OGH 14Os101/15g

OGH14Os101/15g17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Hartely S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. Juni 2015, GZ 9 Hv 71/15k‑38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00101.15G.1117.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch von einem Betrugsvorwurf enthält (US 2), wurde Hartely S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 1. Juni 2009 und 26. Februar 2015 in G***** gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz E***** R***** in vielfachen Angriffen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, schwer krank zu sein, mehrere Organtransplantationen im In‑ und Ausland zu benötigen, Begräbniskosten für Angehörige bezahlen zu müssen, die Wegnahme seines Hauses in Nigeria abwenden zu wollen, in Wien beraubt worden zu sein, Zahlungen an eine Versicherung leisten zu müssen, sowie die Vorgabe sonstiger finanzieller Notlagen, zu Handlungen, nämlich der mehrfachen Übergabe von Geldbeträgen von jeweils bis zu 19.000 Euro verleitet, die die Genannte in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 994.900 Euro am Vermögen schädigten sowie hinsichtlich eines weiteren Betrags von 19.000 Euro zu verleiten versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung einer Reihe von Beweisanträgen Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert.

Das Begehren auf Einholung eines „graphologischen Gutachtens“ sowie auf Durchführung einer „kriminaltechnischen Untersuchung“ betreffend die Tagebücher der Zeugin E***** R***** „zum Beweis dafür, dass die Eintragungen teilweise zu einem späteren Zeitpunkt gemacht wurden“ (ON 37 S 15), ließ die Relevanz für die Lösung der Schuldfrage nicht erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0118444). Die erstmals im Rechtsmittel vorgetragene Argumentation, diese Aufzeichnungen stimmten hinsichtlich der Bargeldbeträge nicht mit den Angaben der Zeugin überein, muss schon mit Blick auf das aus dem Wesen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes folgende Neuerungsverbot auf sich beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

Das für die Vernehmung des „Ehegatten der Zeugin E***** R*****“ angeführte Beweisthema, dass durch die „Entnahme von Geld vom gemeinsamen Konto ein Erklärungsbedarf der Zeugin bestand“ (ON 37 S 16 f), stellt die inkriminierten Geldübergaben an den Angeklagten gar nicht in Frage und betrifft daher keinen schulderheblichen Umstand.

Gleiches gilt für die begehrte Vernehmung des Telly O*****, soweit dieser Zeuge zum Beweis dafür nominiert wurde, „dass die Zeugin auch andere Spendenempfänger hatte“ (ON 37 S 15). Weshalb der genannte Zeuge darüber hätte berichten können, dass „die angeführten Beträge nicht ausschließlich dem Angeklagten“ zukamen, ließ der weitere Antrag offen, sodass er insoweit als unzulässiger Erkundungsbeweis zu Recht abgewiesen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0099453).

Dementsprechend unterblieb auch die Vernehmung der Zeugen Brown‑Ugo F*****, Solomon I***** und Philip N***** zu Recht, weil der Antragsteller nicht bekannt gab, inwieweit diese Personen Auskunft zum angegebenen Beweisthema, wonach er „erst 2010 im Sommer wieder nach Österreich“ zurückgekehrt sei und er „seit 2010 niemals über höhere Geldbeträge“ (ON 37 S 18) verfügt habe, hätten geben können.

Neuerlich ohne Relevanz für die Schuldfrage blieb der Antrag auf Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. B***** (ON 37 S 15) im Hinblick auf ein von diesem für den Angeklagten im Jahr 2010 beantragtes „humanitäres Visum“. Insoweit blieb offen, weshalb ein solches Beweisergebnis relevante Schlussfolgerungen auf den tatsächlichen Aufenthalt des Angeklagten im Tatzeitraum zugelassen hätte.

