OGH 4Ob207/15t

OGH4Ob207/15t17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rotes Kreuz Tirol gemeinnützige Rettungsdienst GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz, Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. September 2015, GZ 2 R 131/15d‑8, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 6. August 2015, GZ 69 Cg 119/15x‑3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00207.15T.1117.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Partei (Geschäftszweig: Erbringung von Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes) wurde nach einem vom Bundesland Tirol für das öffentliche Rettungswesen („Rettungsdienst Tirol“) durchgeführten Vergabeverfahren von jener Bietergemeinschaft gegründet, an die der Zuschlag erging. Zusammen mit ihren Subunternehmern erbringt die klagende Partei seither den öffentlichen Rettungsdienst im Land Tirol.

Die beklagte Partei bietet in Tirol Dienstleistungen im Sicherheits‑ und Detektivbereich an und verfügt unter anderem auch über eine Konzession für Rettungs‑ und Krankentransporte. Auf ihrer Website bot sie auch Dienstleistungen im Rettungswesen an. Sie könne für Veranstaltungen „im Dienstleistungsbündel“ neben dem Security‑Personal auch Rettungsfahrzeuge, Sanitäter und Notärzte zur Verfügung stellen.

Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs beantragte die klagende Partei, der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Erbringung von Leistungen des Rettungsdienstes anzubieten und durchzuführen, sofern sie nicht über einen schriftlichen Vertrag im Sinne der §§ 3 und 4 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 (TRG 2009) verfüge. Bei der Leistung des Rettungsdienstes handle es sich um eine öffentliche, staatlich sicherzustellende Dienstleistung. Dem Land Tirol bleibe es vorbehalten, den öffentlichen Rettungsdienst an Dritte zu vergeben. Mangels eines entsprechenden Vertrags mit dem Land Tirol nach §§ 3 und 4 TRG 2009 sei die Erbringung von Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes durch die beklagte Partei rechtswidrig und daher unlauter im Sinne des § 1 UWG (Fallgruppe Rechtsbruch).

Die beklagte Partei wandte ein, dass sie keine Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes erbringe, sondern nur Dienstleistungen im Rahmen des nicht regulierten privaten Rettungsdienstes anbiete.

Die Vorinstanzen wiesen das Sicherungsbegehren ab. Sie gingen davon aus, dass das TRG 2009 den Rettungsdienst in Tirol nicht monopolisiere. Es regle vielmehr nur die Anforderungen an den öffentlichen Rettungsdienst, der vom privaten Rettungsdienst zu unterscheiden sei. Die Erbringung von privaten Dienstleistungen im Rettungsbereich sei weder unzulässig noch vom Vorliegen eines Vertrags nach §§ 3 und 4 TRG 2009 abhängig. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage der Erbringung von Rettungsleistungen durch Unternehmen ohne Vertrag nach §§ 3, 4 TRG 2009 zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Entgegen der in der Revisionsrekurs-beantwortung zugrundegelegten Rechtsansicht ist der dagegen erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht jedenfalls unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz den nach Anhörung der beklagten Partei ergangenen Beschluss des Erstgerichts zur Gänze bestätigt hat (vgl § 402 Abs 1 und 2 EO).

1.2 Der Revisionsrekurs ist aber entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

2. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RIS‑Justiz RS0116438). Der Oberste Gerichtshof ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht berufen, sodass die Auslegung der entsprechenden Normen auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO begründen kann, solange den Vorinstanzen dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist (RIS‑Justiz RS0113455).

3. Die Ansicht der Rekursgerichts, dass zur Auslegung der §§ 3, 4 TRG 2009 eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, trifft zwar zu; eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO liegt jedoch nicht vor, wenn das Gesetz eine klare, eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656; RS0107348) bzw wenn sich für die vom Rechtsmittelwerber vertretene Rechtsansicht keine Anhaltspunkte aus den von ihm herangezogenen Normen ergeben (RIS‑Justiz RS0042656 [T20]).

3.1 Das TRG 2009 regelt zweifelsfrei nur den „öffentlichen Rettungsdienst“ (§ 1 Abs 1 TRG 2009). Eine Unzulässigkeit, (sonstige) Rettungsleistungen außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes ohne Vertrag mit dem Land Tirol anzubieten, kann nicht daraus abgeleitet werden, dass das Land die Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes wahrzunehmen hat (§ 3 Abs 2 TRG 2009). Auch die dem Land eingeräumte Befugnis, die Besorgung von Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes Dritten mit schriftlichem Vertrag ganz oder teilweise zu übertragen (§ 3 Abs 3 TRG 2009), und die in § 4 leg cit normierten inhaltlichen Vorgaben an einen derartigen Vertrag machen die Durchführung eines „privaten Rettungsdienstes“ nicht rechtswidrig, zumal sich auch sonst im TRG 2009 keine Norm findet, nach der die Ausübung einer derartigen Tätigkeit ohne Rechtsgeschäft mit dem Land oder ohne hoheitlichen Akt (zB Konzession) rechtswidrig oder gar strafbar (vgl § 17 TRG 2009 e contrario) ist.

3.2 Gegen die Monopolisierung des gesamten Rettungsdienstes spricht zudem auch die mehrfache Verwendung des Begriffs des „öffentlichen Rettungsdienstes“ im TRG 2009 sowie der in § 17 Abs 1 lit c leg cit normierte Schutz der Bezeichnung „Rettungsdienst Tirol“, der entbehrlich wäre, wenn Dritte ohne Vertrag mit dem Land ohnedies keine Leistungen im Rettungsbereich anbieten dürften.

3.3 Auch die Gesetzesmaterialien zum TRG 2009 zeigen mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Regelungen zum „öffentlichen Rettungsdienst“ sonstige Formen des Rettungsdienstes ‑ insbesondere jene, die von privaten Rettungsorganisationen wahrgenommen werden ‑ nicht tangieren (vgl etwa Seite 8 der Erläuternden Bemerkungen). Die Materialien stellen auch klar, dass der Landesgesetzgeber nur zu einer Regelung der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes befugt ist, die keine Bindung dritter Personen enthalten darf (Seite 5 der Erläuternden Bemerkungen; in diesem Sinn auch VfGH G 195/91 zum insoweit vergleichbaren Tiroler RettungsG alt, wonach Dritten „durch das Gesetz nichts geboten oder verboten wird“).

4. Der Anregung der klagenden Partei, eine Gesetzesprüfung des TRG 2009 durch den Verfassungsgerichtshof zu beantragen, wenn der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht des Rekursgerichts folgt, war schon deshalb nicht nachzukommen, weil das Rechtsschutzziel der Klägerin, die Monopolisierung des gesamten Rettungsdienstes, auch durch eine Gesetzesprüfung nicht erreicht werden könnte. Der Verfassungsgerichtshof kann nämlich nur Normen als verfassungswidrig aufheben, nicht aber eine allenfalls verfassungsrechtlich bedenkliche Unvollständigkeit durch Normschöpfung sanieren (zB VfGH A 1/08; G 1/08 ‑ G 28/10).

5. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte