OGH 8Ob87/15z

OGH8Ob87/15z29.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners C*****, vertreten durch die Dr. Alexander Klaus Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 31. Juli 2015, GZ 7 R 115/15i‑52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 252 IO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Schuldners richtet sich gegen den Beschluss des Rekursgerichts, mit dem es den Rekurs des Schuldners als verspätet zurückgewiesen hat.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO unzulässig.

Voranzustellen ist, dass gemäß § 273 Abs 8 IO auf den Anlassfall die verfahrensrechtlichen Vorschriften insbesondere der §§ 252 bis 263 IO idF des IRÄG 2010 anzuwenden sind.

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung zu § 257 Abs 2 IO wird die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0065237; RS0110969).

Die für den Anlassfall maßgebende Bestimmung des § 213 Abs 6 IO sieht vor, dass der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über das Ausmaß der Restschuldbefreiung öffentlich bekannt zu machen ist. In der Entscheidung 8 Ob 64/11m wurde dazu ausgesprochen, dass die gemäß § 213 Abs 6 IO gebotene öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens auch dann die Rechtsmittelfrist in Gang setzt, wenn mit diesem Beschluss auch Anträge des Schuldners auf Restschuldbefreiung und auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens abgewiesen werden. In der Entscheidung 8 Ob 121/13x hat der Oberste Gerichtshof bekräftigt, dass die Rechtsmittelfrist gegen einen Beschluss des Insolvenzgerichts, in dem einerseits Anträge des Schuldners nach § 213 Abs 2 bis Abs 4 IO abgewiesen werden und gleichzeitig das Abschöpfungsverfahren ohne Restschuldbefreiung für beendet erklärt wird, sodass der Beschluss nach § 213 Abs 6 IO zu veröffentlichen ist, gemäß § 257 Abs 2 IO insgesamt bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen beginnt.

2.2 Diese Rechtsgrundsätze sind Ergebnis der Auslegung der in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen durch den Obersten Gerichtshof insbesondere unter Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien (RV 1218 BlgNR 18. GP ). Darin ist festgehalten, dass § 213 Abs 6 die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens regelt. Zu veröffentlichen ist auch der weitere Beschlussinhalt über das Ausmaß der Restschuldbefreiung nach Billigkeit nach Abs 2.

Daraus folgt, dass es für die Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung und für die daran anknüpfende Zustellwirkung nach § 257 Abs 2 IO auf den Ausspruch über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ankommt (8 Ob 121/13x).

2.3 Aufgrund dieser Überlegungen verbleibt für eine vom Schuldner argumentierte „teleologische Reduktion“ dahin, dass die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 257 Abs 2 IO) nicht für Fälle der Abweisung eines Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung und zudem nur für Fälle gelte, in denen ein Rechtsmittel von einer Vielzahl von Gläubigern möglich sei, kein Raum. Die teleologische Reduktion soll der ratio legis der konkreten Norm gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung verschaffen (RIS‑Justiz RS0008979). Sie ist bei zu weit geratenen gesetzlichen Tatbeständen das Gegenstück zur Analogie (10 Ob 58/14y).

An die gesetzliche Regelung zum Eintritt der rechtlichen Folgen der Zustellung ist der Lauf der Rechtsmittelfrist geknüpft. Der maßgebende Zustellungszeitpunkt und damit der Beginn der Rechtsmittelfrist muss für jede Partei und jeden Beteiligten eindeutig bestimmt und vorhersehbar sein. Aus diesem Grund muss eine solche Regelung klar formuliert und alle in Betracht kommenden Fälle erfassen. Von der Frage, wie viele Personen im Einzelfall ein Rechtsmittel erheben können, kann der Beginn der Rechtsmittelfrist nicht abhängen.

2.4 Richtig ist, dass in der Entscheidung 8 Ob 121/13x ergänzend darauf hingewiesen wurde, der Schuldner habe Gründe dafür, warum im konkreten Fall die rechtzeitige Erhebung des Rekurses nicht möglich gewesen sein soll, im Übrigen gar nicht behauptet. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine eigenständige (Hilfs‑)Begründung, mit der eine mögliche Ausnahme zu den rechtlichen Folgen der Zustellung nach § 257 Abs 2 IO angedeutet werden sollte. Vielmehr wurde der Schuldner darauf hingewiesen, dass er rechtlich ohnedies zutreffend davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung um das fristauslösende Ereignis gehandelt hat und ihm nur bei der Berechnung ein Irrtum unterlaufen ist.

3. Der Oberste Gerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass gegen die Zustellungswirkungen nach § 257 Abs 2 IO keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (8 Ob 121/13x mwN). Mit dem Hinweis auf Art 6 EMRK zeigt der Schuldner somit ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Art 40 EUInsVO betrifft die Unterrichtung der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen (bekannten) Gläubiger von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im anderen Mitgliedstaat. Auf diese Bestimmung kann sich der Schuldner mangels Anwendbarkeit im Anlassfall nicht berufen.

4.1 Die Bestimmung des § 89j Abs 3 (ursprünglich Abs 4) GOG wurde durch BGBI I 1997/114 mit Schaffung der Ediktsdatei normiert. Nach dieser Bestimmung sind Fehler von Dateneingaben in die Ediktsdatei und fehlerhafte Abfragemöglichkeiten auf Antrag oder von Amts wegen von dem Gericht zu berichtigen, das für jenes Verfahren zuständig ist, in dem die Bekanntmachung vorgenommen wurde (8 Ob 20/05g).

Die Gesetzesmaterialien (RV 734 BlgNR 20. GP ) führen dazu aus:

„Abs 4 [nunmehr Abs 3] regelt die jederzeitige amtswegige oder antragsbezogene Richtigstellung fehlerhafter Dateneingaben, wozu insbesondere die Abweichung von der zugrunde liegenden gerichtlichen Entscheidung oder Verfügung zählt. In gleicher Weise wären Fehler im Hinblick auf die (etwa zeitlich) beschränkte Abrufbarkeit von Daten, die durch die Materiengesetze bzw durch gerichtliche Verfügungen bestimmt wird, jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen zu beheben. Ein Antrag auf Richtigstellung kann nicht nur von den Parteien, sondern von jedem gestellt werden, der von einem Fehler der Dateneingabe oder ihrer Abrufbarkeit betroffen ist; dies gilt auch für Bekanntmachungen nach Abs 2. Durch dieses Berichtigungsverfahren soll die Richtigkeit der Ediktsdatei zusätzlich gewährleistet werden.“

4.2 Die Eingabe der alten Adresse des Schuldners in die Ediktsdatei bezog sich auf die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens am 12. 7. 2007. Nach den Ausführungen des Rekursgerichts hat der Schuldner mit Schreiben vom 25. 6. 2012 seine neue Anschrift bekanntgegeben. Bei der Eintragung der (alten) Adresse in die Ediktsdatei handelte es sich damals somit um keine fehlerhafte Dateneingabe. Davon abgesehen ist die öffentliche Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei einer Änderung der Anschrift des Schuldners nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens nicht vorgesehen (vgl dazu Konecny , Insolvenzdatei, ÖJZ 2002, 492).

Entgegen der Ansicht des Schuldners liegt ein Fehler in der Ediktsdatei nicht vor. Das Argument, aufgrund der eingetragenen (alten) Adresse sei (für ihn) eine Zuordnung der Veröffentlichungen in der Ediktsdatei (des Schuldenregulierungsverfahrens zu seiner Person) nicht eindeutig möglich, ist nicht nachvollziehbar, handelte es sich doch um seine frühere Adresse.

5. Insgesamt gelingt es dem Schuldner nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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