OGH 13Os78/15t

OGH13Os78/15t28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred F***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Werner G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 10. Februar 2015, GZ 24 Hv 8/14k‑86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00078.15T.1028.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Werner G***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Alfred F***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB enthält (I/A und I/C), wurde Werner G***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt (I/B, I/C, II).

Danach hat er in E***** und andernorts

(I) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in wiederholten Angriffen Nachgenannte durch die wahrheitswidrige Behauptung, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Darlehensnehmer zu sein, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Gewährung von Darlehen, mithin zu Handlungen verleitet, die diese in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

B) Franz E***** zwischen 21. Dezember 2001 und 28. August 2014 um insgesamt 445.486,30 Euro und Berta R***** zwischen Anfang 2001 und Ende 2005 um insgesamt 30.000 Euro;

C) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Alfred F***** Augustine H***** zwischen Anfang 2011 und 28. August 2013 um 100.000 Euro;

(II) in der Zeit von August 2001 bis 1. September 2014 Alfred F***** zu sämtlichen der im Urteil zu (I/A) angeführten Betrugshandlungen zum Nachteil der dort genannten Geschädigten mit einem Gesamtschaden in Höhe von 897.909,28 Euro bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner G***** kommt Berechtigung zu.

Gemäß §§ 12 Abs 2, 258 Abs 1 StPO hat das Gericht bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Aktenstücke können nach dem zweiten Satz der letztgenannten Bestimmung nur insoweit als Beweismittel dienen, als sie bei der Hauptverhandlung vorgelesen oder vom Vorsitzenden vorgetragen (§ 252 Abs 2a StPO) worden sind.

Nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung wurden vom Vorsitzenden die Anzeige, die Strafregisterauskunft und das Gutachten des Sachverständigen (ON 69) verlesen (ON 85 S 42).

Demzufolge kritisiert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu Recht, dass die Tatrichter ihre volle Überzeugung vom Vorliegen der hier entscheidenden Tatsachen auch auf in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Inlandspostüberweisungen, Empfangsbestätigungen und diverse Auszüge über einen SMS‑Verkehr stützten (US 12, 13).

Ein Urteil, welches die Feststellung entscheidender Tatsachen auf Beweismittel gründet, die in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sind (§ 258 Abs 1 StPO), ist nichtig (RIS‑Justiz RS0113209). Davon, dass das Erstgericht die in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Aktenstücke bloß illustrativ erwähnt hätte, kann hier weder beim Beschwerdeführer noch beim Erstangeklagten die Rede sein (vgl US 9 ff).

Da dieser Begründungsmangel den Schuldspruch des Angeklagten Alfred F***** gleichermaßen betrifft (US 9 f), war von Amts wegen so vorzugehen, als hätte auch dieser den angeführten Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).

Da schon der geltend gemachte Begründungsmangel die Aufhebung des Urteils erfordert (§ 285e StPO), auch, wenngleich in geringerem Umfang, laut Stellungnahme der Generalprokuratur, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Werner G***** auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird im Fall eines erneuten Schuldspruchs Folgendes zu beachten sein:

1. Die Zusammenrechnung (§ 29 StGB) betrifft nur den Strafrahmen und die urteilsmäßige Bezeichnung der strafbaren Handlung (Ratz in WK2 StGB § 29 Rz 7). Da die einzelnen Straftaten rechtlich selbständig bleiben, sind die Strafbarkeitsvoraussetzungen für jede einzelne Straftat gesondert zu prüfen (vgl RIS‑Justiz RS0120980 [T1]). Mit Blick auf den im angefochtenen Urteil genannten Tatzeitraum und das Fehlen von Feststellungen zu den jeweiligen Einzeltaten kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, ob die Strafbarkeit einzelner präsumtiver Taten des Erstangeklagten (I A 1, 7, 18, 19, 20, 21 und 24) durch Verjährung erloschen ist.

2. Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB ist, wer vorsätzlich einen anderen zur Ausführung einer strafbaren Handlung veranlasst, also den Anstoß zur Ausführung durch einen anderen gibt. Der unmittelbare Täter muss dabei zu einer individuell bestimmten mit Strafe bedrohten Handlung verleitet werden, die zwar nicht in allen ihren Einzelheiten feststeht, aber ihrer Art nach und in groben Umrissen in der Vorstellung des Bestimmenden vorhanden, das heißt so ausreichend umschrieben sein muss, dass sie nach Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung individualisiert ist (RIS‑Justiz RS0089717; vgl Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 58, 66). Die Feststellung im angefochtenen Urteil, „ab dem Jahr 2000 forderte G***** F***** auf, Geld mit dem Argument zu beschaffen, dass er dann auch seine Schulden an ihn zurückzahlen werde“ (US 7), würde zur Strafbarkeit des Werner G***** ebenso wenig genügen wie die Urteilspassage, wonach der Zweitangeklagte den Erstangeklagten unter Druck setzte, immer wieder Geld zu beschaffen, und seine Persönlichkeit ausnützte (US 15).

3. Gewerbsmäßiger schwerer Betrug (§ 148 zweiter Fall StGB) verlangt die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich gesehen schwerem Betrug (§ 147 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0101356).

4. Die ausschließlich aus Straftaten des Werner G***** resultierenden Schadensbeträge wären beim Angeklagten F***** nicht zu veranschlagen.

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