Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 4. Dezember 2013, AZ D 211/11, D 44/13 und D 125/13, wurde Dr. W***** S***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt, weil er
1./ zu D 211/11
a./ den Beitrag zur Versorgungseinrichtung Teil B „Zusatzpension“ sowie die Vorauszahlung an Kammerbeitrag und Umlage zur Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien für das vierte Quartal 2010 trotz Mahnung nicht fristgerecht beglich, sodass auf Grund des Rückstandsausweises der Rechtsanwaltskammer Wien vom 1. März 2011 gegen ihn Exekution zu AZ ***** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien geführt werden musste;
B./ die ihm am 17. Mai 2011 seitens des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien gewährte ratenweise Abstattung von aufgelaufenen bzw laufenden Beiträgen zu Kammerbeiträgen, Umlagen und Zusatzpension von 6.953,50 Euro nicht einhielt, sodass auf Grund des eingetretenen Terminverlustes das zu Punkt a./ erwähnte und zwischenzeitlich aufgeschobene Exekutionsverfahren am 13. September 2011 fortgesetzt werden musste;
2./ zu D 44/13
am 25. Oktober 2012 mit der W***** eine Zahlungsvereinbarung zur Abstattung seiner Schulden von ca 40.000 Euro traf, in der Folge aber diese Vereinbarung nicht einhielt, weshalb ihn die W***** am 5. März 2013 auf Zahlung von 33.290,23 Euro klagte;
3./ zu D 125/13
im März 2013 beim ASG Wien zu AZ ***** die D***** Rechtsanwälte GmbH auf Zahlung von 751.097,03 Euro klagte, ohne zuvor den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien um Vermittlung angerufen zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit (hier nur gegen den Schuldspruch 3./) sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe, der keine Berechtigung zukommt.
Die Mängelrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie losgelöst von den Entscheidungsgründen bloß Judikatur zu Begründungsmängeln zitiert, ohne Fehler im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen.
Soweit diese Ausführungen als Rechtsrüge (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) aufzufassen sind, verfehlt die Berufung ihr Ziel. Sie leitet nämlich nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb in diesem Rechtsstreit nach erfolgter Übernahme des Mandats durch Rechtsanwalt Dr. W***** Sp***** “jede in dieser Sache durchzuführende Handlung ausschließlich in den Händen des Rechtsvertreters“ liege, sich der Disziplinarbeschuldigte in Ansehung des durch Dr. W***** Sp***** als nicht zielführend eingeschätzten Schlichtung durch die Rechtsanwaltskammer Wien „in dessen Rechtsansichten und … Verfahrenstaktik nicht einzumischen“ gehabt habe sowie warum mehrjährige private Vergleichsgespräche der rechtzeitigen Anrufung auch des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien gemäß § 20 RL‑BA entgegenstünden und solcherart der Disziplinarbeschuldigte von der Wahrung der ihn persönlich treffenden Berufspflichten entbunden gewesen wäre. Bleibt dazu noch festzuhalten, dass dem gegenüber seinem Rechtsfreund weisungsberechtigten Disziplinarbeschuldigten die disziplinäre Verantwortung für die Einhaltung seiner standesrechtlichen Verpflichtungen selbst zukommt.
Unter einer persönlichen Streitigkeit im Sinne des § 20 RL-BA ist jede Streitigkeit zwischen Rechtsanwälten in eigener Sache zu verstehen. Warum demgegenüber konkret auf frühere gemeinsame berufliche Tätigkeit zurückzuführende finanzielle Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten nicht als „persönlicher“ (und damit in eigener Sache und nicht als Parteienvertreter geführter) Streit aus der Berufsausübung zwischen den beteiligten Anwälten zu betrachten und solcherart nicht unter § 20 RL-BA zu subsumieren bzw dessen Textierung undeutlich wäre, wird mit dem bloßen Verweis auf eine Ehrenbeleidigung und die diesbezügliche Verantwortung des Berufungswerbers nicht prozessordnungskonform dargelegt (Csoklich in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte2, 97).
