OGH 7Ob111/15x

OGH7Ob111/15x2.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** H***** S*****, und 2. I***** S*****, vertreten durch Mag. Martin Kaufmann, Rechtsanwalt in Melk, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. März 2015, GZ 4 R 228/14z‑13, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. Oktober 2014, GZ 24 Cg 8/14f‑9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.329,84 EUR (darin enthalten 221,64 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger schloss mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag ab. Die Zweitklägerin ist als Ehegattin des Erstklägers mitversichert.

Art 7 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2000), die dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zugrunde liegen, lautet auszugsweise wie folgt:

„Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

...

1.13. im Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen und diesen ähnlichen Termin- oder Spekulationsgeschäften, sowie Auseinandersetzungen darüber mit Kreditgebern, Vermittlern, Beauftragten oder sonstigen Anspruchsgegnern.“

Die Kläger haben am 17. 7. 2006 bei einer inländischen Bank einen mittels einer Lebensversicherung als Tilgungsträger rückzuführenden endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken im Gegenwert von 160.000 EUR aufgenommen. Sie beabsichtigen die Einbringung einer Schadenersatzklage gegen die Bank infolge fehlerhafter Aufklärung über das damit verbundene Risiko.

Die Beklagte lehnte die Rechtsschutzdeckung unter Verweis auf den Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000 ab.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte aus dem zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag für den Schadensfall vom 17. 7. 2006 Deckungsschutz zu gewähren habe. Es liege kein „Spekulationsgeschäft“ im Sinn des Art 7.1.13. ARB 2000 vor, weil kein Spiel- oder Wettverträgen ähnliches Geschäft abgeschlossen worden sei. Im Vordergrund habe der Kreditzweck zur Finanzierung ua von Wohnraum und Einrichtungsgegenständen gestanden.

Die Beklagte wendet ein, dass die Finanzierung mittels eines Fremdwährungskredits, der durch fortlaufende Wertpapierkäufe endfällig getilgt werden solle, mit einem extrem hohen wirtschaftlichen Risiko behaftet sei. Die Kumulation von Währungs-, Termin- und Zinsrisiko betreffend den endfälligen Fremdwährungskredit im Zusammenhalt mit dem Risiko des Tilgungsträgers unterscheide die gewählte Konstruktion von einem klassischen Abstattungskredit in der heimatlichen Währung entscheidend; bei letzterem läge das Risiko allein in der wirtschaftlichen Entwicklung des Kreditnehmers. Der Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000 sei verwirklicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil der Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000 nicht zur Anwendung gelange.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Ein endfälliger Fremdwährungskredit, möge er auch als spekulativ beurteilt werden, sei einer Wette oder einem Spiel nach §§ 1270, 1272 ABGB nicht ähnlich. Daran ändere auch die Verknüpfung des Fremdwährungskredits mit einem Tilgungsträger nichts. Es sei nicht erkennbar, welche Behauptung über ein unbekanntes Ereignis darin gelegen sei und welchen bestimmten Preis die Kläger mit der Kreditgeberin im Fall des Eintritts eines solchen Ereignisses vereinbart hätten. Der Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000 liege nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Art 7.1.13. ARB 2000 fehle und von solchen Klauseln eine Vielzahl von Fremdwährungskreditnehmern potentiell betroffen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich die Anwendung des Art 7.1.13. ARB 2000 strittig.

1.1. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Risikoausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RIS-Justiz RS0107031). Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen hat sich am verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu orientieren; risikoeinschränkende Klauseln besitzen in dem Maß keine Vertragskraft, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann (RIS-Justiz RS0112256).

