OGH 1Ob137/15a

OGH1Ob137/15a27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei H***** H*****, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei B***** H*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit c erster Fall EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 27. Mai 2015, GZ 2 R 110/15y‑15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 5. März 2015, GZ 19 C 47/14x-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00137.15A.0827.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Den Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildet die vom Erstgericht erlassene und vom Rekursgericht durch Einschränkung der Gültigkeitsdauer (auf den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Abweisung des Scheidungsbegehrens im anhängigen Scheidungsverfahren, im Falle der Ehescheidung bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Ehewohnung durch Beschluss oder Vergleich rechtswirksam einem der beiden geschiedenen Ehegatten zugewiesen werde oder bis zum Ablauf der Frist des § 95 EheG) abgeänderte, im Übrigen aber bestätigte einstweilige Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit c EO. Mit dieser wurde die Ehewohnung (ein Einfamilienhaus) dem Antragsteller zur alleinigen Benützung zugewiesen, die Antragsgegnerin zum Verlassen der Wohnung aufgefordert und ihr die weitere Benützung der Liegenschaft untersagt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Regelungsverfügung gemäß § 382 Z 8 lit c erster Fall EO durch (vorläufige) Zuweisung der Ehewohnung zur alleinigen Nutzung einem Auftrag zum Verlassen der Wohnung gleichkommt bzw einen solchen Auftrag einschließt, zieht doch die alleinige Benützung der Ehewohnung schon begrifflich nach sich, dass diese danach vom anderen Ehepartner nicht mehr benutzt werden darf und damit verlassen werden muss (6 Ob 576/95; 4 Ob 278/98f = EvBl 1999/86 = EFSlg 88.349; 2 Ob 72/05k; 2 Ob 169/07b).

2. Der nicht näher ausgeführten Ansicht Königs (Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren4 Rz 4/35), der meint, der Auftrag, die Wohnung zu verlassen, sei erst nach rechtskräftiger Ehescheidung (‑aufhebung, ‑nichtigerklärung) zulässig, bis zu diesem Zeitpunkt erfolge die Regelung über §§ 382b ff EO, wurde in der Lehre bereits ‑ begründet ‑ widersprochen (Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung § 382 EO Rz 11; Hopf/Kathrein, Eherecht³ § 382 EO Rz 18, 20; vgl auch Sailer in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO§ 382 Rz 36, der erläutert, die Zuweisung der Ehewohung an einen Ehegatten beinhalte zwangsläufig die Ausweisung des anderen [samt Rückkehrverbot], es sei strittig, ob eine Zuweisung der Ehewohung nach [Hervorhebung nicht im Original] rechtskräftiger Beendigung der Ehe zulässig sei). Der Auffassungvon König steht der klare Gesetzeswortlaut des § 382 Z 8 lit c EO entgegen. Danach kann das Gericht als Sicherungsmittel die einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nicht nur im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung, sondern auch im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anordnen (vgl zu noch nicht geschiedenen Ehepartnern ua 6 Ob 576/95 und 6 Ob 55/08v, wonach § 382b EO als lex specialis einerseits engere Tatbestandsvoraussetzungen, vor allem aber umfassendere Rechtsfolgen [Erfassung auch der unmittelbaren Umgebung, Rückkehrverbot] aufweist als die Regelungsverfügung nach § 382 Z 8 lit c erster Fall EO und ein gegen den Antragsteller verhängtes Betretungsverbot die Erlassung einer solchen zu seinen Gunsten angestrebten Benützungsregelung über die Wohnung entgegensteht).

Der im Rahmen einer Regelungsverfügung nach § 382 Z 8 lit c erster Fall EO ausdrücklich erteilte Auftrag an einen noch nicht geschiedenen Ehepartner, die Ehewohnung zu verlassen, drückt damit lediglich klarstellend die in Rechtsprechung und Lehre vertretene Auffassung aus, dass die Zuweisung der Ehewohnung zur alleinigen Nutzung einen solchen Auftrag einschließt.

3. Die Regelungsverfügung bedarf keiner besonderen Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 EO (RIS‑Justiz RS0006039). Seit dem GeSchG muss es auch für einen auf § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO gestützten Antrag, einem Teil die Ehewohnung zur alleinigen Benützung zuzuweisen, genügen, dass der andere Teil ein Verhalten gezeigt hat, das das Zusammenleben in der Ehewohnung unzumutbar macht (RIS‑Justiz RS0111240). Eine solche einstweilige Verfügung ist zu erlassen, wenn ein Regelungsbedürfnis besteht (RIS‑Justiz RS0006043) und das Ergebnis der Abwägung der einander widerstreitenden Interessen der Ehegatten den Standpunkt der gefährdeten Partei stützt (RIS‑Justiz RS0006043); diese Interessenabwägung ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (2 Ob 72/05k; RIS‑Justiz RS0006053 [T3]).

4. Eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung des vorliegenden Falls wird von der Revisionsrekurswerberin nicht dargetan. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass in den wiederholten Beschimpfungen und Provokationen durch sie sowie in den mehrfachen Stromabschaltungen, die zu einer Gefährdung sowohl des Vermögens des Antragstellers als auch dessen psychischer Gesundheit führten, im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung ein Verhalten liege, mit dem die Antragsgegnerin dem Antragsteller, der auf die Benützung der Ehewohnung deshalb dringend angewiesen sei, weil er sonst in absehbarer Zeit obdachlos werden würde, das Zusammenleben in der ehelichen Wohnung unerträglich bzw unzumutbar mache, ist keineswegs unvertretbar.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a Abs 2 zweiter Satz, § 510 Abs 3 ZPO).

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