European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00108.15M.1117.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ignjacije B***** ‑ anklagedifform - des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 3 und Abs 4 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** in der Absicht, sich durch wiederkehrende Hehlerei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, den nicht mehr ausforschbaren Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen, welche aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Strafe bedroht ist, die fünf Jahre übersteigt, nach den Taten dabei unterstützt, die dadurch erlangten Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert zu verheimlichen und zu verwerten, indem er die Beute aus im Urteil detailliert beschriebenen sechs (von 14. September 2011 bis 13. November 2013 begangenen) Einbruchsdiebstählen (nämlich Maschinen und Werkzeug, ein Navigationsgerät, einen Außenbordmotor, zwei Elektrofahrräder, drei Autositzbänke, ein Autoradio und andere Wertgegenstände) in seinem Fahrzeug beförderte, in seiner Wohnung und seinem Keller verwahrte und über Internet Dritten zum Kauf anbot, wobei er die Umstände kannte, die die angesprochene Strafdrohung begründeten.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.
Sie zeigt aus Z 8 zutreffend einen Verstoß gegen das strafprozessuale Überraschungsverbot (§ 262 StPO) auf.
Die Staatsanwaltschaft legte dem Beschwerdeführer ‑ nachdem die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien mit Urteil vom 15. Oktober 2013 gemäß § 488 Abs 3 StPO ihre Unzuständigkeit ausgesprochen hatte, weil die dem (damaligen) Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 24. Juli 2013 (ON 29) wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 3 StGB zugrunde liegenden Tatsachen in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen eine zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörige strafbare Handlung (§§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 3, 130 vierter Fall) begründen würden (ON 42) ‑ mit Anklageschrift vom 26. November 2013 (ON 45) sowie mit jener vom 16. April 2014 (ON 8 in ON 65) dem Verbrechen des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 3, 130 vierter Fall StGB subsumierte Verhaltensweisen zur Last.
Mit dem angefochtenen Urteil wurde er ‑ wenngleich ohne Abgehen von dem der Anklage (als Gesamtheit) zugrunde liegenden Sachverhalt, also dem Prozessgegenstand (der Tat im prozessualen Sinn; vgl dazu RIS‑Justiz RS0125612; zum Ganzen Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 502 ff) ‑ wegen einer gegenüber der Anklage anderen Tat im materiellen Sinn (nämlich ‑ wie oben dargelegt ‑ wegen Hehlerei statt Diebstahl, deren äußere Tatseiten sich nicht überdecken) schuldig erkannt, ohne vorher über den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt gehört worden zu sein.
Das Unterbleiben einer dem Schutzzweck des § 262 StPO entsprechenden Information, um dem Angeklagten ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu schaffen, begründet nach ‑ seit 14 Os 34/00; EvBl 2000/221, 909 ‑ ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit Blick auf Art 6 MRK Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 8 StPO, ohne dass es hier übrigens eines Vorbringens des Beschwerdeführers zur Plausibilität des Erfordernisses einer geänderten Verteidigungslinie bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0113755; zum Ganzen Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 542 ff).
Bleibt anzumerken, dass die Äußerung des Verteidigers in der ‑ dem oben angesprochenen Unzuständigkeitsurteil vorangegangenen ‑ Hauptverhandlung, nach den bis dahin vorgekommenen Beweisergebnissen sei „allenfalls ein eingeschränkter Tatverdacht hinsichtlich einer Hehlerei anzunehmen“ (ON 41 S 41), daran nichts ändert, weil Bezugspunkt der Verteidigung in der Hauptverhandlung immer nur der von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklagevorwurf sein kann (11 Os 65/08f).
Das aufgezeigte Belehrungsdefizit
macht die Aufhebung des Urteils bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht erforderlich (neuerlich 14 Os 34/00 ua). Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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