1.2. Der erkennende Fachsenat hat zu Art 7.1.13. ARB 2000 bereits Stellung genommen und Folgendes ausgesprochen:

Art 7.1.13. ARB 2000 enthält Risikoausschlüsse, deren Zweck es ist, dass mit den von der Risikogemeinschaft aufgebrachten Beträgen keine Auseinandersetzungen aus aleatorischen Verträgen finanziert werden. Die in Art 7.1.13. ARB 2000 angeführten Verträge bergen besondere Risiken, denen der Versicherungsnehmer sich bewusst ausgesetzt hat; den anderen Mitgliedern der Risikogemeinschaft ist eine Beteiligung hier nicht zumutbar. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Wette ist gemäß § 1270 ABGB Vereinbarung einer Leistung an jenen, dessen „Behauptung“ sich im Meinungswiderstreit als die richtige erweist. Spiel lässt sich allgemein als „eine zweckfreie Beschäftigung aus Freude an ihr selbst und/oder ihren Resultaten, zur Unterhaltung, Entspannung oder zum Zeitvertreib“ definieren, die festgesetzten Regeln unterliegt und mit der der Mensch seinen Spieltrieb befriedigt. Gemäß § 1272 ABGB ist jedes Spiel eine Art von Wette. Der Unterschied zwischen Wette und Spiel liegt nur im Zweck, da das Spiel der Unterhaltung und dem Gewinn dient, während der Zweck der Wette die Bekräftigung einer eigenen Behauptung ist. Zum Begriff der Wette und des Spiels gehört das aleatorische Moment der Ungewissheit, ob derjenige, der eine Zusage macht, diese erfüllen muss, weil nicht feststeht, ob die Behauptung des Zusagenden richtig ist. Die Leistungspflicht des Zusagenden hängt von einem beiden Teilen noch unbekannten Ereignis ab. Spiel und Wette gehören zu den Glücksverträgen im engen Sinn. Während bei diesen ausschließlich der Zweck verfolgt wird, einen Gewinn oder Verlust von einem für die Parteien bei Vertragsabschluss ungewissen Ereignis oder Umstand abhängig zu machen, wird bei den Glücksverträgen im weiten Sinn (wie etwa dem Versicherungs-, Leibrenten- und Ausgedingsvertrag oder dem Erbschafts- oder Hoffnungskauf) darüber hinaus noch ein anderer Vertragszweck verfolgt. Von der Rechtsprechung werden beispielsweise Differenzgeschäfte, das sind Geschäfte, die nach der Absicht der Parteien oder nach der beim Geschäftsabschluss dem anderen Teil bekannten Absicht einer Partei nicht durch Lieferung oder Bezahlung von Waren oder Wertpapieren, sondern nur durch Zahlung der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Kurs des Erfüllungstages abgewickelt werden sollen, den Glücksverträgen im engen Sinn zugeordnet (7 Ob 210/14d mwN).

1.3. Bei einem Fremdwährungskredit besteht ein Währungsrisiko. Der aushaftende Saldo ist davon abhängig, wie sich der Fremdwährungskurs der gewählten Fremdwährung entwickelt. Es ist davon auszugehen, dass sich der aushaftende Kreditbetrag während der Laufzeit eines Fremdwährungskredits auf Grund laufender Währungsschwankungen mehrfach ändert, somit erhöht und vermindert (7 Ob 191/14k). Unabhängig davon, ob ein Fremdwährungskreditvertrag ein Spekulationsgeschäft darstellt, ist er nicht einer Wette/einem Spiel ähnlich. Es finden reale geschäftliche Vorgänge statt. Dem Kreditnehmer wird die Kreditsumme zugezählt ‑ er schließt einen Lebensversicherungsvertrag als Tilgungsträger ab ‑ und er muss Rückzahlungen für den Kredit leisten, die nicht zur Gänze von der Entwicklung der Währungskurse während der gesamten Laufzeit abhängen.

Es ist den Klägern auch möglich, auf ungünstige Entwicklungen zu reagieren, wie etwa mit Konvertierung des Kredits, um größere Verluste zu vermeiden. Eine derartige Einflussnahme ist einer Wette und einem Spiel fremd.

1.4. Insgesamt fehlt es daher an einer Ähnlichkeit des Fremdwährungskredits mit den Glücksverträgen im engen Sinn. Der Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000 liegt demnach nicht vor.

2. Der Revision der Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 46 und § 50 Abs 1 ZPO. Gemäß § 23 Abs 3 RATG beträgt der Einheitssatz nur 50 % und nicht ‑ wie betragsmäßig verzeichnet ‑ 60 %.

Stichworte