OGH 12Os100/15w

OGH12Os100/15w27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Magamed M***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Douhore S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 22. Juni 2015, GZ 152 Hv 33/15k‑273, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingt gewährten Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00100.15W.0827.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das Magamed M***** betreffende Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Erledigung der Berufung und der Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Douhore S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Schuld- und Freisprüche Mitangeklagter enthält, wurde Douhore S***** (soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung) der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall, 12 dritter Fall, 15 Abs 1 StGB (I./A./ und B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

I./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, und zwar der Jugendbande „G*****“ oder „einer in deren Rahmen bestehenden Subgruppe“ unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung

A./ mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen unter Verwendung einer Waffe weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar:

(...)

5./ am 23. Dezember 2014 „zeitgleich und koordiniert“ mit dem gesondert verfolgten Aslanbek D***** der Luljete M***** eine Kassenlade samt 3.000 Euro Bargeld, indem sie maskiert den Verkaufsraum betraten, Douhore S***** unter Vorhalt einer Pistole forderte: „Beruhig dich, mach die Kasse auf!“, während Aslanbek D***** sich hinter Luljete M***** postierte, und als es der Genannten nicht gelang, die Kassenlade zu öffnen, sagte: „Willst du mich verarschen, mach die Kasse auf!“, anschließend ihren Kopf packte und gegen die Kassa drückte, Douhore S***** versuchte, die Lade aufzureißen und Aslanbek D***** die Kassenlade samt dem darin befindlichen Bargeld aus der Verankerung riss;

(...)

B./ zu strafbaren Handlungen anderer beigetragen, und zwar:

1./ im einverständlichen Zusammenwirken mit Ibragim C***** zu einem im Urteil im einzelnen geschilderten, am 10. November 2014 durch den gesondert verfolgten Pindi A***** unter Verwendung einer goldfarbenen Gaspistole verübten schweren Raub zum Nachteil des Unternehmens B*****, indem sie Pindi A***** die genannte Gaspistole verschafften;

4./a./ im einverständlichen Zusammenwirken mit Aslanbek D***** zu einem im Urteil im einzelnen beschriebenen, am 23. Dezember 2014 durch die gesondert verfolgten Shamil T***** und Artur Ba***** verübten schweren Raub zum Nachteil des Unternehmens Bi*****, indem sie an einem Koordinierungstreffen am Nachmittag des Tattages teilnahmen und die zeitgleiche Ausführung des zu I./A./5./ geschilderten Raubes vereinbarten.

Rechtliche Beurteilung

Die ausdrücklich nur gegen die dargestellten Schuldsprüche gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Douhore S***** schlägt fehl.

Die Mängelrüge (Z 5) richtet sich zunächst gegen die auf Basis vernetzter Betrachtung der Verfahrensergebnisse konstatierte Mitgliedschaft des Angeklagten in der als kriminelle Vereinigung qualifizierten (§ 278 Abs 2 StGB) Jugendgruppe „G*****“. Indem die Beschwerde auf Basis eigenständiger Schlussfolgerungen die dazu führenden Beweisüberlegungen des Gerichts als nicht stichhaltig erachtet und diesen entgegen hält, dass der Angeklagte lange Zeit den Namen der Gruppe nicht gekannt habe, keine Aufnahmerituale mitgemacht habe, lediglich eine lose Freundschaft zu anderen Mitgliedern bestanden habe, und die fehlende Mitgliedseigenschaft durch die abgeurteilte Einzeltäterschaft beim Raubfaktum A./1./ unterstrichen werde, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Weshalb die Erwägung des Schöffensenats, insbesondere“ die Planung zweier parallel zu verübender Raubüberfälle (I./A./5./ und I./B./4./a./ unterstreiche die Mitgliedschaft zur erwähnten kriminellen Vereinigung (US 25), eine Scheinbegründung darstellen soll, bleibt unerfindlich.

Mit seiner unsubstantiierten Argumentation, wonach die Urteilsannahmen zum Schuldspruch I./A./5./ bloß zum Schein begründet worden seien und „andere Angeklagten und Zeugen nicht angeben können, dass der Angeklagte S***** bei Besprechung der Tatpläne die ganze Zeit da war und etwas mitbekommen“ habe, unternimmt der Rechtsmittelwerber bloß einen abermals vergeblichen Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Indem die gegen den Schuldspruch I./B./1./ gerichtete Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) unter Verzicht auf jegliche Konkretisierung ihres Vorbringens und ohne die bei hier vorliegendem umfangreichen Aktenmaterial (10 Aktenbände, viertägige Hauptverhandlung, Vielzahl Angeklagter) gebotene Angabe von Fundstellen (RIS‑Justiz RS0124172) bloß behauptet, „sämtliche in der Hauptverhandlung Angeklagten und Zeugen“ hätten „eindeutig wiedergegeben“, dass der Angeklagte die Tatwaffe „nicht besorgt“ hätte, weiters vorbringt, „alle beteiligten Personen“ hätten eine solche Verschaffung „entschieden in Abrede gestellt“, verfehlt sie eine deutliche und bestimmte Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit begründenden Umständen.

Der ‑ neuerlich ohne Aktenbeleg ‑ gegen die Urteilsannahme, wonach der Angeklagte hinsichtlich der Verschaffung der Tatwaffe von Pindi A***** anlässlich dessen polizeilicher Vernehmung belastet worden sei, erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), richtet sich gegen sich selbst (vgl US 28 mit zutreffendem Verweis auf ON 23 S 127).

Soweit die gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung gerichtete (als „Rechtsrüge“ bezeichnete) Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) unter pauschalem Verweis auf die Rechtsausführungen des Erstgerichts (US 31) fehlende Feststellungen zur Qualifikation nach § 143 erster Fall StGB moniert, übergeht sie prozessordnungswidrig die genau dazu getroffenen Konstatierungen (vgl US 14, 25 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Aus

Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) hat sich der Oberste Gerichtshof von einer nicht geltend gemachten, dem (rechtskräftig abgeurteilten ‑ vgl RIS-Justiz RS0114318) Mitangeklagten Magamed M***** zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (Z 11) hinsichtlich des Verfallsausspruchs betreffend einen Bargeldbetrag von 150 Euro überzeugt. Denn insoweit enthält das Ersturteil ‑ bis auf den unter Begründungsaspekten unzulänglichen Verweis auf „§ 20 Abs 1 StGB“ (US 10) ‑ keine Entscheidungsgrundlagen.

Der Verfallsausspruch war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) aufzuheben und die Sache insoweit dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu neuer Verhandlung und Entscheidung ‑ nach Erledigung der Berufung und Beschwerde ‑ zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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