OGH 8ObA50/15h

OGH8ObA50/15h30.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Thomas Kallab in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** E*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei I*****gesmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lösch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.379 EUR brutto sA (Revisionsinteresse), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. April 2015, GZ 8 Ra 123/14p‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00050.15H.0730.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagte Partei hat ihre Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung schlüssiger Willenserklärungen kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen treffen, weil die Lösung jeden Falls auf singulären Sachverhaltselementen beruht (RIS‑Justiz RS0043253 [insb T6, T13]; RS0042936; RS0042776; RS0042742).

Die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Vertrag schlüssig zustandegekommen ist, ist daher nur dann im Revisionsverfahren zu überprüfen, wenn das Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hat (RIS‑Justiz RS0042936 [vgl insb T17]). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.

2. Die Revision stützt ihre Auffassung, der Kläger sei von der Beklagten mit allen Rechten und Pflichten von der früheren Arbeitgeberin übernommen worden, im Wesentlichen darauf, dass es nach seiner Kündigung keine Endabrechnung gegeben habe und ihm mitgeteilt worden sei, es werde sich durch die Ummeldung für ihn nichts ändern. Außerdem habe er bei der Beklagten exakt die gleiche Tätigkeit wie vor dem Arbeitgeberwechsel verrichtet.

Damit weichen die Revisionsausführungen insofern vom maßgeblichen Sachverhalt ab, als das Unterbleiben einer Endabrechnung überhaupt nicht festgestellt werden konnte. Sie übergehen auch, dass die Erklärung, es werde sich für den Kläger „nichts ändern“, weder inhaltlich determiniert, noch einem gesetzlichen Vertreter oder sonstigem zur Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen befugten Repräsentanten der Beklagten zugeordnet werden konnte.

Überhaupt vermag die Revision nicht darzulegen, warum eine vertragliche Anrechnung der Vordienstzeiten des Klägers etwas daran ändern hätte können, dass sein zuletzt mit der Beklagten eingegangenes Dienstverhältnis, aus dem er den Klagsanspruch ableitet, gemäß § 36 BMSVG dem System „Abfertigung neu“ unterlag.

3. Aus den bindenden Feststellungen ergibt sich nicht, dass die Beklagte und der frühere Arbeitgeber des Klägers einen Konzern iSd § 115 GmbHG bilden, sodass die auf das Bestehen eines Konzernverhältnisses gestützten Rechtsausführungen des Revisionswerbers nicht einschlägig sind.

4. Ob dem Kläger bewusst war, dass er sich im neuen Abfertigungssystem befand, ist für das rechtliche Ergebnis ohne Bedeutung.

5. Auf das Vorliegen eines Betriebsübergangs auf die Beklagte hat sich der Kläger in erster Instanz überhaupt nicht berufen. Aus welchem Grund das Erstgericht im Protokoll der vorbereitenden Tagsatzung von sich aus die Prüfung eines Betriebsübergangs ins Auge fasste, ist nicht mehr nachvollziehbar, jedenfalls aber mangels eines entsprechenden Klagsvorbringens ohne Relevanz.

Soweit die Revisionsausführungen nun erstmals diesen Rechtsgrund aufzugreifen versuchen, verstoßen sie gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen verkennen sie, dass es für einen Betriebsübergang nicht genügt, wenn einzelne Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber zum anderen wechseln, sofern nicht gleichzeitig die organisatorische und wirtschaftliche Einheit, in die diese Arbeitnehmer arbeitsmäßig eingebunden waren, mit übergeht (RIS‑Justiz RS0082749).

6. Die Revisionsbeantwortung war mangels Freistellung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig, sodass die Beklagte ihre Kosten gemäß § 508 Abs 5 ZPO selbst zu tragen hat.

Stichworte