European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00166.15F.0917.000
Spruch:
1. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den Auftrag wendet, dem Erstgericht binnen zwei Wochen den Nachweis über die absolvierten Erstgespräche einer Mediation sowie einer Erziehungsberatung vorzuweisen, zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 3. Oktober 2014 (ON 156) wurde den Eltern ‑ beide Elternteile sind mit der Obsorge betraut ‑ rechtskräftig aufgetragen, Erziehungsberatung in Anspruch zu nehmen und an einem Erstgespräch für eine Mediation teilzunehmen und dem Erstgericht die entsprechenden Nachweise binnen drei Monaten zu erbringen.
Am 27. April 2015 trug das Erstgericht der Mutter (neuerlich) auf, einen Nachweis über Erstgespräche bezüglich Mediation und Erziehungsberatung, und zwar binnen 14 Tagen, vorzulegen.
Mit der nun von der Mutter angefochtenen Entscheidung bestätigte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts vom 15. Mai 2015. Mit Punkt 1. dieses Beschlusses wies das Erstgericht den Antrag der Mutter auf Übertragung der Obsorge an sie im Bereich „Medizin und Gesundheitsversorgung bzw -vorsorge“ ab. In Punkt 2. trug das Erstgericht den Eltern erneut auf, binnen zwei Wochen den Nachweis über die absolvierten Erstgespräche bezüglich Mediation und Erziehungsberatung vorzulegen.
Zum Vorlageauftrag:
Der gegen die Bestätigung des Auftrags zur Vorlage des Nachweises eines Erstgesprächs bezüglich Mediation und Erziehungsberatung von der Mutter erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht. Die formelle Beschwer reicht aber nicht immer aus. Der Rechtsmittelwerber muss auch materiell beschwert sein. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers in der Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS-Justiz RS0041868).
Hier wurden die ‑ im Revisionsrekurs der Mutter inhaltlich als nicht zweckentsprechend bekämpften ‑ Maßnahmen gemäß § 107 Abs 3 Z 1 und 2 AußStrG (vgl dazu 4 Ob 139/14s) bereits mit rechtskräftigem Beschluss vom 3. Oktober 2014 angeordnet. Durch den lange nach Ablauf der ebenfalls rechtskräftig bestimmten Nachweisfrist von drei Monaten erteilten erneuten Auftrag zur Vorlage entsprechender Nachweise binnen zwei Wochen wird in die Rechtsposition der Mutter nicht nachteilig eingegriffen.
Der insoweit absolut unzulässige Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen. Dass bereits der Rekurs gegen Punkt 2. des erstgerichtlichen Beschlusses mangels Beschwer der Mutter unzulässig war, kann mangels Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht wahrgenommen werden.
Zum Obsorgeantrag:
Entscheidungen über die Obsorge sind, sofern dabei auf das Wohl des Kindes ausreichend Bedacht genommen wurde, solche des Einzelfalls, denen keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (RIS-Justiz RS0115719 [T7]).
Ohne Gefährdung des Kindeswohls und eine dadurch bedingte Notwendigkeit der Änderung eines bestehenden Zustandes kommt eine Verfügung nach § 181 Abs 1 ABGB ‑ und zwar unabhängig davon, ob sie eine (Teil‑)Entziehung der Obsorge oder eine „Auflage“ mit inhaltlichen Vorgaben für die Ausübung des Obsorgerechts ausspricht ‑ jedenfalls nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0127207 zur gleichlautenden Bestimmung des § 176 Abs 1 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013; Hopf in KBB4 §§ 181, 182 ABGB Rz 2).
Das einmalige Nichtwahrnehmen eines Zahnarzttermins des Minderjährigen durch den Vater beruhte nach den Feststellungen darauf, dass der vereinbarte Termin auf den Dienstag der Osterferienwoche 2015 fiel, die der Minderjährige vereinbarungsgemäß beim Vater verbrachte. Trotz Aufforderung des Vaters, der den Termin wegen einer geplanten Reise verschieben wollte, gab ihm die Mutter weder die Kontaktdaten der behandelnden Zahnärztin bekannt noch wies sie ihn auf eine Dringlichkeit des Zahnarzttermins hin.
Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass aus diesen Umständen keine Gefährdung des Kindeswohls abzuleiten ist, die es rechtfertigten, dem Vater die Obsorge im Bereich der „Medizin und Gesundheitsversorgung bzw -vorsorge“ zu entziehen, ist schon im Hinblick darauf jedenfalls vertretbar, dass für den Vater keine Anhaltspunkte vorlagen, dass der vereinbarte Zahnarzttermin ‑ wie im Revisionsrekurs behauptet ‑ zur Vermeidung drohender Komplikationen und bleibender (Zahn‑)Schäden dringlich war.
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