European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00101.15T.0922.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen ‑ auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden ‑ Urteil wurde Raphael D***** des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 2. Juli 2014 in B*****
„dadurch, dass er Roman T***** mit zwei Messern in seinen Hals stach, diesem absichtlich schwere Körperverletzungen zugefügt, wobei die Tat infolge von zwei Stichwunden im Hals mit beiderseitiger Eröffnung der Halsschlagadern und einer Durchblutungsstörung des Gehirns zu einer Atem‑ und Hirnlähmung des Roman T***** führte und daher den Tod des Geschädigten zur Folge hatte“.
Die Geschworenen hatten die in Richtung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB gestellte Hauptfrage verneint, die in Richtung des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB gestellte Eventualfrage jedoch bejaht, weshalb weitere Eventualfragen unbeantwortet blieben. Die in Richtung Notwehr nach § 3 Abs 1 StGB, Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt nach § 3 Abs 2 StGB, irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts nach § 8 StGB und nach Putativnotwehrexzess nach § 8 iVm § 3 Abs 2 StGB hatten die Geschworenen gleichfalls verneint.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Schuldspruch vom Angeklagten erhobene und auf § 345 Abs 1 Z 6 und 9 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Fragenrüge (Z 6) bringt vor, dass aus der Formulierung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Eventualfrage, wonach der Angeklagte dem Opfer „schwere Körperverletzungen“ zugefügt habe, sich ergebe, dass das Erstgericht zu Unrecht nicht von einer tatbestandlichen Handlungseinheit ausgegangen wäre. In diesem Fall wären jedoch konsequenterweise „mehrere Hauptfragen mit den jeweiligen Eventualfragen und Zusatzfragen zu stellen gewesen oder aber bei Beurteilung einer tatbestandlichen Handlungseinheit bei der Haupt‑ bzw Eventualfrage nach nur einer strafbaren Handlung zu fragen gewesen“.
Mit diesem Vorbringen legt der Nichtigkeitswerber jedoch nicht nachvollziehbar dar, weshalb der Schwurgerichtshof, indem er nur eine Hauptfrage mit der entsprechenden Eventualfrage gestellt hat, und der Angeklagte dementsprechend nur einer strafbaren Handlung, nämlich des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt wurde, nicht ohnehin von einer tatbestandlichen Handlungseinheit ausging. Im Übrigen bleibt offen, inwiefern aus dem behaupteten Fehler bei der Fragestellung für den Angeklagten ein Nachteil entstanden sein könnte (§ 345 Abs 3 StPO).
Nichtigkeit aus Z 9 des § 345 Abs 1 StPO liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen ‑ also der Wahrspruch (maW die Feststellungsebene) ‑ undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist, wenn also trotz undeutlicher oder widersprüchlicher Feststellungen oder fehlender Antworten zu entscheidenden Tatsachen den Geschworenen die Verbesserung des solcherart mangelhaften Wahrspruchs nicht aufgetragen wurde oder der Auftrag ohne Erfolg blieb (RIS‑Justiz RS0123182).
Der Angeklagte führt aus, die Geschworenen hätten die Zusatzfragen, insbesondere nach Notwehr verneint, wobei sich aus der „kursorischen Begründung“ (gemeint wohl: der Niederschrift der Erwägungen) ergäbe, dass sie annahmen, der Angeklagte habe sich nicht verteidigt. Damit wäre der Wahrspruch „undeutlich bzw in sich widersprechend“. Mit dieser Behauptung bezieht sich der Nichtigkeitswerber jedoch der Sache nach gar nicht auf den Wahrspruch, sondern auf die ‑ hier unanfechtbare -Beweiswürdigung der Geschworenen. Die Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO gehört nicht zum Wahrspruch. Ihr Inhalt kann daher niemals zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden (RIS‑Justiz RS0100846).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die vom Geschworenengericht vorgenommene Wertung der völligen Uneinsichtigkeit des Angeklagten als für die Verhängung einer empfindlichen unbedingten Freiheitsstrafe (mit‑)entscheidende Tatsache (US 6) stellt eine von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügte unrichtige Gesetzesanwendung dar (§ 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO; vgl RIS‑Justiz RS0090897). Für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO besteht jedoch kein Anlass, weil die Gesetzesverletzung vom Berufungsgericht aufgegriffen werden kann (RIS‑Justiz RS0122140).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390 Abs 1 StPO.
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