European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0260OS00006.15Z.1111.000
Spruch:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat zurückverwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthält, wurde der Beschuldigte Rechtsanwalt Mag. ***** mehrerer Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt.
Demnach hat er
1. zu D 159/09
mit einem von ihm verfassten Teilungsvertrag aus dem Jahr 1997 hinsichtlich einer im angefochtenen Erkenntnis näher bezeichneten Liegenschaft gegenüber seinen Vertragspartnern, den Miteigentümern dieser Liegenschaft, eine Verpflichtung zur Rechnungslegung über die bei ihm als Treuhänder erlegten Beträge samt Zinsen übernommen, jedoch dieser Verpflichtung trotz spätestens im März 2009 eingetretener Fälligkeit (ausgenommen gegenüber zwei Miteigentümern) nicht entsprochen;
2. zu D 148/11
vom 20. Jänner 2009 bis zum 16. Oktober 2013 seinen Verpflichtungen zur grundbücherlichen Durchführung der Kaufverträge zwischen den Eigentümern der Liegenschaft EZ ***** als Verkäufer und DI Wolfgang R***** sowie Mag. Markus T***** als Käufer nicht entsprochen.
Über ihn wurde hiefür eine Geldbuße von 5.000 Euro verhängt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (vgl RIS‑Justiz RS0128656). Sie wurde verspätet ausgeführt, gab jedoch ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ Anlass zu amtswegigem Vorgehen:
1. Das Erkenntnis des Disziplinarrats wurde am 24. Oktober 2014 beim Postpartner ***** hinterlegt. Nach dem (durch Urkundenvorlage bescheinigten) Vorbringen des Beschuldigten kehrte er am 6. November 2014 von einem am 18. Oktober 2014 begonnenen Auslandsaufenthalt an seine aktuelle Abgabestelle in ***** zurück und behob am selben Tag (6. November 2014) das hinterlegte Erkenntnis. Die Berufungsausführung wurde am 5. Dezember 2014 zur Post gegeben.
Zwar bewirkte die Hinterlegung keine Zustellung des Erkenntnisses, weil der Beschuldigte wegen seines Auslandsaufenthalts nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 17 Abs 3 dritter und vierter Satz ZustG). Die Zustellung wurde allerdings wirksam, indem der Empfänger die Sendung iSd § 7 ZustG tatsächlich in die Hand bekam (5 Ob 123/05g mwN; RIS‑Justiz RS0083714).
Die Frist von vier Wochen zur Einbringung der Berufung (§ 48 Abs 1 DSt) wurde daher mit der Behebung des Erkenntnisses am 6. November 2014 in Gang gesetzt und endete demnach mit Ablauf des 4. Dezember 2014. Die am 5. Dezember 2014 zur Post gegebene Berufungsausführung ist somit verspätet.
2. Aus Anlass der Berufung (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 18; Fabrizy, StPO12 § 290 Rz 5) war von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, § 77 Abs 3 DSt), dass den Schuldsprüchen ‑ wegen Rechtsfehlern mangels Feststellungen ‑ dem Beschuldigten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit nach Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO (§ 77 Abs 3 DSt) anhaftet:
2.1 Zum Schuldspruch zu D 159/09 stellte der Disziplinarrat fest (ES 7, 9), dass im Zug der (mehr als vier Jahre in Anspruch nehmenden) Durchführung des Teilungsvertrags die vertragliche Regelung über die Abrechnung mündlich mehrfach geändert wurde und letztlich „mit der Schlussabrechnung überhaupt bis zur Durchführung des Verkaufs“ der Liegenschaft zugewartet werden sollte. Diese Bedingung ist jedoch nicht eingetreten, weil dem Beschuldigten für die grundbücherliche Durchführung der entsprechenden beiden Kaufverträge mit DI R***** und Mag. T***** (vgl die Schuldsprüche zu D 148/11) Unterlagen fehlten.
Damit entbehrt aber der Schuldspruch, mit welchem dem Beschuldigten die Nichteinhaltung seiner „spätestens im März 2009 fälligen Verpflichtung zur Rechnungslegung“ in Betreff des Teilungsvertrags angelastet wird, der erforderlichen Sachverhaltsbasis, weil auf der Grundlage der referierten Feststellungen des Disziplinarrats die Abrechnungsverpflichtung noch nicht „fällig“ war und deren Nichteinhaltung somit keinen Pflichtenverstoß begründete. Der in der rechtlichen Beurteilung des Erkenntnisses enthaltene Passus, wonach „spätestens innerhalb von 14 Tagen nach der möglichen Verbücherung, also ab März 2009, auch der äußerste Endtermin für die Gesamtabrechnung gewesen wäre“ (ES 14), steht dem nicht entgegen, weil eine damit ‑ unsubstantiiert ‑ angesprochene mögliche Verbücherung als Bedingung für den Eintritt der Fälligkeit der Abrechnungsverpflichtung die zuvor referierte vertraglich bedungene Prämisse einer tatsächlichen grundbücherlichen Durchführung des Liegenschaftsverkaufs unberührt lässt.
2.2 Der mit den Schuldsprüchen zu D 148/11 gegen den Beschuldigten erhobene Vorwurf einer Nichtentsprechung „seiner Verpflichtungen zur grundbücherlichen Durchführung“ der beiden Kaufverträge hätte Feststellungen dazu erfordert, zu welchen (Rechts‑)Handlungen der Beschuldigte im Einzelnen verpflichtet war, deren pflichtgemäße Durchführung ihn in den Stand gesetzt hätte, spätestens zum 20. Jänner 2009 entsprechende grundbücherliche Einverleibungsgesuche einzubringen (ES 13). Derartige Feststellungen enthält das Disziplinarerkenntnis nicht.
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