Soweit der Berufungswerber die Rechtsansicht des Disziplinarrats, ein Rechtsanwalt könne sich hinsichtlich der Einhaltung seiner Standespflichten nicht eines anderen Rechtsanwalts bedienen, mit dem Verweis auf eine hier nicht aktuelle Substitution einer Verfahrenshilfesache in Zweifel zieht, lässt er in Ansehung der inkriminierten Anrufung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer gemäß § 20 RL-BA einmal mehr die Ableitung dieser Rechtsbehauptung aus dem Gesetz vermissen (RIS‑Justiz RS0116565).
Inwieweit der Disziplinarbeschuldigte ohne ein Verschulden an einer rechtzeitigen persönlichen Anrufung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer gemäß § 20 RL-BA oder einer entsprechenden Anweisung an seinen Rechtsvertreter gehindert gewesen wäre bzw die persönliche Einschätzung der Sinnfälligkeit eines solchen Vorgehens oder ein bei dessen Unterbleiben eingetretener Schaden Tatbestandsmerkmal dieser Bestimmung wäre, wird ebenfalls nicht aufgezeigt.
Normzweck des § 20 RL-BA ist es, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten nach Möglichkeit standesintern zu bereinigen. Ein nachträgliches Schlichtungsansuchen vermag daher den Berufungsausführungen zuwider die Berufspflichtenverletzung nicht zu egalisieren.
Die der Sache nach ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit b) releviert überdies den Strafbefreiungsgrund nach § 3 DSt.
Zwar ist ein Vorgehen nach § 3 DSt bei keiner Berufspflichtverletzung ausgeschlossen ( Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 , § 3 DSt 883). Eine in diesem Sinn mangelnde Strafwürdigkeit liegt im konkreten Fall allerdings schon deshalb nicht vor, weil das inkriminierte Verhalten ein Verschulden zum Ausdruck bringt, dessen Gewicht im Vergleich zu den Durchschnittsfällen vom Disziplinarvergehen (die in ihrer Gesamtheit als Vergleichsparameter heranzuziehen sind; zur annähernd vergleichbaren Ausgangslage zu § 191 StPO bei mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen siehe Schroll , WK‑StPO § 191 Rz 56) gerade nicht deutlich reduziert ist.
Dies schon mit Blick auf die trotz jahrelanger Vergleichsverhandlungen und letztlich sogar erfolgter Klagsführung dennoch unterbliebene Anrufung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer gemäß § 20 RL-BA und auf den Umstand, dass bei einer Berufung auf einen Rechtsirrtum durch einen Rechtsanwalt eine Geringfügigkeit des Verschuldens nur in besonderen Ausnahmefällen zum Tragen kommen kann (RIS-Justiz RS0123018; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 , § 3 DSt 885).
Es liegt somit kein Grund vor, der eine Verfolgung des Disziplinarbeschuldigten wegen des vorgeworfenen Disziplinarvergehens im Sinne des § 3 DSt ausschließen würde.
Unter dem Aspekt der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermögen die unsubstantiierten Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten keine Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Der Disziplinarsenat hat vielmehr die vorliegenden Beweise einer widerspruchsfreien und lebensnahen Würdigung unterzogen und logisch nachvollziehbar dargetan, wie er zu diesen Konstatierungen kam.
Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist nicht berechtigt.
Das angefochtene Erkenntnis wertete als mildernd, dass „die finanziellen Verpflichtungen schlussendlich vollständig erfüllt wurden“, also eine Schadensgutmachung erfolgt ist, die fehlende Vergleichsbereitschaft der D***** Rechtsanwälte GmbH und hinsichtlich des zu AZ D 211/11 behandelten Disziplinarvergehens eine (über‑)lange Verfahrensdauer. Als erschwerend erachtete der Disziplinarsenat eine einschlägige Vorstrafe sowie die Qualifikation sowohl nach § 1 Abs 1 erster als auch zweiter Fall DSt.
Die pauschalen Berufungsausführungen zu fehlenden Feststellungen „über die Größe des Verschuldens“ missachten die hinreichenden Erkenntnisannahmen dazu.
Unter Bedachtnahme auf die vom Dr. W***** S***** angegebenen Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse besteht auch kein Anlass, die Höhe der verhängten Geldbuße in Frage zu stellen.
Weshalb im vorliegenden Fall mehrfacher Delinquenz und einschlägiger Vorbelastung mit einem Verweis im Sinne des § 16 Abs 1 Z 1 DSt das Auslangen zu finden wäre, bleibt gleichfalls unbegründet.
Der Berufung war somit insgesamt keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
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