OGH 4Ob186/15d

OGH4Ob186/15d17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** C*****, vertreten durch Pepelnik & Karl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Seiersberg, wegen 5.200 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Juli 2015, GZ 3 R 91/15x‑16, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 17. April 2015, GZ 257 C 812/14d‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00186.15D.1117.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei, die beklagte Partei zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung zu verpflichten, wird abgewiesen.

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des Entgelts für eine Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung, weil die vereinbarte (und zum Großteil nicht in Anspruch genommene) Ausbildung nicht den Regelungen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) und der Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildungsverordnung (GuK‑AV) entsprochen habe.

Die Vorinstanzen folgten der Argumentation der Klägerin und gaben dem Klagebegehren statt. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist ungeachtet ihrer den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassung durch das Berufungsgericht nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn sie ihrer Argumentation zugrunde legt, die Parteien hätten einen Vertrag über eine ‑ für Pflegehelferinnen gegenüber der sonst dreijährigen Ausbildung verkürzte ‑ zweijährige Ausbildung nach § 44 GuKG geschlossen. Zwar ist richtig, dass die Beklagte eine solche Rechnung gelegt hat; der Vertrag bezog sich allerdings nach den insofern eindeutigen Feststellungen des Erstgerichts nur auf das zweite Jahr dieser Ausbildung. Das erste Jahr, bei dem es sich in der Sache um das zweite Ausbildungsjahr der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung handelt (§ 54 Abs 1 GuK‑AV), war vom Vertrag nicht erfasst. Vielmehr sollte die Klägerin, die bereits erfolglos eine andere Krankenpflegeschule besucht hatte, insofern drei Wiederholungsprüfungen ablegen und dann gleich mit dem zweiten Jahr (in der Sache also mit dem dritten Jahr der allgemeinen Ausbildung) beginnen.

2. Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass § 32 Abs 3 GuK-AV eine solche Vorgangsweise ausschließe, weil danach im Fall dreier negativer Beurteilungen - wenn überhaupt ‑ nur eine Wiederholung des betreffenden Ausbildungsjahres, nicht aber ein Aufsteigen mit Wiederholungsprüfungen möglich sei. Dies müsse auch bei einem Schulwechsel gelten. Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass aus § 60 GuKG, wonach „erfolgreich absolvierte“ Prüfungen und Praktika einer „Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf“ bei Gleichwertigkeit auf eine Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung anzurechnen seien, Gegenteiliges abgeleitet werden könnte.

3. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in diesem Punkt allerdings nicht vor.

3.1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Frage ist eine solche des Verwaltungsrechts. Zur Fällung grundlegender Entscheidungen in diesem Rechtsgebiet ist der Oberste Gerichtshof aber mangels diesbezüglicher Leitfunktion (RIS‑Justiz RS0116438) nicht berufen (RIS‑Justiz RS0113455 [T3]), sodass die Auslegung verwaltungsrechtlicher Normen auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen kann, solange den Vorinstanzen keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist (vgl zuletzt etwa 6 Ob 236/09p, 10 ObS 188/13i).

3.2. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die eindeutige Regelung des § 32 Abs 3 GuK‑AV nicht durch einen Schulwechsel umgangen werden könne, ist jedenfalls vertretbar. Dem Verordnungsgeber kann nicht unterstellt werden, dass er die Wiederholung eines Ausbildungsjahres wegen dreier negativer Beurteilungen zwar bei einem Verbleiben an der bisherigen Schule als notwendig ansieht, nicht aber bei einem Wechsel an eine andere Schule. Sachliche Gründe für eine solche Differenzierung sind nicht zu erkennen.

3.3. § 60 Abs 1 Z 1 GuKG bezieht sich, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, auf die Anrechnung von gleichwertigen Prüfungen und Praktika aus der Ausbildung zu einem anderen Gesundheitsberuf (EB zur RV, 71 BlgNR 22. GP 24: „Möglichkeit, Prüfungen verwandter österreichischer Ausbildungen auf die Krankenpflegeausbildung anzurechnen“ [Hervorhebung durch den Senat]). Selbst wenn man aber diese Bestimmung auch auf die Anrechnung von Praktika oder Prüfungen einer abgebrochenen Krankenpflegeausbildung anwenden wollte, ist es jedenfalls vertretbar, § 32 Abs 3 GuK‑AV als speziellere Regelung anzusehen, die den Begriff der „Gleichwertigkeit“ für diesen Fall konkretisiert: Prüfungen und Praktika, die trotz erfolgreicher Absolvierung im Zuge einer nach § 32 Abs 3 GuK-AV erforderlichen Wiederholung des Ausbildungsjahres erneut abgelegt werden müssten, verlieren dadurch ihren Wert für die weitere Ausbildung und können daher auch nicht mehr als „gleichwertig“ iSv § 60 Abs 1 GuKG angesehen werden. Auch § 60 GuKG kann daher die Vorgangsweise der Beklagten nicht rechtfertigen.

4. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

5. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Ein Kostenersatz findet daher nicht statt (RIS‑Justiz RS0035962).

Stichworte