Abermals Gegenstand unzulässiger Erkundungsbeweisführung war das mit der Behauptung einer Personsverwechslung verknüpfte Begehren auf „Beischaffung der polizeilichen Erhebungen über jenen Angriff auf Peter Os***** in Wien, von dem die Zeugin E***** R***** berichtete“ (ON 37 S 16). Zu einer Begründung, weshalb die begehrten Aufklärungen das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen, wäre der Antragsteller aber angesichts der erfolglos gebliebenen polizeilichen Nachforschungen zu der genannten Person (ON 2 S 91, ON 22) verpflichtet gewesen.

Der weiteren, den (wesensmäßig verschiedenen) Anfechtungsgegenstand von Mängelrüge (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) vermengenden Beschwerde ist voranzustellen, dass es der Mängelrüge um die gesetzlichen Grenzen, einschließlich des Missbrauchs von Beweiswürdigungsfreiheit (Willkürverbot) geht. Demgegenüber zielt die Tatsachenrüge (Z 5a) ‑ von ihrer Eigenschaft als Aufklärungsrüge abgesehen ‑ auf eine Bewertung deren Gebrauchs innerhalb der von Z 5 des § 281 Abs 1 StPO definierten formalen Grenzen und solcherart auf einen eigenständigen Ausspruch des Obersten Gerichtshofs nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter, in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweismittel (RIS‑Justiz RS0116733). Soweit das Rechtsmittel (nominell aus Z 5) „erhebliche Bedenken“ geltend macht, spricht es demnach § 281 Abs 1 Z 5a StPO an.

Die Rüge (Z 5 vierter Fall) geht mit der Behauptung einer „willkürlichen Festlegung“ des Tatzeitraums aufgrund fehlender Beweisergebnisse für die Annahme einer „Anwesenheit des Angeklagten“ daran vorbei, dass sich der Schöffensenat insoweit auf die Festnahme des Angeklagten am 26. Februar 2015 (US 4), die Angaben des Angeklagten hinsichtlich des Erhalts geringer Geldbeträge von E***** R***** (US 5) und die ‑ als glaubwürdig erachteten ‑ Depositionen dieser Zeugin (US 6) stützte. Dies ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Zum Einwand, die „Zeitpunkte“ der dem Angeklagten zur Last gelegten betrügerischen Handlungen seien nicht nachvollziehbar, bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die vorliegende Zusammenfassung gleichartiger, nur pauschal individualisierter Taten keinen Begründungsmangel bewirkt (RIS‑Justiz RS0116736).

Dass das Erstgericht die Höhe des Vermögensschadens auf die Aussage des Tatopfers stützte, stellt ebenfalls kein Begründungsdefizit dar.

Die Tatsachenrüge (Z 5a, nominell Z 5) weckt mit pauschaler Kritik an den Urteilsannahmen betreffend den Tatzeitraum sowie mit der Behauptung, auf Mitgefühl beruhende Zuwendungen an einen Asylwerber seien in der dem Angeklagten angelasteten exorbitanten Höhe nicht erklärbar und auch nicht mit dem von ihm gefristeten „armseligen Asylantendasein“ in Einklang zu bringen, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Weshalb fehlender Besitz von Reisedokumenten die Annahme, wonach der Angeklagte der Zeugin E***** R***** existentiell notwendige Auslandsfahrten vorspiegelte (US 3 f), in Frage stellen soll, bleibt unerfindlich.

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (Z 5a) unterbliebene amtswegige Einholung eines Sachverständigen‑ und Glaubwürdigkeits-gutachtens moniert, legt er nicht dar, wodurch er an diesbezüglicher Beweisantragstellung gehindert war (RIS‑Justiz RS0114036). Der Umstand, dass der Angeklagte selbst davon ausgegangen sei, das Gericht würde den Angaben der Belastungszeugin nicht folgen, stellt einen solchen Hinderungsgrund nicht her. Im Übrigen fehlt dem Ansatz, das Schöffengericht sei verpflichtet gewesen, den Angeklagten hinsichtlich einer von seiner Einlassung abweichenden Einschätzung der Beweislage aufzuklären, die Grundlage im Prozessrecht (vgl §§ 257, 258 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO; zur Stellungnahme der Generalprokuratur vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0115811).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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