbetrags von 4.500 Euro. In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen.
Mit seiner Berufung war der belangte Verband auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO und erstreckt sich nicht auf das amtswegige Vorgehen ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12).
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